Bereits jedes fünfte Kind in Deutschland ist psychisch auffällig

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BERLIN. Die Berliner Gesundheitsverwaltung schlägt Alarm. Die Zahl der psychisch kranken Kinder in der Hauptstadt sei drastisch gestiegen, heißt es laut „Berliner Morgenpost“ in einem Bericht der Behörde. Tatsächlich ist der Trend bundesweit zu beobachten: Schon knapp 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen gelten als psychisch auffällig.

Die Stiftung "Achtung Kinderseele!" macht mit diesem Bild anschaulich, wie verbreitet psychische Auffälligkeiten unter Kindern und Jugendlichen heute sind. Foto: Stiftung Achtung Kinderseele!
Die Stiftung "Achtung Kinderseele!" macht mit diesem Bild anschaulich, wie verbreitet psychische Auffälligkeiten unter Kindern und Jugendlichen heute sind. Foto: Stiftung Achtung Kinderseele!

In Berlin, so berichtet die Zeitung, habe sich vor allem bei den Siebt- und Neuntklässlern der Anteil von Schülern mit grenzwertigen und auffälligen psychischen Werten in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. Dies betreffe sowohl Jungen wie auch Mädchen. Symptome seien, so heiße es bei der Gesundheitsverwaltung, neben emotionalen Problemen und Verhaltensauffälligkeiten vor allem Depressionen, Angst- und Essstörungen. Dr. med. Hans Willner, Sprecher der Chefärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, sieht laut „Berliner Morgenpost“ die multikulturelle Gesellschaft als eine wesentliche Ursache für die Zunahme psychischer Probleme. In Berlin habe inzwischen jedes zweite Kind einen Migrationshintergrund, und viele dieser Kinder hätten sprachliche oder soziale Integrationsprobleme. Die würden sich am deutlichsten in der Schule zeigen. „Die Schulen wenden sich dann Hilfe suchend an die Psychiatrie, vor allem wenn Aggressivität im Spiel ist“, sagte Willner dem Blatt.

Tatsächlich eine Zunahme der Erkrankungen?

Allerdings: Ob es tatsächlich eine Zunahme psychischer Erkrankungen bei Kindern in Deutschland gibt, wird in einer aktuellen Studie des European College of Neuropsychopharmacology bezweifelt. „Im Vergleich zu 2005 ergeben sich keine Hinweise auf eine Zu- oder Abnahme der Häufigkeit psychischer Störungen. Eine Ausnahme bildet, aufgrund der angestiegenen Lebenserwartung, eine Zunahme der Demenzerkrankungen. Ein in verschiedenen EU-Ländern häufig ‚wahrgenommener‘ Anstieg ist nicht auf eine Zunahme der Erkrankungshäufigkeit, sondern auf verändertes Hilfesuch- und Therapieverhalten der betroffenen Patienten bzw. der behandelnden Einrichtungen zurückzuführen“, heißt es.

Unstrittig aber ist: Seelische Erkrankungen zählen zu den häufigsten Krankheiten der Kinder und Jugendlichen in Deutschland. Knapp vier Millionen Kinder und Jugendliche weisen psychische Auffälligkeiten auf. Dies berichtet „Achtung Kinderseele! Stiftung für die psychische Gesundheit von Kindern“.  Experten rechnen damit, dass bis zum Jahre 2020 international die psychischen und psychosomatischen Erkrankungen im Kindesalter um mehr als 50 Prozent zunehmen und zu den fünf häufigsten Ursachen für Morbidität und Mortalität, das heißt die Krankheits- und Sterberaten in dieser Altersgruppe, und die Beeinträchtigung der Lebensqualität zählen werden. „Die Situation ist alarmierend“, heißt es.

Je nach Alter und Entwicklungsstadium der Kinder und Jugendlichen stünden unterschiedliche Störungen und Erkrankungen im Vordergrund. Dabei gebe es folgende grundlegende Problembereiche:

