Startchancen-Programm: Schulen sollen Schüler emotional und psychisch stabilisieren

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DÜSSELDORF. Schülerinnen und Schüler sind nicht erst seit Corona einer Vielzahl von psychischen Belastungen ausgesetzt. Ein spezielles Programm, das jetzt in Nordrhein-Westfalen anläuft, soll sie emotional und psychisch stabilisieren.

Die Corona-Jahre und die folgenden Krisen haben vielen Schülerinnen und Schülern zugesetzt (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

Corona, Kriege, Gewalt, Fake News: Krisen und Probleme hinterlassen Spuren bei jungen Menschen und belasten sie psychisch. Das neue Programm «MindOut» soll Schülern in Nordrhein-Westfalen soziale und emotionale Kompetenzen vermitteln, damit sie mit Krisen und persönlichen Herausforderungen besser umzugehen lernen.

«MindOut kann unsere Schülerinnen und Schüler dabei unterstützen, Herausforderungen mit einem stabilen Selbstwertgefühl zu bewältigen», sagte Schulministerin Dorothee Feller (CDU) in Düsseldorf. Zu den Basiskompetenzen gehörten nicht nur Lesen, Schreiben, Rechnen, Zuhören, sondern auch sozial-emotionale Kompetenzen.

Starten soll das in Irland bereits erfolgreich erprobte Programm erstmals in Deutschland im Frühjahr an rund 80 Schulen in NRW. Dafür werden Schulen im Ruhrgebiet und den Regionen Köln und Düsseldorf ausgewählt. Später sollen nach Angaben Fellers landesweit 120 weitere Schulen folgen, die auch am auch Startchancen-Programm für Schulen in schwierigen Lagen teilnehmen.

Förderung des persönlichen Glücks

Das Programm richtet sich an Schüler ab der neunten Klasse. Die Technische Universität (TU) Dortmund begleitet die «MindOut»-Schulen und schult die Lehrkräfte. Ziel des Programms sei, das Wohlbefinden und «persönliche Glück» von Jugendlichen zu fördern, sagte die Psychologie-Professorin Ricarda Steinmayr von der TU Dortmund. «Viele Studien zeigen, dass ein höheres Wohlbefinden mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit einhergeht, in Zukunft an psychischen Störungen zu erkranken.»

In 13 Wochenstunden lernen die Schüler unter anderem Strategien zur Stressbewältigung. Computerspiele könnten das Problem Stress übrigens nicht lösen, verriet Steinmayr. Die Schüler werden auch angeleitet, empathischer zu werden und die Perspektive von anderen Personen einzunehmen. In einer weiteren Sitzung geht es darum, Konfliktsituationen zu meistern, ohne in Unzufriedenheit, Wut oder Stress zu verfallen.

In einer weiteren Stunde werden die Jugendlichen angeleitet, soziale Beziehungen zu knüpfen und neue Leute kennenzulernen – für Feller ist das auch ein Schritt, der Einsamkeit auch von jungen Menschen entgegenzuwirken.

Nach Ansicht Fellers nutzt das Programm dem gesamten Schulklima, weil der Umgang miteinander respektvoller werde und man mit den Konflikten anders umgehe. Studien belegten außerdem: «Wenn die sozial-emotionale Kompetenz gut ausgeprägt ist bei unseren Schülerinnen und Schülern, geht alles andere auch leichter von der Hand.»

«Boah, das war super»

In einer Pilotphase erprobte bereits eine neunte Klasse des Elsa-Brandström-Gymnasiums in Oberhausen das Programm. Schulleiterin Alice Bienk sprach von «ganz exzellenten Erfahrungen» mit dem Kurs. «Wenn Neuntklässlerinnen und Neuntklässler am Ende sagen “Boah, das war super”, dann hat man echt gewonnen.» Deswegen werde das Programm künftig fest in den Stundenplan des Jahrgangs 10 integriert. Auch die Lehrkräfte seien «total begeistert», denn sie könnten auch für sich selbst einen Nutzen daraus ziehen, sagte Bienk.

Dass «MindOut» nur für Jugendliche höherer Jahrgangsstufen ab einem Alter von etwa 15 Jahren entwickelt wurde, liegt nach Worten von Professorin Steinmayr daran, dass es für jüngere Schüler bereits erprobte Programme gebe, für ältere bisher jedoch nicht.

Dabei sei hier der Bedarf hoch. Denn Studien zufolge nehme ungefähr in Alter von 15 Jahren die Lebenszufriedenheit, also das subjektive Wohlbefinden, stark ab. «Weil je älter man wird, desto mehr Herausforderungen muss man bewältigen und desto besser kann man Strategien gebrauchen, mit denen man diese Herausforderungen dann auch bewältigen kann», sagte Steinmayr.

