FRANKFURT/MAIN. Kati Ahl kennt sich mit Bildungsthemen aus. Sie war Lehrerin, hat Lehramtsreferendar*innen ausgebildet und war Schulleiterin. Heute ist sie Schulentwicklungsberaterin, Buchautorin – und Podcastproduzentin. In ihrer News4teachers-Reihe „Schule, lass mal reden“ ist Kati Ahl auf der Suche nach pädagogischen Perlen und hat in den vergangenen Folgen von ihren Bildungsreisen nach Dänemark berichtet. Heute geht es um Erfahrungen als Lehrkraft mit Bildungssystemen weltweit.
In der neuen Folge von „Schule, lass mal reden!“ begrüßt Kati Ahl die Pädagogin und Autorin Clara Schaksmeier, die das Kinderbuch „Heute gehe ich in die Schule: Wie Kinder rund um den Globus lernen“ geschrieben hat. Clara Schaksmeier hat als Lehrkraft in verschiedenen Ländern wie Vietnam, Kanada, Georgien und Indien gearbeitet und bringt dadurch umfangreiche internationale Erfahrungen mit. Im Gespräch thematisieren die beiden Frauen, wie unterschiedlich Bildungssysteme weltweit sind und wie wertvoll Bildungsreisen – nicht nur für Schülerinnen und Schüler, sondern auch für Lehrkräfte – sein können.
Clara Schaksmeiers Buch, das 2023 erschienen ist und bereits nach Südkorea verkauft wurde, beschreibt Schulen rund um die Welt, allerdings aus einer fiktiven Perspektive von Kindern, die sie auf Grundlage von Interviews mit Lehrkräften aus zehn verschiedenen Ländern erschaffen hat. Ursprünglich hatte sie geplant, echte Kinder zu interviewen, musste dieses Vorhaben jedoch wegen der Corona-Pandemie anpassen. Trotzdem ist es ihr gelungen, ein Kinderbuch zu gestalten, das sich an den Interessen junger Leserinnen und Leser orientiert – mit Fragen wie zum Beispiel: Wie sieht der Schulweg aus? Was gibt es zu essen? Oder: Wie ist das Klassenzimmer gestaltet? Wichtig ist auch die Frage, was die Kinder weltweit in ihren Schulranzen packen.
„Am plastischen Gegenstand Schulranzen zeigt sich, was für den Alltag wichtig ist“, erläutert Clara Schaksmeier. „Er ist der Begleiter jedes Kindes durch die gesamte Schulzeit.“ Zudem betont sie, dass in ihrem Buch Schule kein Stereotyp ist und die Beispiele aus den einzelnen Ländern die Schulen nur exemplarisch abbilden. Daraus dürfe man nicht verallgemeinern, dass jede Schule in dem jeweiligen Land auf diese Art und Weise funktioniert.
Im Podcast geht es auch um den sogenannten “Culture Clash”, den Lehrkräfte erleben können, wenn sie Bildungssysteme anderer Länder kennenlernen. Besonders interessant ist dabei der Vergleich mit Südkorea – einem PISA-Siegerland mit Schattenseiten: Lehrkräfte werden dort vermehrt von Eltern angezeigt. Dies wiederum führt zu einer erhöhten Suizidgefährdung bei den koreanischen Lehrkräften, so berichtet Clara Schaksmeier und reflektiert über die global unterschiedlichen Herausforderungen im Lehrerberuf. Darin sieht sie Stoff für ein mögliches weiteres Buch.
Vielfältiger Schulalltag und Verständnis für andere Kulturen
Das Gespräch bietet Einblicke in Clara Schaksmeiers pädagogische Arbeit und ihre Reisen, die sie zur Entwicklung ihres Buches inspirierten. Es zeigt, wie unterschiedlich Kinder weltweit lernen und welche Bedeutung Aspekte wie Rituale, oder die Schulumgebung in den verschiedenen Kulturen haben.
Clara Schaksmeier erläutert, wie ihre internationalen Unterrichtserfahrungen ihren Blick auf Schule und Bildung verändert haben und warum es ihr wichtig ist, die Vielfalt von Schulen in anderen Ländern darzustellen. Sie betont, dass Schulen überall auf der Welt unterschiedlich sind, sogar innerhalb eines Landes. So ähneln Privatschulen in Indien eher britischen Schulen als den landeseigenen staatlichen Schulen. Im Buch stellt Schaksmeier individuelle Kinder und ihre Schultage vor, um die Vielfalt des Schulalltags zu verdeutlichen.
