Schmier-Aktionen: Neonazis nehmen offenbar verstärkt Schulen ins Visier

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BERLIN. Gibt es einen Zusammenhang mit der Debatte um den braunen Terror in Deutschland? Neonazis versuchen derzeit offenbar verstärkt, durch großflächige Schmierereien an Schulen Verunsicherung zu schüren. Der Philologenverband plädiert für eine verstärkte Auseinandersetzung mit dem Thema Rechtsradikalismus im Unterricht.

Schmierereien von Neonazis im sächsischen Limbach-Oberfrohna. Foto: indymedia.org (CC BY-SA 2.0)
Schmierereien von Neonazis im sächsischen Limbach-Oberfrohna. Foto: indymedia.org (CC BY-SA 2.0)

  

Aktuell gibt es vier Fälle von Schmierereien an Schulen in Niedersachsen, Bayern und Sachsen, die für Aufsehen sorgen.

  • „Ausländerfeindliche Parolen schockieren Göttingen“, schreibt das „Göttinger Tageblatt“. Der Anlass: An die Wände einer berufsbildenden Schule sowie eines Gymnasiums haben Unbekannte am vergangenen Wochenende Hakenkreuze und andere Nazi-Symbole gesprüht, auch einen Galgen, an dem ein Strichmännchen hängt – darüber steht: „Kannacke“ (falsch geschrieben), also offenbar eine Drohung gegen Zugewanderte. Auch ein Amoklauf wurde angekündigt. „Dieser Vorfall zeigt einmal mehr, dass rechtsmotivierte Täter nicht nur unseren demokratischen Rechtsstaat bedrohen. Sie richten ihre Angriffe auch konkret gegen Mitbürger“, sagt Göttingens Polizeipräsident Robert Kruse und kündigt an: „Hiergegen werden wir konsequent einschreiten.“
  • Im oberbayerischen Grafing sind die Schüler und Lehrer des örtlichen Gymnasiums spontan auf die Straße gegangen, um gegen Rechtsradikale zu demonstrieren. Dies berichtet der „Münchner Merkur“. Das Gebäude ihrer Schule sowie ein Sportzentrum waren in der Nacht zuvor beschmiert worden. Ihre Schüler seien „total geschockt“ gewesen, sagt Susanne Böhm, Schulleiterin der benachbarten Mittelschule, laut Bericht. Fünftklässler aus eingewanderten Familien hätten sie gefragt, ob sie jetzt Angst haben müssten. Gräfings Bürgermeister Rudolf Heller verurteilt der Zeitung zufolge „diese abscheuliche Vorgehen aufs Schärfste“. Habe es in den vergangenen Jahren vereinzelt kleinere Schmierereien gegeben, so fielen bei diesem Fall die hasserfüllten Parolen gegenüber ausländischen Mitbürgern auf. Er hoffe, so zitiert ihn der „Merkur“, „dass die Polizei gerade jetzt in der in Deutschland geführten Diskussion alles Mögliche und Geeignete veranlasst, um die Täter zu finden.“
  • Mit gelber Farbe haben unbekannte Täter am Wochenende nach einem Bericht der „Schaumburger Nachrichten“ die Fassade des Hannover-Kollegs in der niedersächsischen Landeshauptstadt verschandelt. Sie beschmierten Fenster, Türen und Wände mit insgesamt 31 Hakenkreuzen. Ein mögliches Motiv: Als eine der ersten Schulen in Niedersachsen wurde das Abendgymnasium vor Jahren wegen seiner vorbildlichen Projektarbeit zur „Schule ohne Rassismus“ ernannt. „Am Hannover-Kolleg wird im Rahmen des Programms offenbar so gute Arbeit geleistet, dass die Nazis diese als Bedrohung ansehen“, mutmaßen die Grünen im Rat der Stadt. „Womöglich hat die Tat einen Bezug zur aktuellen bundespolitischen Lage“, meint Schulleiter Joachim Haller dem Zeitungsbericht zufolge.
  • Lehrer und Schüler eines Gymnasiums in sächsischen Limbach-Oberfrohna waren nach einem Bericht der „Freien Presse“ erschüttert, als sie am Donnerstag vergangener Woche eine von ihnen gestaltete „Mauer der Toleranz“ erblickten – überschmiert mit Hakenkreuzen. Die Schriftzüge „Toleranz“ waren schwarz übermalt worden. Besonders die Schüler, die die Wand in mühevoller Arbeit gestaltet hätten, seien traurig, sagte Geschichtslehrerin Sylvia Härtling dem Bericht zufolge. In der kommenden Woche sollten sie für das Projekt bei einem Wettbewerb ausgezeichnet werden.

Für mehr Aufklärung in den Schulen über neonazistisches Gedankengut hat sich der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, in Berlin ausgesprochen. Anlässlich der Debatte um den Rechtsterrorismus plädiert er dafür, neben der Behandlung des Nationalsozialismus im Unterricht auch vermehrt das Problem neonazistischer Aktivitäten wie zum Beispiel die Agitations- und Rekrutierungsformen des aktuellen Rechtsextremismus in den Fokus zu nehmen. Auch der Bund und die Länder seien in der Pflicht: Sie sollten ein systematisches Veranstaltungs- und Fortbildungsprojekt entwickeln, das die Schulen unterstütze. NINA BRAUN

Zum Bericht: „Schulen diskutieren Verbot von rechtsextremer Mode“

Zur Meldung: „Auch Schulen stehen auf der Liste der braunen Terrorzelle“

Zur Meldung: „Unterrichtsmaterial gegen Rechtsextreme“

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