Eingeladen zur Teilnahme an «MindOut» sind auch Berufsschulen. Bisher hätten sich auf die Einladungen vor allem Berufskollegs, Gymnasien und vereinzelt Realschulen gemeldet.

250.000 Euro von Westlotto

Das Landesunternehmen Westlotto unterstützt die Einführung von «MindOut» mit 250.000 Euro. «Wir wollen verhindern, dass Kinder und Jugendliche im Alter von Kindern und Jugendlichen schon problematisches Glücksspielverhalten entwickeln und später das dann im legalen Spiel fortsetzen können», sagte Geschäftsführer Andreas Kötter. Westlotto wolle eine gute Präventionsarbeit ermöglichen. Von Dorothea Hülsmeier, dpa

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TaMu
24 Tage zuvor

Das Programm finde ich gut. Wie immer empfinde ich diese edgy englischen Bezeichnungen wie MindOut zum besseren Verständnis der Zielgruppe einfach nur cringe, sorry, peinlich.
Fallen den Bildungsministerien keine geeigneten deutschen Namen ein, die nicht gleich genauso peinlich sind (Beispiel: das Gute Kita Gesetz, ebenfalls völlig daneben) Irgendwo zwischen deutscher und englischer Peinlichkeit müsste es doch passende deutsche Ausdrücke geben? Falls nicht, bin ich für Ausdrücke auf Aramäisch, das hört sich bestimmt gut an und niemand versteht, was es bedeutet.
MindOut versteht schließlich auch niemand und das ist richtig weird.

Christoph Bräutigam
23 Tage zuvor
Antwortet  TaMu

Mind out heißt ganz banal: Paß auf!

DrDr
23 Tage zuvor

Boah, ist DAS super??
Nicht falsch verstehen, es geht mir nicht um das Programm. Das ist sicherlich gut und wertvoll. Und ja, es ist gut, dass dieser Teil von Schüler/innenentwicklung endlich einmal in den Fokus gelangt.
Mir missfällt der immer gleich problematische Ansatz, punktuell anzusetzen mit einem Sonderprogramm, das teuer eingekauft wird.
Warum erst ab der 9. Klasse? Das beginnt spätestens in der Grundschule, dass Kinder entmutigt werden. Sollen sie erst einmal 8 Jahre lang in den Minusbereich rutschen oder befördert werden, um dann gerettet zu werden?
Warum nur Auserwählte? Hat nicht jedes Kind ein Recht auf ein GrowthMindset?
Warum Programm? Muss das nicht Handwerkszeug aller Lehrpersonen sein? Warum professionalisiert man nicht alle Lehrkräfte, die das Programm dann für alle Schüler/innen nutzen?
Immer diese Reparaturflickenteppiche.
Dieses Bildungssystem ist so krank. Warum gibt es keine Programme zur Reparatur von Politikern, die es vielleicht sogar gut meinen, aber das Gegenteil erreichen.

Besseranonym_2
23 Tage zuvor
Antwortet  DrDr

“Warum gibt es keine Programme zur Reparatur von Politikern”, insbes. Bildungspolitikern, gerne, da geh ich mit.
Allerdings schreiben Sie auch:
” Muss das [Psychoedukation] nicht Handwerkszeug aller Lehrpersonen sein” ? Z.T., doch die Ausbildung zum Psychotherapeuten dauert mindestens 6 Jahre, ohne Nebenfächer.
Selbst mit Kindern/Jugendlichen Erfahrene übernehmen die von Ihnen geforderte immens qualifikationsbedürftige Arbeit, wenn sie verantwortungsvoll handeln bestimmt nicht, – es könnte auch leicht schlimmer werden.
Wir können aber gerne Eltern und Bezugspersonen sensibilisieren, mehr hinzuschauen ( wenn sie denn überhaupt erscheinen ).
Schule kann nicht die Reperaturwerkstatt der Gesellschaft werden/sein.

AvL
20 Tage zuvor
Antwortet  Besseranonym_2

Ich bin geradezu sensibilisiert in der Wahrnehmung
und Ächtung für eigen initiative Lernformen,
und das betrifft gerade den Anfangsunterricht.
Derartige Lehrbegleitpersonen liegen geradezu
im Wettstreit mit Mikado-Stöckchen bei einer
fehlenden Beweglichkeit im Hinblick auf eine
aktive Vermittlung der Lerninhalte durch das Lehrpersonal.

Die Armen-Methode findet nach wie vor ihre
begeisterten Anhänger im selbstständigen
Lernen ohne eine strukturierte Vermittlung
deutscher Rechtschreiberegeln in ihrer
praxisorientierten Anwendung.
Heraus kommen fehlende Automatisierung
im Lesen und Schreiben mit geradezu wundersamen
Schreibweisen.

