BERLIN. Kommt jetzt der große Wumms für die Bildung? Der gestern beschlossene Koalitionsvertrag von Union und SPD macht zumindest deutlich, dass die künftige Bundesregierung massiv in die Schulen investieren will. Ein Digitalpakt 2.0 soll kommen, das Startchancen-Programm wird ausgeweitet – und eine Investitionsoffensive für Schulgebäude wird versprochen.

„Kinder und Jugendliche sollen ihr Potenzial unabhängig von ihrer Herkunft ausschöpfen können. Als rohstoffarmes Industrieland brauchen wir ein modernes Bildungssystem, das individuelle Bedarfe der Schülerinnen und Schüler berücksichtigt und die Demokratie stärkt“ so heißt es einleitend im Kapitel „Bildung, Forschung und Innovation“.
Und weiter: „Wir fördern Bildungsgerechtigkeit, Leistungsfähigkeit und Inklusion. Wir werden frühkindliche Bildung sowie Bildungsübergänge stärken und die Zahl der Jugendlichen ohne Abschluss senken. Unser anerkanntes Aus- und Weiterbildungssystem sichert Wohlstand, Wachstum und Zukunftskompetenzen. Wir wollen auf allen Ebenen Maßnahmen besser abstimmen, Parallelstrukturen abbauen und Ressourcen verantwortlich steuern.“
Erste Kernsätze: „Bildung, Forschung und Innovation sind der Schlüssel für die Zukunft unseres Landes. (…) Wir wollen Deutschland fit machen und Bildung, Forschung und Innovation einen größeren Stellenwert in unserem Land geben. Dazu werden wir massiv investieren.“ Heißt: Zumindest ein Teil des bereits vereinbarten 500-Milliarden-Investitionspakets werden in die Bildung fließen.
“Wir wollen die Zahl der Grundschulkinder, die die Mindeststandards im Lesen, Schreiben und Rechnen verfehlen, sowie die Zahl der Jugendlichen ohne Abschluss deutlich reduzieren”
Was heißt das konkret? Wie zu erwarten war (nach der Einigung von Bund und Ländern im Dezember) soll zunächst einmal der Digitalpakt neu aufgelegt werden. „Mit dem neuen Digitalpakt bauen wir die digitale Infrastruktur und verlässliche Administration aus. Wir bringen anwendungsorientierte Lehrkräftebildung, digitalisierungsbezogene Schul- und Unterrichtsentwicklung, selbst-adaptive, KI-gestützte Lernsysteme sowie digitalgestützte Vertretungskonzepte voran. Den Abrechnungszeitraum für angefangene länderübergreifende Maßnahmen verlängern wir um zwei Jahre. Bedürftige Kinder statten wir verlässlich mit Endgeräten aus.“
Des Weiteren enthält der Vertrag das Versprechen für eine Schulbau-Offensive: „Wir legen ein Investitionsprogramm auf, um bei der Sanierung und Substanzerhaltung von Schulen und zur Schaffung neuer Kapazitäten zu unterstützen“, so heißt es kurz und bündig.
Weiterer Punkt: das schon jetzt 20 Milliarden Euro schwere Startchancen-Programm, mit dem bislang 4.000 Schulen in besonders herausfordernden Lagen unterstützt werden sollten. „Wir wollen die Zahl der Grundschulkinder, die die Mindeststandards im Lesen, Schreiben und Rechnen verfehlen, sowie die Zahl der Jugendlichen ohne Abschluss deutlich reduzieren. Hierfür wollen wir unter anderem das Startchancen-Programm bürokratiearm weiterentwickeln, es auf weitere Schulen ausweiten und gewonnene Erfahrungen für das gesamte Schulsystem, auch für die multiprofessionelle Zusammenarbeit nutzen“, so heißt es im Koalitionsvertrag.
