Deutsch-Abitur: Niedrigere Anforderungen – schlechtere Noten! Philologen schlagen Alarm

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DÜSSELDORF. Die Bilanz des Abiturs in Nordrhein-Westfalen 2024 bereitet dem Philologenverband sorgen.  Nicht nur, dass die Durchfall-Quote gestiegen ist. Auch die Ergebnisse in Deutsch-Leistungskursen seien schlecht – trotz gesunkener Anforderungen (um von den Ergebnissen der Prüfungen in den Mathe-Grundkursen gar nicht erst zu sprechen). Dies berichtet die „Rheinische Post“.  

“Basale Schreibschwächen”: Sabine Mistler, Vorsitzende des Philologenverbands NRW. Foto: phv Nordrhein-Westfalen

So bestanden knapp 5,2 Prozent der Prüflinge in Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr ihr Abitur nicht. 2021 waren es noch knapp 3,4 Prozent gewesen. Dabei gibt es bei den Geschlechtern einen deutlichen Unterschied: Während 4,7 Prozent der Mädchen das Abi nicht bestanden, waren es 5,8 Prozent der Jungen.

Bei den Leistungskursen waren die Ergebnisse im Fach Deutsch auch in Vorjahren schon im unteren Bereich, nun aber seien sie mit einem Schnitt von 8,1 Notenpunkten – das entspricht in etwa einer Drei als klassischer Schulnote – „am schlechtesten überhaupt“, schlechter noch als die in Mathe.

Das ist ohnehin ein Problemfach für viele Schülerinnen und Schüler. In den Grundkursen – Mathematik ist verpflichtend in der Oberstufe – erzielten die Abiturientinnen und Abiturienten denn auch einmal mehr besonders schlechte Noten. Nach Einschätzung des Philologenverbands waren die Grundkurs-Klausuraufgaben dieses Jahr aber zu schwer, vor allem zu textlastig.

„Alle Schüler sind zum Abitur zugelassen, müssten es also formal schaffen können – und dann scheitern immer mehr auf dem letzten Meter“

Hingegen sei ein Aufgabenbereich bei den Leistungskursen im Fach Deutsch nach den Rückmeldungen von Deutschlehrern eindeutig zu leicht gewesen. „Wenn dennoch die Ergebnisse schlechter sind, kann man den Schluss ziehen, dass es basale Schreibschwächen gibt, die noch nicht mal durch ein leichteres Aufgabenformat kompensiert werden konnten“, sagte die Landesvorsitzende des Philologenverbands, Sabine Mistler, gegenüber dem Blatt. Das passe zu einem Trend, der allgemein zu beobachten sei. „Wir erkennen deutliche Defizite beim Textverständnis. Rechtschreibung und Grammatik sind schlechter geworden. Das spiegeln diese Abiturergebnisse jetzt ganz deutlich wider.“

Die Maßnahmen zur Deutschförderung an Grundschulen gingen in die richtige Richtung, reichten aber nicht aus, schlussfolgert der Philologenverband – nimmt aber auch die weiterführenden Schulen in den Blick: Auch Gymnasien und Gesamtschulen seien dabei gefordert.

Der Verband fordert außerdem mehr Statistiken, um zu klären, warum die Quote der Durchfallenden steigt. „Alle Schüler sind zum Abitur zugelassen, müssten es also formal schaffen können – und dann scheitern immer mehr auf dem letzten Meter. Ohne weitere Daten können wir nicht wirklich wissen, woran das liegt“, befand Sabine Mistler. Die Noten aus der Qualifikationsphase in den Oberstufenjahren, die in die Gesamtnote einfließen, würden derzeit nicht erfasst. Auch wisse man nicht, wie viele Schüler gar nicht erst zugelassen werden. Mistler: „Wir fordern, dass das statistisch erhoben wird.“ News4teachers / mit Material der dpa

Mädchen wieder besser als Jungen im Abitur – “unterschiedliche Anstrengungsbereitschaft”

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Andreas
1 Monat zuvor

Hinweis an die Redaktion:

Mathematik ist im Abitur NRW kein Pflichtfach. Pflicht sind zwei der drei Fächer Deutsch, fortgeführte Fremdsprache (meist Englisch) und Mathematik. Man kann also Mathematik durch zum Beispiel Biologie ersetzen. Richtig ist allerdings, dass Mathematik nicht abgewählt werden kann und bis in die 12-I einschließlich (13-I bei G9 oder Gesamtschulen) Klausuren zu schreiben sind.

