Warum Kinder Schwierigkeiten haben, fair zu teilen

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LEIPZIG. Wenn Kinder nicht fair miteinander teilen, liegt das nicht unbedingt an mangelnder Einsicht. Kinder verstehen bereits sehr früh, dass Fairness und Großzügigkeit vorteilhaft sein können, allerdings fehlt es ihnen an den neuronalen Voraussetzungen, um auch entsprechend handeln zu können. Das haben Forscher des Leipziger Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in einer Studie mit 174 Schulkindern im Alter von sechs bis 13 Jahren herausgefunden. Der präfrontale Kortex, eine Hirnregion, die für die Verhaltenskontrolle wichtig ist, entwickelt sich erst spät vollständig. Demnach sei das faire Teilen noch im Grundschulalter leicht gesagt, doch schwer getan, heißt es in der Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts.

Späte Entwicklung einer Hirnregion erklärt, warum es Kinder schwer fällt, fair zu teilen; Foto: Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften
Späte Entwicklung einer Hirnregion erklärt, warum es Kinder schwer fällt, fair zu teilen; Foto: Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften

Mithilfe von zwei aus der sogenannten Spieltheorie bekannten Experimenten, dem Diktator- und dem Ultimatumspiel, erforschten die Wissenschaftler wie Menschen sich beim Teilen strategisch verhalten. Bei beiden Spielen erhielten die Kinder Pokerchips, die sie später gegen Geschenke eintauschen konnten. Zunächst wurden die Kinder allerdings gebeten, die Chips anonym mit einem anderen Kind zu teilen. Bei diesem Diktatorspiel konnten die Kinder nur die ihnen angebotenen Chips annehmen. Bei dem Ultimatumspiel verfügten sie hingegen über ein Vetorecht: Das zweite Kind konnte sich entscheiden, ob es die Chips annimmt und die Teilung gerecht findet oder aber nicht. Akzeptierte der Empfänger das Angebot nicht, gingen beiden Seiten leer aus.

„Uns interessierte, ob die Kinder fairer teilen würden, wenn ihr Gegenüber das Angebot ablehnen konnte und inwiefern solche strategischen Anpassungen des Verhaltens von Alter und Gehirnentwicklung abhängig sind“, sagte Forscher Nikolaus Steinbeis. Der Studie zufolge gab es zwischen den Altersgruppen große Unterschiede: Die meisten älteren Kinder passten ihr Verhalten an die jeweilige Situation an und machten ihrem Gegenüber beim Ultimatumspiel fairere Angebote. Die jüngeren Probanden hingegen machten zwischen den Spielsituationen kaum einen Unterschied.

Laut Steinbeis hat dies aber nichts mit der Intelligenz oder einem fehlenden Verständnis von Fairness zu tun, sondern vielmehr mit der Entwicklung einer bestimmten Gehirnregion, des sogenannten lateralen präfrontalen Kortex. So zeigten Messungen der Hirnaktivität während des Diktator- und Ultimatumspiels Folgendes: Je älter die Kinder waren, desto stärker wurde dabei der laterale präfrontale Kortex aktiv, der unter anderem für die Kontrolle des eigenen Verhaltens benötigt wird. Darüber hinaus hing die Stärke der Aktivität in diesem Hirnareal mit dem Grad an strategischem Verhalten sowie der Fähigkeit zur Impulskontrolle zusammen.

„Der präfrontale Kortex ist bekannt dafür, sich erst spät in der Entwicklung voll auszubilden und funktionell zu vernetzen“, erklärte Nikolaus Steinbeis. Dass Kinder selbst dann nicht fair teilen, wenn es strategisch klug wäre, sei demnach nicht auf mangelndes Verständnis zurückzuführen, sondern erkläre sich aus der späten Reifung einer Gehirnregion, die für Impulskontrolle wichtig ist. Den Forschern zufolge könnte dieses Wissen helfen, die bisherigen pädagogischen Strategien zur Förderung prosozialen Verhalten von Kindern zu verbessern. (kö)

(8.3.2012)

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