Was sich explizit an dieser Stelle nicht mehr findet: ein Startchancen-Programm auch für Kitas, wie im Sondierungspapier von Union und SPD vorgesehen (News4teachers berichtete). Diese Absicht versteckt sich nun im Kapitel „Migration und Integration“ als Maßnahme, die Integration zu fördern. „Wir wollen mehr in Integration investieren, Integrationskurse fortsetzen, die Sprach-Kitas wieder einführen, das Startchancen-Programm fortsetzen und auf Kitas ausweiten. Damit sorgen wir für eine Integration von Anfang an.“
Daneben bekennen sich die angehenden Koalitionsparteien zu weiteren „Investitionen in Krippen und Kitas“. Mit diesen beschäftigt sich wiederum das Kapitel „Familien, Frauen, Jugend, Senioren und Demokratie“. Knapp auf vier Zeilen zusammengefasst heißt es dort: „Kinder brauchen moderne und gut ausgestattete Räume, denn die Basis des Bildungserfolgs wird bereits in Krippen und Kitas gelegt. Wir werden in Neubau, Ausbau, Sanierung und Modernisierung (etwa für Inklusion, Arbeitsschutz, Ausstattung und Digitalisierung) investieren, um frühkindliche Bildung zu ermöglichen.“
„Wir bekennen uns zum Bildungsföderalismus“, so schreiben die Koalitionspartner in spe. „In diesem Rahmen wollen wir die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen mit gemeinsam getragenen, übergreifenden Bildungszielen verbessern und effizienter gestalten. In einer Kommission sollen Bund und Länder unter Einbeziehung der Kommunen insbesondere Vorschläge zur Entbürokratisierung, für die beschleunigte Umsetzung gemeinsamer Projekte und für konstruktive Kooperation vereinbaren.“
Worauf läuft das hinaus? Auf eine datengestützte Entwicklung des Bildungssystems, wie sie Bildungsforscher fordern (News4teachers berichtete). Im Wortlaut: „Unter Achtung der jeweiligen Zuständigkeiten wollen wir gemeinsam mit den Ländern für die nächste Dekade relevante und messbare Bildungsziele vereinbaren und eine datengestützte Schulentwicklung und das Bildungsverlaufsregister schaffen. Die Einführung einer zwischen den Ländern kompatiblen, datenschutzkonformen Schüler-ID unterstützen wir und ermöglichen die Verknüpfung mit der Bürger-ID. Die rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit von Schule, Jugend- und Eingliederungshilfe stärken wir und verzahnen Bundeskompetenzen entlang der Bildungsbiografie organisatorisch und inhaltlich stärker.“
Ohnehin wird viel Wert auf die Expertise der Wissenschaft gelegt: „In der Bildungsforschung legen wir einen Schwerpunkt auf Bildungsübergänge, die Bildungsorganisations- und -implementierungsforschung und treiben den Transfer in die Praxis voran. Aus dem gemeinsamen Bildungsmonitoring sollen stärker Praxisempfehlungen abgeleitet werden.“
Weitere Punkte:
- „Demokratiebildung, Medien- und Nachrichtenkompetenz stärken wir gemeinsam mit den Ländern.“
- „Rassismus, Antisemitismus und Israelfeindlichkeit haben keinen Platz an Schulen und Hochschulen. Schulen sollen von Antisemitismusforschung stärker profitieren und Lehrkräfte sollen befähigt werden, Antisemitismus zu erkennen und dagegen vorzugehen.“
- „Die Auswirkungen von Bildschirmzeit und Social-Media-Nutzung bewerten wir schnellstmöglich wissenschaftlich und erarbeiten ein Maßnahmenpaket zur Stärkung von Gesundheits- und Jugendmedienschutz.“
- „Wir bauen die frühe MINT-Bildung sowie den Wettbewerb ‚Jugend forscht‘ aus, unterstützen die Gründung von Schülerfirmen und ‚Bildung für nachhaltige Entwicklung‘ (BNE).“
- „Mit den Ländern verankern wir Berufswahlkompetenz in den Schulen und stärken frühe Berufswegeplanung mit Jugendberufsagenturen und Berufsschulen. Für junge Menschen ohne berufliche Perspektive prüfen wir eine Pflicht, sich bei der Berufsberatung zu melden, und schaffen die gesetzlichen Grundlagen zur systematischen und datenschutzkonformen Datennutzung durch die Jugendberufsagenturen.“
- „Mit einer Reform wollen wir das Aufstiegs-BAföG attraktiver und unbürokratischer machen.“
Auch das Thema Lehrkräftemangel hat Eingang in das Papier gefunden – am Rande: „Für mehr Verlässlichkeit und Qualität im Schulsystem sowie bei der Personalgewinnung nutzen wir den Zukunftsvertrag Studium und Lehre und legen die ‚Qualitätsoffensive Lehrerbildung‘ neu auf.“ News4teachers
Wer braucht schon ein Bundesbildungsministerium? Der Koalitionsvertrag lässt hoffen
Viele kluge Worte, wenig dahinter. Beispiel: Berufswahlkompetenz. Bei uns an der Schule haben wir zweimal jährlich Berufsmesse inkl. Seminare, mehr als 40 Betriebe und fast dreimal soviele Ausbildungsberufe & Studienberufe. Praktika. Als berufliche Schule haben wir sowohl für Gymnasiasten als auch für Berufsfachschüler praxisnahe Inhalte implementiert.
