Flüchtlinge in Turnhallen – Kultusministerium rechnet mit Konflikten um Sportunterricht

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STUTTGART. Wenn Flüchtlinge in Turnhallen campieren, ist Sportunterricht nicht möglich – das baden-württembergische Kultusministerium warnt kurz vor Ferienende vor möglichen Konflikten. Schüler und auch angehende Lehrer sollen in ihrer Ausbildung möglichst nicht beeinträchtigt werden.

Bundesweit sind Flüchtlinge in Sporthallen untergebracht - der Sportunterricht muss deshalb häufiger wohl ausfallen. Die Sporthalle auf dem Foto ist übrigens nicht betroffen. Foto: Stadt Kamp Lintfort, flickr(CC BY-NC-SA 2.0)
Bundesweit sind Flüchtlinge in Sporthallen untergebracht – der Sportunterricht muss deshalb häufiger wohl ausfallen. Die Sporthalle auf dem Foto ist übrigens nicht betroffen. Foto: Stadt Kamp Lintfort, flickr(CC BY-NC-SA 2.0)

Zwei Wochen vor Schulbeginn warnt das Kultusministerium die Kommunen vor den möglichen Folgen der Nutzung von Schulturnhallen als vorübergehende Flüchtlingsquartiere. Bei allem Verständnis für die Probleme der Gemeinden und Kreise bei der Flüchtlingsunterbringung seien die Konsequenzen daraus «möglicherweise weitreichender, als es auf den ersten Blick erscheinen mag», heißt es in einem Schreiben von Ministerialdirektor Jörg Schmidt an die Kommunalverbände. Kreise, Städte und Gemeinden sollten alle Möglichkeiten ausloten, um den Sportunterricht zu sichern. Dazu könnten Kommunen mit Vereinen oder Betriebssportstätten kooperieren sowie interkommunale Lösungen finden.

In dem Brief unterstreicht Schmidt die Bedeutung des verbindlich vorgeschriebenen Unterrichtsfaches Sport für die Versetzung der Schüler und als Prüfungsfach im Abitur. Überdies müssten die Sporthallen für die Sportlehrerausbildung zur Verfügung stehen.

Im Schuljahr 2013/14 hatten nach Angaben des Ministeriums 7449 Gymnasiasten Sport als Prüfungsfach im Abitur gewählt. Nicht nur für das Abiturergebnis sondern auch für die Chance, einen Studienplatz mit Numerus Clausus zu erhalten, spiele das Fach eine erhebliche Rolle.

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Werde der vorgegebenen Unterrichtsumfang nicht realisiert, würde das die Schüler benachteiligen. Ähnlich werde es den zeitweise mehr als 1000 angehenden Sportlehrern ergehen, wenn nicht genügend Sporthallen für Ausbildung und Lehrproben bereit stünden.

Schmidt rechnet im Fall von Unterrichtskürzungen im Fach Sport mit «kritischen Rückmeldungen seitens der betroffenen Schulen, Eltern und Schüler». Um dafür gewappnet zu sein, bittet der Amtsleiter die Verbände um Informationen, welche Schulträger ihre Sporthallen für die Flüchtlingsunterbringung nutzen wollen. Nur so sei es möglich, Benachteiligungen für die Schüler und die angehenden Lehrkräfte zu vermeiden.

Die Land- und Stadtkreise betreiben die Turnhallen von Berufsschulen, die Gemeinden die aller anderen Schularten. Turnhallen dienen der Erstaufnahme der Flüchtlinge. In Esslingen zum Beispiel wurde schon vor den Sommerferien die Sporthalle einer Berufsschule für die Unterbringung von Asylbewerbern genutzt. Von Julia Giertz, dpa

Zum Bericht: Flüchtlinge in Turnhallen – Immer mehr Schulen müssen ausweichen

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4 Kommentare
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xxx
8 Jahre zuvor

Ohne es recherchiert zu haben, gehe ich von folgendem Prozedere aus:
1) Situation: Deutschland muss Flüchtlinge aufnehmen.
2) Bund verteilt Flüchtlinge nach Schlüssel X auf die Länder.
3) Länder verteilen die zugeteilten Flüchtlinge nach Schlüssel Y auf Städte, Kreise, Kommunen.
4) Kommunen müssen selber sehen, wo und wie sie die Flüchtlinge unterbringen. Im Zweifel ohne Hilfestellung und Kostenübernahme durch Bund oder Land, was zu „kreative Lösungen“ führte.

Wenn aber aufgrund der kostengünstigen und (aufgrund der Sommerferien) kurzfristig verfügbaren Notunterkünften in Sporthallen der Unterricht der heimischen Bevölkerung beeinträchtigt wird, hört bei mir das Verständnis für die Not der Flüchtlinge auf. Natürlich können sie am Wenigsten dafür und sie können sich sicherlich auch etwas besseres vorstellen als ähnlich wie Hühner aus Bodenhaltung untergebracht zu werden. Der Bund und die Länder machen es sich (und dem z.B. sächsischen Pack) durch kurzfristige „Lösungen“ mal wieder viel zu einfach. Genau das regt mich am Meisten auf.

dickebank
8 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Der Schlüssel heißt „Königsteiner Schlüssel“.

Für die verteilung innerhalb der Bundesländer gibt es keinen Schlüssel. Z.Z. weisen die Länder den Kommunen Flüchtlinge zu, um die Zentralen Unterrichtseinrichtungen zu entlasten.

Erst nach der offiziellen Anerkennung bzw. Duldung werden die Flüchtlinge auf die Kommunen verteilt.

Bis zur Registrierung und medizinischen Eingangsuntersuchung ist es sinnvoll die Flüchtlinge zunächst zentral unterzubringen. Schulen und Sporthallen sind besonders geeignet. Zum einen verfügen sie über ausreichende Santäreinrichtungen und viele Zimmer, die relativ einfach auszuräumen sind. Dies ist auch der Grund warum sie im Katastrophen- und Zivilschutzfall als Notunterkünfte/Betreuungseinrichtungen vorgesehen sind. Das die Stäbe bei en Kommunen nun auf diese bereits angedachten Einrichtungen zurückgreifen, ist doch nicht verwunderlich. Hinzukommt dass Schulen dem Stand der Brandschutzanforderungen genügen und es deshalb keiner langen Genehmigungsverfahren bedarf.

Bei der Güterabwegung geht dann eben menschenwürdige Unterbringung in Massenunterkünften vor Hallennutzung durch Sportunterrichtes und dieser wird ersatzlos gestrichen. Erst unbürokratisches Handeln von Behörden einfordern und dann mit den Gegebenheiten hadern. Am besten ist es, gegen die Verfügung, die Halle als Notunterkunft zu nutzen, vor einem Verwaltungsgericht zu klagen und den Rechtsstreit durch die Instanzen zu führen:(

Pälzer
8 Jahre zuvor

Ab nächste Woche wird auch unsere Turnhalle belegt.

U. B.
8 Jahre zuvor