Kati Ahl hinterfragt, warum es sinnvoll ist, mehr über Schulen in anderen Ländern zu erfahren. Clara Schaksmeier betont, dass es besonders in internationalen Klassenzimmern, wie sie sie in Deutschland oft vorfindet, wichtig ist, Neugier und Offenheit für andere Bildungssysteme zu entwickeln. Ein Dialog zwischen Kindern, basierend auf Interesse und Neugier, kann dazu beitragen, kulturelle Unterschiede im Schulalltag zu verstehen.
„Indien hat mir die Augen geöffnet“
Im Gespräch wird auch deutlich, dass jeder eine andere Vorstellung von Schule hat – etwa, dass der Schultag immer um 08:00 Uhr beginnen müsse. Clara Schaksmeier berichtet von ihrer Zeit in Indien, wo der Unterricht aufgrund der Hitze oft schon um 06:00 Uhr beginnt und wo es keine Pausen zwischen den Schulstunden gibt. Dadurch werde der Schultag kürzer, erläutert der Schulleiter gegenüber Clara Schaksmeier. Die Schülerinnen und Schüler wechseln flott zu Beginn der neuen Unterrichtsstunde das Klassenzimmer, wo die jeweilige Fachlehrkraft sie dann erwartet.
Prinzip Lehrerraum: Hier haben also die Lehrkräfte ihre eigenen Räume und nicht die Schüler ein eigenes Klassenzimmer. Diese Erfahrung stellte ihr eigenes Verständnis von Unterrichtsstrukturen in Frage und öffnete ihr die Augen für die Vielfalt schulischer Organisation weltweit.
Fremdheitserfahrungen ernst nehmen
Besonders wertvoll für Lehrkräfte, so Clara Schaksmeier, ist es, sich solchen neuen Erfahrungen auszusetzen, um Offenheit und Flexibilität zu entwickeln. Ihre eigenen Erlebnisse in fremden Bildungssystemen haben ihr eine tiefere Empathie für Menschen vermittelt, die sich in neuen Umgebungen zurechtfinden müssen, insbesondere für Kinder aus anderen Ländern, die sich in deutschen Schulen integrieren. Clara Schaksmeier betont, wie wichtig es für Lehrkräfte ist, diese Fremdheitserfahrungen ernst zu nehmen und den Kindern Raum und Zeit für die Eingewöhnung zu geben.
Zum Abschluss des Gesprächs teilt Clara Schaksmeier positive Rückmeldungen zu ihrem Buch von Lehrkräften. Es wird sogar in Kindergärten genutzt, um Kindern den Übergang zur Schule zu erleichtern und ihnen die Angst vor dem Unbekannten zu nehmen. Zudem spricht Clara Schaksmeier über ihre Arbeit als Heilpraktikerin für Psychotherapie in Berlin und erklärt, dass sie nach wie vor eine enge Verbindung zur Bildung hat und gerne an Schulen geht, um über ihre Erfahrungen zu berichten. News4teachers
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“warum es sinnvoll ist, mehr über Schulen in anderen Ländern zu erfahren”
Weil ich dadurch schon vorhersehe, wohin sich der Bildungstrend hierzulande entwickelt. Die letzten 20 Jahre hat es ganz gut gepasst. – Na, in welchem Land war ich wohl? Wer richtig liegt, sein Zeugnishoroskop dann gratis kriegt.
USA?
Unwahrscheinlich, denn dort schneiden die Schüler mit Migrationshintergrund bei PISA besser ab als die Einheimischen, in DE ist es ja umgekehrt.
Nö 🙂
Finnland?
Könnte sein, denn dort ging es ja bei PISA noch rapider abwärts. Dort schnitten sowohl die Schüler*innen ohne Migrationshintergrund, als auch die mit Migrationshintergrund bei PISA 2022 schlechter ab als die Pendants in DE. Der Punktabstand beim Lesen war in FIN mit 92 Pkt auch wesentlich höher als in DE mit 67 Pkt, die Jungen hinkten noch wesentlich weiter hinter den Mädchen her und der Anteil der Schüler*innen, die sich an ihrer Schule nicht wohl und fehl am Platz fühlten, war um 50% höher als in DE. Das hindert aber viele Bildungsexpertinnen nicht daran, Finnland weiterhin als Vorbild für DE zu nennen.