Und was bringt das alles für die ominöse Berufswahlkompetenz? Nix. Fragt man, was SuS mal werden wollen, kommt: mal schauen/weiß noch nicht.
So what…
Hier ist genauso.
“lässt hoffen”
Hoffen ist keine Basis der Berichterstattung…
“Wir wollen…. so heißt es im Koalitionsvertrag”
Wollen ist weder Können noch tun.
Dazu das KI-Geschwurbel, was nur zeigt, dass die Null Plan davon haben.
“Wir bekennen uns zum Bildungsföderalismus”
Allein mit dieser Aussage kann man das alles in die Tonne kloppen.
Viele Köche dürfen auch weiterhin den Brei verderben…
Man bildet eine Kommission (d.h. zusätzliche Bürokratie), um zu äähm – was war es gleich – ach ja – um zu Entbürokratisieren.
Für wie dumm halten die einen.
Diese Verlautbarungen sind gleich mal eine schöne Übungen zur politischen Bildung:
Schwachsinn erkennen und benennen
Das ganze ‘wir wollen’ geht nicht allein mit ‘mehr digital’, mehr KI, es braucht auch die Menschen dazu. Die wollen aber nicht mehr so recht, was tut man dagegen… Schweigen. Gut, dann wollen und werden ‘wir’ also die ganzen schönen Pläne bekommen, die faule Bande in Kitas und Schulen soll halt endlich mal richtig arbeiten. Der erste Berg neue Arbeit wird die ‘datengestützte Bildungsanalyse’ sein, wir sammeln doch gerne die Daten für viele Bachelorarbeiten. Hinterher dann: jetzt haben die Schulen so viel Geld bekommen und es wollen noch weniger Lehrer werden, wie undankbar.
Ich habe nicht die geringste Hoffnung, dass die Lage irgendwann besser wird, auch nicht die Ergebnisse. Wahrscheinlich wird irgendwann die Kompetenz ‘Prompts erstellen’ so hoch bewertet, dass alle sich auf die Schulter klopfen und beruhigt sein können.
Damn’ right!!
Wer glaubt, fehlendes Geld oder fehlende Digitalisierung seien die Hauptprobleme im Bildungssektor, hat nichts verstanden. Gar nichts.
OK…. Wir nehmen bitte klar zur Kenntnis, dass Herr Merz gesagt hat, dass alle Vorhaben unter dem sog. „Finanzierungsvorbehalt“ formuliert sind.
Na, was wird denn unter den erwartbaren Begehrlichkeiten aus $wichtigen Lobby- und Wirtschaftsgruppen wohl als erstes hinten rüber fallen?
Ein Pessimist ist ein Optimist mit Lebenserfahrungen.
Tablets, Beton und Sozialpädagogen!
Mehr Lehrer und kleinere Klassen braucht keiner.
“Ohnehin wird viel Wert auf die Expertise der Wissenschaft gelegt”
Was sagt die Wissenschaft zur Bedeutung von Kitas?…
Ehrlich, ich wollte den Artikel komplett lesen und nicht nur überfliegen….
Ich habe ihn nach wenigen Worten nur noch überflogen – warum? Weil ich all diese Worthülsen so leid bin.
Ich warte nun ab und schaue, was – wirklich was – wird zum Besseren verändert?
– Deputat runter?
– Doppelbesetzung?
– weniger Bürokratie?
– Alltagshelfer/- innen an jeder (!) Schule?
