Das Land NRW erprobt an 130 Grundschulen ein neues Screening-Verfahren, um die Frühförderung zu verbessern: Mit eduLOG des Fröndenberger Unternehmens LOGmedia wird der Entwicklungsstand (und damit der individuelle Förderbedarf) von Kindern vor der Einschulung systematisch erfasst. Zuvor hatte bereits die Stadt Hagen einen entsprechenden Modellversuch mit eduLOG gestartet – und alle Grundschulen mit dem digitalen Check ausgestattet. Eine der beteiligten Schulen: die Grundschule Kuhlerkamp. Wir sprachen mit Konrektorin Wiebke Kemper über ihre Erfahrungen.
Ein Modellversuch klingt erst einmal nach Arbeit mit ungewissem Ausgang. Warum nehmen Sie teil?
Wiebke Kemper: Ich war zuvor an der Astrid-Lindgren-Grundschule in Hagen tätig. Wir durften dort Anfang 2020 die Diagnostiksoftware eduLOG ein Jahr lang testen, waren also eine Vorreiterschule für das Modellprojekt. Seit drei Jahren arbeite ich nun an der Grundschule Kuhlerkamp – und wir nutzen seitdem auch hier das computergestützte Diagnoseverfahren. Wir haben das Programm an andere Schulen weiterempfohlen.
Welche Erwartungen hatten Sie zu Beginn an die Software – und wurden diese erfüllt?
Kemper: Ich hatte die Erwartung, dass bei den Testungen alle notwendigen Bereiche wie Wahrnehmung oder Sprache in den Blick genommen werden. Diese Erwartung wurde in jedem Fall erfüllt.
Im Laufe der Zeit ist das Programm auch stetig weiterentwickelt worden. So fanden wir Lehrkräfte einige Aufgaben zunächst etwas schwierig für die Kinder und haben das an die Entwickler zurückgemeldet. Unsere Rückmeldungen zu den Übungen wurden gut angenommen, Anpassungen in der Software vorgenommen. Durch unsere Anregungen kamen zum Beispiel die Bereiche Motorik oder Sozialverhalten in der Testung hinzu.
Was hat Sie dazu bewogen, die Diagnostik dann auch an ihrer neuen Schule, der Grundschule Kuhlerkamp einzusetzen?
Kemper: Ich bin seit 26 Jahren im Schuldienst und erinnere mich, dass früher immer Freiwillige gesucht wurden, um die Testungen vor der Einschulung durchzuführen. Die wurden dann aus meiner Sicht recht unterschiedlich gehandhabt. Jede Schule hatte ihre eigene Methode dafür. Die Kinder wurden auch meist in Gruppen getestet. Bei diesen Gruppentestungen konnte man die Kinder gut in der Interaktion mit anderen beobachten. Bei den computergestützten Eins-zu-Eins-Testungen, die nun zunächst stattfinden, finde ich es hingegen sehr gut, dass man mit dem jeweiligen Kind allein ist und alle Bereiche im Detail genau beobachten kann. Am Anfang sind die Kinder etwas aufgeregt, wenn sie zu uns kommen. Wenn sie dann aber die bunten Bilder bei den Übungen auf dem Bildschirm sehen, tauen sie schnell auf und man kann mit ihnen entspannt arbeiten. Sie merken schnell, dass die Tests sogar Spaß machen. eduLOG bietet ansprechende, fantasiereich gestaltete und motivierende Übungen in den unterschiedlichen Bereichen zur Diagnostik an. So machen die Kinder bis auf wenige Ausnahmen sehr gerne mit.
Dazu kommt: Unsere Gesellschaft hat sich verändert. Wir haben heutzutage viele Kinder, die in die Schule kommen und wenig oder gar kein Deutsch sprechen. eduLOG bietet
Module in der Muttersprache der Kinder an. Dann sind die Übungen auch überwiegend selbsterklärend. Es gibt zum Beispiel eine kleine Maus, die den Kindern Sätze vorspricht und sie dann zum Nachsprechen animiert. Wenn wir bei der Testung auf Deutsch Probleme bei der Durchführung der Übungen feststellen, können einige Module in der Muttersprache des Kindes einfach noch einmal angeboten werden. Das ist für uns wichtig, weil wir so erkennen können, ob einfach nur Spracherfahrung fehlt – oder etwas anderes, eine Entwicklungsstörung beispielsweise, dahintersteckt. Ich bin von dem Diagnosetool begeistert, weil es nahezu alle Bereiche abdeckt.
Zu welchem Zeitpunkt führen Sie die Tests mit den Kindern durch?
Kemper: Wir testen die Kinder meist im Februar oder März, also einige Monate, bevor sie in die Schule kommen. Das ist sinnvoll, damit die Eltern bei festgestellten Defiziten oder einem Therapiebedarf noch aktiv werden können. Wir geben ihnen auch Übungen an die Hand und beraten sie, damit die Zeit bis zur Einschulung optimal genutzt werden kann.
In den ersten sechs Wochen nach der Einschulung beobachten wir die Kinder genau und dann wird der ein oder andere eventuell noch einmal gezielt getestet. So können wir feststellen, was sich in der Zwischenzeit getan hat. Danach teilen wir die Fördergruppen ein. Wir achten auch stets darauf, dass die Verteilung der Kinder auf die Klassen gleichmäßig ist, damit sie voneinander profitieren können und nicht alle Kinder zum Beispiel mit sprachlichen Defiziten in einer Klasse sind.