Nee, Suomi:)
In Singapur ist es für junge Lehrer verpflichtend, zeitweise in ein anderes Land zu gehen.
Klar, ist ja easy peasy… weil Lehrer ja nicht einmal Probleme haben von einer Schule zu einer Anderen innerhalb eines Bundeslandes versetzt zu werden… oder, Gott bewahre, gar in ein anderes Bundesland.
Da wird es ja überhaupt keine Probleme geben, den Dienst im Ausland bewilligt zu bekommen… Warum machen das die Lehrer bloß nicht, muss an diesen unterschiedlichen Kulturen liegen.
Und kein Sauerkraut. Geht leider nicht.
Es ist wirklich unproblematischer gewesen, ins Ausland zu gehen als in ein anderes Bundesland. Allerdings weiß ich nicht, wie es gerade mit dem Lehrermangel ist.
Nach meinen Informationen meldeten innerhalb der EU nur Kroatien und Zypern keinen Lehrermangel.
“Prinzip Lehrerraum: Hier haben also die Lehrkräfte ihre eigenen Räume und nicht die Schüler ein eigenes Klassenzimmer”
Habe ich selbst besonders als Lehrerin für Heimat – und Sachkunde als äußerst hilfreich erlebt. Sonst muss ich sehr viel Material rumschleppen. Ein anderer Vorteil ist das Territorium als Fachlehrer. Die Schüler betreten meines, ich nicht das ihre ( und deren Klassenlehrer – ich hatte da schon sehr eigene Kollegen) Und: Die Fünf Minuten – Pause gehört wirklich mir. Es ist auch Mal Zeit für ein persönliches Wort mit Kindern zwischen Tür und Angel. Sonst habe ich Schweißausbrüche, weil ich eigentlich schon längst in Gebäude A sein müsste, das aber C ist und ich vollbepackt….wie gesagt, kann es empfehlen. Habe die Kollegen von Chemie und Physik hier immer beneidet.
Das deckt sich mit meinen Erfahrungen. Vor allem auch das mit dem eigenen Territorium. Das spart eine Menge unnötige Diskussionen, was im Raum erlaubt ist und was nicht, man hat sein (Zusatz)Material schnell griffbereit, wenn mal etwas anders läuft als geplant … Kann ich nur empfehlen!
Dass Eltern imm er häufiger gegen Lehrkräfte vorgehen, scheint aber nicht nur in Südkorea ein Trend zu sein, sondern leider auch im deutschsprachigen Raum.
https://www.news4teachers.de/2016/04/dann-werden-sie-schon-sehen-wie-eltern-lehrer-unter-druck-setzen-ein-verbandsjurist-berichtet/
https://www.heute.at/s/zu-viel-hausuebung-eltern-drohen-mit-rechtsanwalt-120059906
https://schulblatt.tg.ch/schulblattblog.html/4276/news/38237
Klar lohnt es sich. Für mich aber nicht.
Hm, “Culture Clash” verstehe ich nicht. Ich kann nur mutmaßen, was das sein soll. Auf Deutsch hätte ich es sicherlich sofort verstanden. Warum schreibt man es Englisch für ein deutschsprachiges Publikum? Um zu zeigen, wie gut man Englisch kann? Verständnis für andere Kulturen, aber die eigene mit Füßen treten?!?
D.h. sowas wie minor culture shock.
… auf russisch. “kulturnij shok”. Diese “Vokabel” stand übrigens nicht in den Lehrbüchern 🙂 Die lernten wir von unserer Klassen- und Russischlehrerin (Muttersprachlerin). Die gesamte Klasse stand eines Tages, nach den Abi-Prüfungen, mit einem großen Blumenstrauß und einer Flasche Wodka vor ihrer Wohnungstür, um ihr zum Geburtstag zu gratulieren und uns bei ihr zu bedanken. (Ja, waren andere Zeiten). Es wurde ein lustiger Nachmittag – 25 Leute in ihrem kleinen Wohnzimmer! Sie empfahl uns bei der Gelegenheit, unbedingt ihre geliebte Heimat zu besuchen. Gleichzeitig warnte sie uns vor einem “kulturnij shok”, da nicht alles so ist, wie in den Schulbüchern beschrieben. Sie “plauderte ein bisschen aus dem Nähkästchen”. Das war sehr lustig und informativ, aber nicht unbedingt politisch korrekt 🙂 Lag es am Wodka? Zum Glück hat sie keiner verpfiffen.