Rüdiger Vehrenkamp
1 Monat zuvor

Und zeitgleich lesen wir, dass man sich in BW über den neuen Test für den Übergang von der Grundschule aufs Gymnasium echauffiert… Das grenzt schon an Realsatire.

MB aus NRW
1 Monat zuvor

Dieser Test (man kann ihn online einsehen) war allerdings wirklich für Viertklässler viel zu schwer.
Das kann jeder Lehrer auch direkt beim ersten Überfliegen der Aufgaben sehen.

Matheabitur sehe ich zwiegespalten. Inhalte werden immer mehr rausgestrichen, Jahr für Jahr, stattdessen sitzt man eben stundenlang mit seinen Schülern vor dem Taschenrechner und lässt die Eingabebefehle auswendig lernen und versucht, für sich selbst und die Schüler die Unterschiede zwischen Operatoren wie “bestimmen Sie”, “bestimmen Sie rechnerisch”, “berechnen Sie” etc. klar zu bekommen.

Dann kommen die Aufgaben mit Sachkontexten wie Pfeilen, die nicht im Bogen, sondern geradeaus fliegen oder Flugtaxis, die von einer Wolkenkratzerspitze zur nächsten fliegen (natürlich auf einer Geraden!) Oder irgendwelchen Pyramiden, deren Flächen warum auch immer irgendwie geteilt werden…wenn Schüler verstehen, was sie machen sollen und was sie aufschreiben müssen und ob sie den Taschenrechner jetzt verwenden dürfen oder ein bisschen verwenden dürfen…ja dann schaffen sie in der Rwgel auch die Aufgabe.

Je weiter man nach “oben” kommt, desto absurder Vorstellungen herrschen vor, wie Schule und Unterricht aussehen und was Schüler können.

Lehrer Lempel
1 Monat zuvor

Nun, wenn die Deutschkenntnisse, Rechtschreibung o.ä. im Abi schlecht sind, sollten die werten Philologen sich mal an die eigene Nase fassen. Schließlich sind die Abiturienten seit 9 Jahren von den hochbezahlten Kollegen unterrichtet worden!

Philine
1 Monat zuvor
Antwortet  Lehrer Lempel

Wenn man die unbezahlten Überstunden für die Korrekturen mitrechnet, sind die Kollegen so hoch bezahlt auch wieder nicht.

447
1 Monat zuvor
Antwortet  Lehrer Lempel

Ob nun Deutsch oder andere Fächer: Was und wie unterrichtet wird bestimmen im Kern nicht wir Lehrer.
Wenn 9 Jahre lang Nasenbohren und Kompetenzgedüdel gefordert wird (und oft genug Lehrer mit Anspruch so lange kleingemahlen werden, bis sie sich fügen) – da lässt sich nun kaum sagen: “Die Deutschlehrerlis warens!” (Bin selbst keiner)

Blau
1 Monat zuvor
Antwortet  Lehrer Lempel

Ausreichend Förderung von SuS mit nichtdeutscher Muttersprache ist in einem Kurs mit 30 SuS nicht ausreichend möglich. Es müsste extra kleinere Förderkurse geben, nach Niveau getrennt. Das muss von Politik entschieden und finanziert werden. Da können die Nasen der LuL nichts für. Ich sage meinen SuS: lesen, lesen, lesen. Aber nun freiwillig tun es die meisten nicht.

lehrer002
1 Monat zuvor

“Ohne weitere Daten können wir nicht wirklich wissen, woran das liegt”

Hier im Ort gibt es keine Hauptschule, eine aus allen Nähten platzende Realschule, zwei Gesamtschulen und ein Gymnasium. Dazu kommen im Umkreis von 10 km zwei verschiedene sehr beliebte Privatgymnasien. Bei summa summarum 5!!! Schulen mit Oberstufe kann sich jeder ausrechnen, dass auch die Schüler, die wir bereits in der Grundschule als nicht gymnasialtauglich erkennen, durch die Oberstufe durchgewunken werden, um die Schülerzahlen zu halten, Stellenzuweisungen zu bekommen und die Oberstufen voll zu haben.