– Rückhalt gegenüber Eltern, die berechtigte erz. / päd. Maßnahmen nicht akzeptieren?
– …..
bitte die Liste selber fortführen, ich bin müde; müde von all den Anstrengungen und Bemühungen den Kindern (allen!) unter den völlig unzureichenden schulischen Bedingungen (s. zahlreiche Kommentare weiterer Betroffener), gerecht werden zu wollen.
Meine Ansprüche an guten Unterricht habe ich komplett heruntergeschraubt, wenn ich mich krank fühle, bleibe ich zu Hause, Konzeptarbeit ist mir zunehmend vollkommen wurscht – das erledigt die KI – und die QA , die demnächst erscheint, frage ich, warum sie mit ihrer unfassbar großartigen Expertise den Angehörigen des Fußvolkes nicht in der PRAXIS !!!!! zur Seite steht, selbst wieder in die Schule zurückkehrt und eine Klasse führt, mit allem, was dazu gehört; gerne auch in einem Brennpunkt, sodass nicht zwangsabgeordenet werden muss.
QA möchte ich dennoch nicht machen, denn ich bin – immer noch – viiieeel zu gerne mit den Kindern zusammen!
Und – leider- froh, in absehbarer Zeit dieses kranke System verlassen zu können.
Ich unterrichte gern und werde genau das, nur das, sehr vermissen.
Wir müssen an die Arbeitsbedingungen ran:
4 Tage Woche für alle, die sie möchten.
Deputat runter auf 18.
Wenn schon Handwerker 4 Tage arbeiten, können wir das auch!
Genialer Vergleich: wie wir wissen bedient der gemeine Handwerker auf jeden Fall 30 Kunden gleichzeitig.
Und deshalb arbeiten sie (alle?) nur 4 Tage die Woche.
Am besten im HO. Ach, ne das war in Ost-Westfalen, sorry.
FL62 bringt es auf den Punkt. Es ist nicht das fehlende Geld, sondern die kranken Stukturen im System Bildung, welche den Lehrerberuf so unerträglich machen.
Die Überforderung der Lehrer mit desinteressierten Schülern, schwierigen Eltern, überbordenden Lehrplänen, Zeitvergeudung durch sinnlose und am Problem vorbeigehe Bürokratie……
Das wird wieder nicht offen und ehrlich benannt, geschweige denn angegangen….
Ich hab es sooo satt, immer wieder wurde gehofft….so k a n n es doch nicht mehr weitergehen…
Ich bin es leid, diesem System “meine Treue hinzutragen” (Gerhard Gundermann)
Das Bundesbildungsministerium ist de facto verzichtbar. Interessanter ist das neu geschaffene Ministerium für Digutalisierung und Staatsmodernisierung. Schafft es die zukünftige Bundesregierung nicht, die Mittelzuweisung an die Kommunen neu zu regeln, um die Kommunen zu entlasten, nützen die gesamten Investitionsmittel nichts.
Den Kommunen sind in den letzten Jahrzehnten durch Bund und Länder zu viele Aufgaben zugewiesen worden, die zu einem bedrohlichen Anwachsen der konsumtiven Ausgaben geführt haben. Das hat zur Folge, dass die Kommunen keine Mittel für Investitionen in die kommunale, bürgernahe Infrastruktur zur Verfügung haben.
Das kommunale Verkehrsnetz und der kommunale Gebäudebestand sind weitaus größer als die Verkehrsnetze der Länder und des Bundes einschließlich der Bahninfrastruktur. Das gleiche gilt für den Gebäudebestand.
Kurz gesagt, was nützt die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit, wenn im Inneren Brücken und Gebäude ohne Feindeinwirkung drohen einzustürzen. Eine demokratie deren Basisgemeinwesen vor dem Kollaps stehen, sind nicht verteidigungswert. Was nützen hehere Ideale, wenn die Schultoiletten marode sind? Wer sich in der Schule das Pinkeln verkneifen muss, hat alles Recht der Welt sich vor dem Wehrdienst zu verpissen!
Ursprünglich hieß es im Text, dass sich das Vorhaben für ein Startchancen-Programm auch für Kitas aus dem Sondierungspapier nicht im Koalitionsvertrag finde. Dies ist nicht korrekt; wir haben den entsprechenden Absatz korrigiert.