  • Emotionale Probleme, dazu zählen Ängste, depressive Symptome, Essstörungen und Somatisierungsstörungen (das heißt der Ausdruck von emotionalen Problemen in körperliche Symptome wie Bauch- oder Kopfschmerzen).
  • Verhaltensauffälligkeiten im Sinne von abweichendem und insbesondere auch aggressivem Sozialverhalten gegenüber anderen in Form von Opposition, Prügeln, Wutausbrüchen, Ungehorsam, Lügen und Stehlen oder eine Hyperaktive Störung, die gekennzeichnet ist durch situationsübergreifende ausgeprägte motorische Unruhe, Ablenkbarkeit, Impulsivität und unüberlegte Handlungen.
  • Soziale Probleme, wie zum Beispiel  Probleme mit Gleichaltrigen, Kontaktschwierigkeiten, d.h. von anderen isoliert sein, keinen guten Freund haben, nicht beliebt sein, gehänselt werden oder besser mit Erwachsenen als mit Gleichaltrigen auskommen.
  • Seltene psychische Erkrankungen wie frühkindlicher Autismus, affektive und schizophrene Psychosen, die zu einer deutlichen Einschränkung der Lebensbewältigung führen können oder Verhaltensauffälligkeiten nach hirnorganischen Erkrankungen, wie Schädel-Hirn-Trauma oder bei geistiger Behinderung.
  • Psychische und Verhaltensprobleme durch psychotrope Substanzen, wie Alkohol, Cannabis und den Konsum anderer Substanzen stellen ebenfalls im Jugendalter ein häufiges Problem dar.

Zu den am meisten vorkommenden seelischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen zählen Störungen des Essverhaltens, Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Angststörungen und depressive Störungen. „Der Symptomkatalog umfasst insgesamt eine Vielzahl von unterschiedlichen seelischen Störungen und Erkrankungen die, wenn sie rechtzeitig erkannt werden, gut behandelt werden können. Sie sollten möglichst frühzeitig wahrgenommen werden, um darauf angemessen zu reagieren und nicht erst dann, wenn es schon fast zu spät ist“, so informiert die Stiftung.

Die Schirmherrin der Stiftung, Bundessozialministerin Ursula von der Leyen (CDU), sagt: „Viele Menschen glauben: Kinder können körperlich krank werden, aber psychische Erkrankungen haben nur Erwachsene. Das ist leider ein Irrglaube. Damit junge Menschen an unserer Gesellschaft teilhaben können, brauchen sie gute Bildung und die Möglichkeit, dort mitzumachen, wo die Gleichaltrigen sind. Grundvoraussetzung dafür ist eine gute Gesundheit, physisch wie psychisch.“

Tatsächlich beginnen psychische Störungen bereits früh im Leben. Etwa die Hälfte aller Erwachsenen mit einer psychischen Störung datiert den Beginn der ersten Symptome vor das 14. Lebensjahr. „Sie ziehen ein hohes Maß an individuellem Leid und hohe Folgekosten nach sich und sind häufigster Grund für Arbeitsunfähigkeit vor dem 45. Lebensjahr. Psychische Störungen bedingen, dass Kinder oft nicht den Schulabschluss erreichen, den sie gemäß ihrer kognitiven Fähigkeiten erreichen könnten. Weiterhin haben diese Kinder Schwierigkeiten, sich sozial zu integrieren – ein denkbar schlechter Start ins Leben“, meint „Achtung Kinderseele!“. NINA BRAUN
(24.3.2012)

 

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kryssm
11 Jahre zuvor

Was mit Feminismus und Schlüsselkindern begann und sich inzwischen in Kinderfeindlichkeit, Kinderlosigkeit und zunehmender Vereinsamung großer Bevölkerungsteile ausdrückt wird langfristig den Fortbestand des Staates an und für sich in Frage stellen. Wenn die Keimzelle der Gesellschaft zerstört ist, dann wird der Staat selbst ausgehöhl und zerfressen! Das Geld (alleine) das Problem nicht löst und die auf den Kopf gestellte Demographie nicht binnen weniger Jahre durch den Einsatz von Akademikerinnen-Wurfprämien umgekehrt werden kann ist angesichts der Tatsache, daß wir uns als Gesellschaft nicht mal ausreichend um DIE Kinder zu sorgen in der Lage sind die da sind, geschweige denn den Versuch erfolgreich in die Tat umzusetzen in der Lage sind, mehr Kinder in eine kinderfeindliche Single-Gesellschaft hineinzuzüchten!
Das werden auch noch mehr Einladungsbriefe von staatlichen Einrichtungen zu Vorsorgeuntersuchungen nicht ändern! Das braucht tiefgreifende Veränderungen in der Gesellschaft und die kann es nur geben, wenn sich der Staat weniger einmischt und aus den Familien zurückzieht!
Es kommt doch nicht von irgendwoher, das Scheidung auf afrikanisch und ohne Anwalt wesentlich problemloser und unter Berücksichtigung des echten Kindeswohles möglich ist, während hier viele Köche sprichwörtlich den Brei verderben! Also Staat: Rückwärtsgang rein und die Bevormundung der Menschen einstellen, am besten SOFORT!
Und wer Ehe und Familie leichtfertig zerstört der gehört nicht in die soziale Hängematte, sondern auf den harten Boden der Tatsachen!