Dejott
1 Monat zuvor

In den Schulen ist doch lange bekannt,dass die Leistungen insgesamt beständig abnehmen. Die Ursachen werden allerdings komplex sein. Glaube kaum,dass die Philologen bei der Ursachenforschung und Problembewältigung helfen können. Das Mantra,dass ich von dort wahrnehme lautet: Sieben,trennen,filtern. Spiel nicht mit den Schmuddelkindern.

Hannah Halloumi
1 Monat zuvor

Ich kann die Skandalisierung der “hohen” Durchfallquoten nicht nachvollziehen. 5%, das sind, wenn man auf die Einzelschule guckt, in einem Abiturjahrgang von, sagen wir, 80 Schüler*innen gerade mal 4 Stück. Das ist so, als hätte man in einer Klassenarbeit mit 20 Schüler*innen einen (!) dabei, der ‘ne Fünf hat.

Noch irritierender aber ist die starke moralische Komponente, die da im Subtext steckt: sowas liest sich immer wie “Menschen ohne Abitur sind weniger wert”. Ich würde strikt dagegenhalten: selbst Menschen ohne jeglichen Schulabschluss sind genauso vollwertiger Teil unserer Gesellschaft wie alle anderen, und nicht defizitäre Kleinlebewesen, die maximal am Katzentisch mitspielen dürfen. Und es ist ja weiß Gott nicht so, dass die Lebenschancen ohne Schulabschluss signifikant geringer wären. Wer eine Liste mit Berufen zusammenstellen wollte, in die man ohne Schulabschluss einsteigen kann, der hätte viel zu tun. Sicher, viele dieser Berufe genießen zu wenig Prestige (und Bezahlung!), aber das ist ein gesellschftliches und politisches Problem, und daher änderbar.

Hinter all der Aufregung steckt vermutlich die Sorge der Wirtschaftslobby um den “Standort” und der Wunsch, einen möglichst großen Teil unserer Jugend kompatibel zu den Anforderungen der Konzerne zurechtzuschneiden — die OECD lässt grüßen. Es ist traurig, dass nicht nur von der ohnehin meist stromlinienförmigen GEW (die einen allzu schroffen Gegensatz zwischen Kapital- und Arbeitnehmerinteressen gar nicht mag), sondern nicht einmal von den Philologen irgendein Gegenwind gegen diesen Trend kommt …von letzteren hätte man ja immerhin noch erwarten können, dass sie als Repräsentanten eines humanistischen, ganzheitlichen Menschenbildungsverständnisses auftreten, das sich jeglicher ökonomischer Instrumentalisierung verweigert.

ed840
1 Monat zuvor
Antwortet  Hannah Halloumi

Die 5,2% beziehen sich nach meiner Lesart nicht auf den Jahrgang, sondern auf Schüler*innen, die auch zur Abiturprüfung zugelassen wurden und angetreten sind. Nach meinen Informationen lag die Quote vor 10 jahren noch bei 2,8% , also deutlich niedriger.

Der Zauberlehrling
1 Monat zuvor
Antwortet  Hannah Halloumi

Das Abitur macht den Menschen nicht zu einem bessern Menschen, vielleicht zu einem andern.

Ist mit dem Studium das selbe.

Ich stimme Ihnen uneingeschränkt zu – auch ein Mensch ohne Schulabschluss ist ein wertvoller Teil der Gesellschaft, wenn er sich in diese einbringt.

dickebank
1 Monat zuvor

Ist aber der erste Schritt zur Menschwerdung und die ist erst mit der Ernennung in den höheren Dienst abgeschlossen.

Der Zauberlehrling
1 Monat zuvor

Noch ist Zeit, das Abitur 2025 im Sinne einer weiteren Niveauabsenkung anzupassen.

anka
18 Tage zuvor

Das fünfte Fach (NRW) naht.
Weil wissen tun die SuS nix mehr, google-Kompetenzen helfen im Abi nix, da muss nun das fünfte Rad am Wagen her, um die Anforderungen zu diversifizieren (vulgo: senken).
Auf dass wir die Allgemeine Hochschulreife noch weiter verwässern und die Abiturienten*quote noch weiter ansteige.
Dann ist Finnland bald ein- und überholt (s.a. Pisa-Schock).
Als ob das Abitur alleinseligmachend wäre!