Wie laufen die Tests an der Grundschule Kuhlerkamp konkret ab?
Kemper: An unserer Schule testen wir meist drei bis vier Wochen lang und führen pro Tag etwa vier bis sechs Testungen durch, an denen auch unsere Sonderpädagogin und die Sozialpädagogische Fachkraft beteiligt sind. Jeder einzelne Test dauert bis zu einer Stunde. Merkt man, dass zum Beispiel die Konzentration des Kindes nachlässt, kann man einige Übungen erst einmal auslassen und sie später nachholen. Jede der beteiligten Lehrkräfte an unserer Schule testet jeweils ein Kind in einem separaten Raum, damit wir das Verfahren in aller Ruhe in einer Eins-zu-Eins-Situation durchführen können und es möglichst wenig Ablenkungen gibt.
Direkt nach dem Test geben wir den Eltern eine mündliche Rückmeldung und später erhalten sie dann den schriftlichen Bericht, den das Programm mitliefert. Auf Wunsch händigen wir auch die detaillierten Diagramme, in denen mit den Farben grün, gelb und rot sehr anschaulich dargestellt wird, wo die Kinder stehen und wo es eventuell noch Nachholbedarfe gibt, aus. Für die Eltern der Erstklässlerinnen und Erstklässler bieten wir zudem immer einen Elternabend an, bei dem wir das Diagnoseverfahren noch einmal kurz vorstellen. Dann können die Eltern zum ausgehändigten Bericht aufgekommene Fragen stellen. Wir beraten sie auch, wie sie ihr Kind bis zur Einschulung den Bedürfnissen entsprechend fördern können. Darüber hinaus tauschen wir uns mit den beteiligten Kindergärten aus.
Auf welche Resonanz ist das Programm bei den Lehrkräften aus Ihrem Team und den Kindern bisher gestoßen?
Kemper: Die Kinder haben das Tool sofort angenommen und fanden es großartig. Mit dem Computer zu arbeiten, ist für die meisten Kinder sehr spannend und motivierend.
Die Lehrkräfte mussten anfangs das Programm kennenlernen und ausprobieren, aber nach zwei oder drei Testungen ist man eingearbeitet, und bisher sind alle beteiligten Lehrkräfte davon begeistert. An unserer Schule arbeiten wir zu viert daran. An manchen Schulen ist der Kreis der beteiligten Lehrkräfte größer. Positiv wirkt sich auch aus, dass die Tests nun vergleichbar sind, wenn alle Schulen dasselbe Programm nutzen. Dadurch können wir auch die Entwicklung der Kinder insgesamt über einen längeren Zeitraum beobachten, vergleichen und Veränderungen feststellen.
Würden Sie das Programm anderen Schulleitungen weiterempfehlen?
Kemper: Auf jeden Fall. Ich bin anfangs auch von Schulleitungen in Hagen um Rat gefragt worden, weil ich ja von Beginn an dem Projekt beteiligt war. Wir haben dann an den Schulen Probetestungen durchgeführt und uns das Programm gemeinsam angesehen. Nun sind wir mittlerweile in Hagen viele Schulen, die das Diagnoseverfahren anwenden.
Ist das Verfahren aus Ihrer Sicht auch gut geeignet für Schulen in sozial schwieriger Lage?
Kemper: Das denke ich in jedem Fall, weil man durch die selbsterklärenden Aufgaben und die Möglichkeit, Aufgaben in der Muttersprache durchzuführen, ein umfassendes Bild von den Kindern bekommt, an das die Lehrkräfte sonst nur schwer herankämen. Ein solcher Fall wäre zum Beispiel, wenn ein Kind nicht ausreichend Deutsch spricht und die Anweisungen zu den Aufgaben nicht versteht. Die Verständigung ist dann schwierig und das Kind mitunter schnell entmutigt. Mit eduLOG hat es trotz Sprachproblemen die Chance, Aufgaben zu bearbeiten und zu lösen. Und wir haben die Chance, uns ein Bild von dem Kind zu machen und mit ihm zu interagieren.
Für uns Lehrkräfte ist das Diagnosetool wirklich ein Segen, da die Testungen mit den anschließenden Auswertungen viel schneller gehen als früher und die Software neben den Ergebnissen gleich eine Förderempfehlung mitliefert – eine enorme Arbeitserleichterung. Das Programm an sich ist zwar einheitlich, aber jede Schule kann die Umsetzung für sich passend gestalten.
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Dies ist eine Pressemitteilung von LOGmedia.
Bildungschancen verbessern: NRW erprobt das Screening-Verfahren eduLOG an 130 Grundschulen
Was geschieht mit den Kindern, wenn sich bei der Testung Auffälligkeiten zeigen? Ich glaube, das ist der wichtigste Punkt.
Als ich selbst getestet habe, übrigens niemals in Gruppen, immer einzeln, gab es noch die Vorschule, in der die Kinder dann sehr gut gefördert wurden, bis sie in die erste Klasse kamen. “Wir geben den Eltern Übungen für Zuhause” kann doch nur ein Baustein sein und nicht die ganze Förderung!
Nun haben Sie es doch getan: den fetten Elefanten im Raum zu benennen. Sie sollten sich schämen…. 😉