Hier etwas aus dem pädagogischen Paradies in Schweden:
“Nach Untersuchungen (Bertilsson/ Börjesson/ Broady 2008) haben sich in den letzten drei Jahrzehnten die Abiturnoten und Hochschuleingangsprüfungen angehender Lehrerinnen und Lehrer kontinuierlich verschlechtert. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, prophezeit der Bildungssoziologe Broady, dass „ein großer Teil der Schulen […] als unakzeptabel für die Oberklasse und die obere Mittelklasse erscheint“. Als Konsequenz befürchtet er eine „Abstimmung mit den Füßen“ – ein Abwandern in private Schulen – und ein Auseinanderreißen des Systems. Dabei dürfte weder die anhaltende kritische Medienberichterstattung über die Schulen noch die Aussicht auf ein niedriges Gehalt junge Menschen dazu locken, den Lehrerberuf zu ergreifen. Der durchschnittliche Bruttolohn beträgt in Schweden umgerechnet rund 2700 Euro für Grundschullehrkräfte, 3000 Euro für Sonderpädagogen – bei hohen Steuern und Lebenshaltungskosten.”
Quelle:
https://www.inklusion-online.net/index.php/inklusion-online/article/view/78/78
Was schon mal nahelegt: Geklagt, dass alles immer schlechter wird, wird überall…
Herzliche Grüße
Die Redaktion
Wenn man die Ergebnisse von PISA 2022 als Maßstab nimmt, fällt auch auf, dass in Schweden deutlich mehr Schüler als in DE angaben sich an ihrer Schule nicht wohl und fehl am Platz zu fühlen, ebenso als Außenseiter / von Dingen ausgeschlossen. Auch der Prozentsatz, der sich in der Schule nicht sicher fühlte lag über dem OECD-Schnitt.
Hier noch was zu Schwedens gewinnorientierten Privatschulen (ein Viertel von allen):
https://www.deutschlandfunkkultur.de/schweden-privatschulen-kritik-wahlkampf-100.html
“Warum es sich lohnt, als Lehrkraft auch mal in fremden Ländern zu unterrichten”Naja, weil Hattie u.a. danach fragte. Also: Come in and find out. Was wäre schöner als in Echtzeit ein System zu studieren von innen heraus, wunderbar, mit allen Sinnen.
Es ist in jedem Beruf sinnvoll, mal etwas Anderes zu sehen, seinen Horizont zu erweitern und ein Stück weit das eigene System wertschätzen zu lernen.
So hatte ich das Glück, schon Ende des Studiums ein Jahr in den USA zu leben und zu arbeiten. Ebenso konnte ich in einem Austausch für ein paar Tage in Asien eine Schule besuchen, aber nicht selbst unterrichten.
Wenn man aber erstmal fertig-ausgebildeter Lehrer ist, das Ref durch ist, wird es gar nicht mehr so einfach:
Man ist nicht mehr alleine, sondern hat Familie, aus dem WG-Zimmer ist eine Wohnung oder ein Haus geworden, man übernimmt Verantwortung nicht nur in der Schule, sondern z.B. für ältere Familienmitglieder usw.
Statt in Indien und Vietnam den Unterricht anzuschauen, hilft vielleicht manchmal der alte Spruch: “Warum in die Ferne reisen…”
und man sollte mehr an der eigenen Schule schauen, was andere Kolleginnen und Kollegen tolles im Unterricht machen.
Wir haben dazu in der Schule im Fachbereich eine Politik der “offenen Tür”, wo man wirklich mal zu Kolleginnen und Kollegen in den Unterricht geht oder spontan jemand zu einem kommt. Alleine das finde ich schon wertvoll, weil man oft tolle Ideen für seinen Unterricht bekommt oder einfach nur sieht, wie andere Lehrkräfte in ihrem Unterricht mit den Schülern umgehen. Wenn man die Zeit dazu findet, ist das immer sehr spannend.