Die Empörung um den „Schultrojaner“ ebbt nicht ab

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BERLIN (Mit Kommentar). In die Debatte um den Einsatz eines Spähprogramms in Schulcomputern hat sich nun auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) eingeschaltet. Der Streit geht mittlerweile quer durch die Parteien.

Schöne neue Datenwelt: Mehr als 400 Schul-Computer sollen jährlich ausgespäht werden. Illustration: Gerd Altmann / pixelio.de
Schöne neue Datenwelt: Mehr als 400 Schul-Computer sollen jährlich ausgespäht werden. Illustration: Gerd Altmann / pixelio.de

Leutheusser-Schnarrenberger nannte gegenüber „Spiegel-Online“ die Vereinbarung der Kultusministerkonferenz (KMK) und der Schulbuchverlage, demzufolge mithilfe einer neuen Software stichprobenartig die IT-Systeme der Schulen nach illegalen digitalen Schulbuchkopien durchforstet werden sollen, ein Ärgernis. „Es ist inakzeptabel, dass die Schulgemeinschaft unter Generalverdacht gestellt wird und dass der Dienstherr mittelbar, wenn die Software eingesetzt wird, seine Beamten und Angestellten überwacht“, so wird die Ministerin in dem Bericht zitiert. Sie fordert laut „Spiegel Online“ die Überarbeitung des Vertrages: „Die Kultusministerkonferenz sollte das Projekt selbst wieder aufschnüren, damit Vernunft Einzug hält.“ Zuvor habe Leutheusser-Schnarrenberger im bayerischen Fernsehen gesagt, der Plan bringe sie „auf die Palme“. Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) solle im bayerischen Koalitionsausschuss erklären, was sich die KMK bei der Software gedacht habe.

Schleswig-Holsteins Bildungsminister Ekkehard Klug, Parteifreund von Leutheusser-Schnarrenberger, hat die Kritik an der Vereinbarung hingegen bereits zurückgewiesen. „Viel Lärm um nichts”, meinte er. Der Vertrag besage ausdrücklich, dass vor dem Einsatz einer solchen Prüfsoftware „die technische und datenschutzrechtliche Unbedenklichkeit vorausgesetzt” werde.

„Generalverdacht über den ganzen Berufsstand“

Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, zeigte sich trotzdem empört: „Wir Lehrer haben von dieser Absicht nichts gewusst. Damit erleben wir zum wiederholten Mal, dass in Gutsherrenart über unsere Köpfe hinweg entschieden wird“, sagte er. „Hier wird ein Generalverdacht über einen ganzen Berufsstand genährt.“ Anstatt Computer ausspionieren zu lassen, sollten die Kultusminister mit den Verlagen „schleunigst etwas Praktikables aushandeln, was gleichermaßen dem Urheberrecht und den praktischen Erfordernissen einer zeitgemäßen Unterrichtsgestaltung entspricht“, forderte Kraus.

Die GEW stößt in das gleiche Horn. „Wir sind vom dem geplanten Einsatz eines Schultrojaners überrascht. Damit werden die Lehrkräfte gezielt einer Ausforschung im Interesse Dritter ausgesetzt,“ erklärte Vorsitzender Ulrich Thöne. „Bevor überhaupt nur an den Einsatz derartiger Software gedacht wird, müssen die zuständigen Personal- und Betriebsräte sowie die Mitarbeitervertretungen der öffentlichen und privaten Schulen beteiligt und in die Entscheidung einbezogen werden.“ Dass der geplante Einsatz der Software erst jetzt – nach Vertragsabschluss – bekannt werde, lege den Verdacht nahe, dass die erforderliche Mitbestimmung umgangen werden solle. Die Schulträger seien verpflichtet, ihre Beschäftigten vor rechtlichen Risiken zu schützen. Das gelte umso mehr, als es sich oftmals um Fälle handele, in denen es selbst für Urheberrechtsprofis schwer sei, die Rechtslage eindeutig zu bestimmen.

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Software soll geprüft werden

Die Kultusminister der Länder ziehen sich auf die Linie zurück, die Klug von Schleswig-Holstein aus vorgegeben hat: „Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es sich nicht um Schnüffelei handelt, sondern um eine angekündigte und kontrolliert durchgeführte Überprüfung von Schulrechnern. Die von den Verlagen zu erstellende Software zur Identifizierung von digitalen Urheberrechtsverletzungen liegt bisher nicht vor. Klar ist: Eine solche Software wird in Nordrhein-Westfalen nur dann eingesetzt, wenn sie technisch und datenschutzrechtlich unbedenklich ist – so ist es auch vertraglich vereinbart“, heißt es beispielsweise in einer Erklärung des nordrhein-westfälischen Schulministeriums, das von der Grünen Sylvia Löhrmann geführt wird. Die Grünen in Niedersachsen wiederum sehen das gesamte Verfahren – unabhängig von der Software – kritisch und wollen es im Hannoveraner Landtag zur Sprache bringen. „Die Überprüfung von Schulcomputern ohne jegliche Verdachtsmomente ist aus meiner Sicht rechtlich fragwürdig“, sagte die schulpolitische Sprecherin der Landtagsgrünen, Ina Korter.

Auch dem VBE reicht der vorsichtige Rückzug der Kultusminister offenbar nicht aus. Ministerin Löhrmann müsse eindeutig Stellung beziehen, um allen öffentlichen Spekulationen Einhalt zu gebieten, forderte VBE-Vorsitzender Udo Beckmann. Er sagte: „Die geplante Software liegt zwar noch nicht vor, doch es gilt, die Einführung vorerst zu stoppen und das Vorhaben erneut auf den Prüfstand zu stellen.“

Zum Bericht „Empörung um Spähprogramm in Schulcomputern“

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