Krisentreffen unter Freundinnen: Erlöst Schavan die Kanzlerin?

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BERLIN. Man kann sich das Gespräch so vorstellen: Nur die beiden Frauen, die Freundinnen, unter vier Augen. Wenn es abends ist, machen sie vielleicht eine Flasche Wein auf. Die Kanzlerin sagt der Bildungsministerin, die Entscheidung über ihre Zukunft liege bei ihr. Und Annette Schavan sagt zu Angela Merkel, dass sie zurücktritt. Die Regierungschefin erwartete das. Sie bedauert es, aufrichtig. Dann ruft sie einen Kandidaten für die Nachfolge an.

Da war alles noch im Lot: Kanzlerin Merkel mit ihrer Wissenschaftsministerin Schavan auf der Computermesse CEBIT. (Foto: Andreas Schepers/Flickr CC BY-NC-SA 2.0)
Da war alles noch im Lot: Kanzlerin Merkel mit ihrer Wissenschaftsministerin Schavan auf der Computermesse CEBIT. (Foto: Andreas Schepers/Flickr CC BY-NC-SA 2.0)

Es muss nicht so kommen, aber dieses Szenario wird in CDU-Kreisen für gut möglich gehalten. Die beiden Politikerinnen haben sich zum Ende dieser für sie sehr anstrengenden Woche zu einem Krisentreffen verabredet – wann und wo, ist nicht bekannt, sie wollen Ruhe haben. Es geht um den Entzug von Schavans Doktortitel. Die Universität Düsseldorf sagt, Schavan habe bei ihrer Promotionsarbeit vor 33 Jahren vorsätzlich getäuscht.

Für Schavan geht es beruflich um alles, für Merkel um vieles. Die Kanzlerin hat in den nächtlichen Verhandlungen in Brüssel beim Gipfel zum EU-Haushalt kein Auge zugetan, aber sie hat sich wieder einmal durchgesetzt. Das Budget soll unter der Billionen-Grenze bleiben. Das Vertrauen der Deutschen in die Regierungschefin ist laut Umfragen hoch. Die Querelen im Inland mit dem Koalitionspartner FDP oder die bisherigen Rücktritte von Ministern und zweier Bundespräsidenten haben sie nicht beschädigt.

Knappe Mehrheit für einen Rücktritt Schavans

Aber in siebeneinhalb Monaten ist Bundestagswahl und die Opposition erinnert Merkel gern an den Fall Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), der vor zwei Jahren seinen Doktortitel verlor und unter dem massiven Druck der Öffentlichkeit als Verteidigungsminister zurücktrat. Laut einer aktuellen Umfrage für „stern.de“ ist die knappe Mehrheit der Deutschen für einen Rücktritt Schavans. Danach wollen 49 Prozent der Bürger, dass die Ministerin ihren Rücktritt einreicht. 43 Prozent wünschen, dass sie im Amt bleibt. Ambivalent denken auch die Anhänger der Union: Hier befürworten 42 Prozent einen Rücktritt, 52 Prozent sind dagegen.

Eine Bundesbildungsministerin, der wegen vorsätzlichen Täuschens die Doktorwürde entzogen wurde, dürfte kaum als Vorbild anerkannt werden und könnte damit auch die Glaubwürdigkeit der Regierungschefin untergraben.

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Schavan empfindet die Entscheidung der Universität als zutiefst ungerecht und will ihre Ehre mit einer Klage wieder herstellen. Sie wird das auskämpfen, wie sie auch ihre straffe Dienstreise in Südafrika trotz des Tiefschlags aus Düsseldorf von früh bis spät durchzog. Man darf annehmen, dass ihre Gedanken sie nachts um den Schlaf gebracht haben.

Doch selbst, wenn sie zu den ganz wenigen zählen würde, die ein solches Verfahren gewinnen: Es dauert. Dazu gibt es zwei Meinungen in der CDU. Erstens: Schavan tritt nicht zurück und rettet sich mit dem Verfahren bis zur Wahl. Im Falle eines CDU-Sieges könnte sie Ministerin bleiben, wenn ihr der Doktortitel wieder zuerkannt würde. Ansonsten würde Merkel sie einfach nicht mehr berufen.

Zweitens: Gerade, weil ein Verfahren lange dauert, muss Schavan jetzt handeln. Es gilt als unwahrscheinlich, dass Merkel ihre treue Wegbegleiterin aus dem Kabinett wirft. Vielmehr wird vermutet, dass Schavan, die seit 15 Jahren Merkels Politik loyal unterstützt, Schaden von der Kanzlerin abwenden will und von sich aus geht. Beide dürften nach dem Programm der letzten Tage müde sein und könnten ein freies Wochenende gebrauchen. An diesem Wochenende steht ihnen aber noch ein Kraftakt bevor. So oder so. KRISTINA DUNZ, dpa

(8.2.2013)

Zum Kommentar: „Fall Schavan: Sie hat recht – und sollte doch zurücktreten“

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