Baden-Württemberg: Nachfrage nach Bundesfreiwilligendienst verdoppelt

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STUTTGART. Der doppelte Abiturjahrgang hat die Bewerbungen für den Bundesfreiwilligendienst fast ein Jahr nach seinem Start in die Höhe schnellen lassen. «Wir haben unglaublich viele Bewerbungen, ihre Zahl ist im Juni binnen eines Jahres von 629 auf 1129 gestiegen», sagte Wolfgang Hinz-Rommel von der Diakonie Württemberg  in Stuttgart.

Vermutlich seien unter den Bewerbern sowohl für den Bundesfreiwilligendienst als auch für das Freiwillige Soziale Jahr etliche Absolventen des achtjährigen Gymnasiums, die nach dem Abschluss etwas ganz anderes machen wollen. Die Diakonie Württemberg ist mit derzeit 416 Bundesfreiwilligen der landesweit größte Träger.

Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) begrüßte das seit Jahren steigende Interesse am freiwilligen Engagement der Menschen, verwies aber auf eine Abbrecherquote von zehn Prozent der Bundesfreiwilligen. «Freiwillige wollen eben nicht als Dienstverpflichtete behandelt werden, wie früher die Zivildienstleistenden.»

Die Ministerin plädierte für eine Kultur der Anerkennung – «Schulterklopfen allein reicht da nicht.» Als weiteres Problem nannte sie Überschneidungen zwischen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und Bundesfreiwilligendienst. «Es kann doch nicht sein, dass die Bundesregierung ihre arbeitsmarktpolitischen Instrumente drastisch kürzt und die Arbeitslosen dann mit dem Bundesfreiwilligendienst abgespeist werden.» Es müsse eine klare Abgrenzung geben.

Am 1. Juli 2011 begannen laut dem Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben 125 «Bufdis» ihren Dienst in Baden-Württemberg. Im September 2011 war ihre Zahl schon auf 2000 geklettert; von November vergangenen Jahres an waren es stets mehr als 3.000. Im Juni dieses Jahres zählte das Bundesamt 3.397 Menschen. Mit dieser Zahl liegt der Südwesten bundesweit an dritter Stelle nach Nordrhein-Westfalen (6.577) und Sachsen (4.575).

Dass die Zahl der Männer mit 1.908 die der Frauen übersteigt, führt Josef Opladen vom Bundesamt auf die Nachwirkungen des Wegfalls des Zivildienstes zurück, für den der Bundesfreiwilligendienst zumindest einen Teilausgleich schaffen sollte. Der Bund stellt deutschlandweit 2012 knapp 170 Millionen Euro für 35.000 Freiwillige bereit.

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Nach Auskunft der Diakonie ist die Lücke von 1.500 Zivistellen bei ihr nicht geschlossen. Bei den Zivis beliebte Tätigkeiten wie Hausmeister-, Pförtner- und Fahrdienste stünden bei den Freiwilligen nicht hoch im Kurs. «Das wird jetzt zum Teil über Minijobs erledigt». Andere Dienstleistungen insbesondere in der Altenhilfe – etwa Vorleseangebote für Senioren – seien einfach weggefallen oder existierten nur noch dank ehrenamtlichen Engagements.

Opladen sagte: «Ältere Leute sind oft nicht ausgelastet oder fühlen sich einsam und könnten so ein Stück weit wieder ins Leben eintreten.» Im Südwesten nehmen mehr als 200 aus der Gruppe der 51- bis 65-Jährigen am Freiwilligendienst teil sowie 38 noch ältere. Auch Arbeitslose können wieder einen Einstieg ins Arbeitsleben versuchen und zu Hartz-IV monatlich 170 Euro hinzuverdienen.

Auch die katholische Kirche im Land verzeichnet siebenmal so viele Freiwillige wie vor zehn Jahren. Sie fordert mehr Mittel für die «Bufdis», so dass keine Bewerber mehr weggeschickt werden müssen. Hinz-Rommels pflichtet bei: «Für das, was da geleistet wird, Integration, berufliche Orientierung und Motivation für soziale Berufe, ist das gut investiertes Geld und für die gesamte Gesellschaft total wichtig.» JULIA GIERTZ, dpa

(26.6.2012)

Zum Bericht: Bundesfreiwilligendienst findet hohen Zuspruch

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