Und trotzdem wünsche ich uns allen eine gesegnete Weihnacht.

DrDr
16 Tage zuvor
Antwortet  Besseranonym_2

Ein anonymer, angefasster Psychologe? Schade auch.
Glauben Sie nicht, dass es ungebildete Laien, wie Lehrer, schaffen könnten, jedem Kind von Beginn an den Glauben an sich selbst zu vermitteln, indem er dad Kind wahrnimmt und vom Noch nicht zum Kann verhilft ? Ich empfehle da Carol Dweck.
Wenn Schule das nicht schaffen kann, weil Lehrer keine Psychoedukation studiert haben, soll es ein punktuelles, verspätetes Programm schaffen? Träumen Sie weiter von der Reinheit der Kasten. Zusammenhalt würde Kindern aber mehr bringen.

AlterHase
23 Tage zuvor
Antwortet  DrDr

“Warum gibt es keine Programme zur Reparatur von Politikern, die es vielleicht sogar gut meinen, aber das Gegenteil erreichen.”

Schulpolitik in den Ländern orientiert sich eben weniger an den Kindern als an den Parteitagsbeschlüssen bei den jeweiligen Parteien. Oder an einer politischen Grundrichtung der jeweiligen Parteien. Wenn Kultusminister etwas anderes machen, werden sie von “ihren” Fraktionen im Parlament zurückgepfiffen, so geschehen in Berlin, als Frau Scheeres Teile der Vorschläge der sog. Köller-Kommission umsetzen wollte.

Sepp
23 Tage zuvor

Auch wenn mir die Idee an sich sinnvoll erscheint, stören mich schon beim Lesen des Artikels zumindest drei Dinge:

Erstens sind es mal wieder die Schule, die als Reparaturbetriebe der Gesellschaft dienen sollen. Dass Kinder immer mehr in sozialen Medien hängen, bspw. auf TikTok mit belastenden Videos aus Gaza oder über das Klima überhäuft werden und offenbar dabei zu wenig Unterstützung erfahren, liegt mit am Verhalten der Eltern.
Viele unserer Schülerinnen und Schüler haben es nicht leicht. Aber die wirklichen Probleme haben v.a. die Kinder, bei denen es kaum Unterstützung von zu Hause gibt. Und da können wir als Lehrkräfte leider nur wenig bewirken.

Zweitens frage ich mich bei all solchen Projekten, wie nachhaltig diese sind. Selbst diejenigen, die Präventionsprogramme z.B. zu Cyberkriminalität leiten, berichten teilweise, dass die Kinder erst “aufgerüttelt” wirken, sie aber innerhalb weniger Wochen wieder in alte Verhaltensmuster zurückfallen.

Drittens ist es in der 9. Klasse eigentlich schon zu spät für solche Maßnahmen. Wirklich schwierig wird es für Schüler (und Lehrkräfte) doch durch die Pubertät v.a. ab dem 7./8. Jahrgang. In der 9. Klasse sind die Schüler schon langsam durch das Schlimmste durch und die ersten Schülerinnen und Schüler gehen schon von der Schule ab und ins Berufsleben.

Eigentlich müsste es viel mehr Projekte geben, bei denen man gerade die Eltern mit einbezieht und die Familien unterstützt.

Biene
11 Tage zuvor
Antwortet  Sepp

Ich unterstütze Sie vollkommen.
Das Problem, wie Sie und andere bereits erkannt haben, sind die Eltern, die sich nicht um ihre Lendenfrucht kümmern wollen, weil Desinteresse, oder können auf Grund der finanziellen Situation der Familie.
Letzteres kann ich noch irgendwie nachvollziehen und ist ein Problem, an dem sich unsere Politiker weniger gerne abarbeiten, weil wohlhabende doch die bessere Klientel sind mit der man sich beschäftigen kann.
Ersteres finde ich persönlich eine Katastrophe, weil diese Erzeuger absolut Peeeppeeeepeeep…. (Setzen Sie bitte ein, was ihnen an “Freundlichkeiten” zu solchen Personen einfällt.)
Selbst wenn es Unterstützung für Eltern gibt, nach einiger Zeit fallen diese, wie die Kids ebenfalls in alte Verhaltensmuster zurück. Ein sehr langfristiges Projekt ist dafür mit regelmäßigen Evaluationen geboten. Es wird, wie nicht anders zu erwarten, nach einiger Zeit trotz des möglichen Erfolges eingestellt werden. Grund: kostet zu viel Geld. Kennen wir ja von anderen äußerst sinnvollen Projekten, z.B. die Schulkrankenschwester.