Herrn Schmieds Kolumne: Runter mit der Maske!

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ERLANGEN. Unser Kolumnist Nicolas Schmidt, alias Herr Schmied, ist Lehrer im fränkischen Erlangen. Die vierte Folge von „Dem Herrn Schmied sein Schultag“ lesen Sie ab sofort hier. Heute: „Runter mit der Maske!“.

Herr Schmied, als was gehen Sie an Fasching?

Ach Daniel, ich hasse Fasching!

Echt? Warum jetzt?

Na, die Leute ziehen sich so affig an und machen so ne Scheißpolonaise und sind so hammergut gelaunt. Fürch-ter-lich!

Herr Schmied, was ist ne Pullernese?

Da fassen sich diese ekligen Grinsegesichter von hinten an die Schulter und laufen dann so nazischunkelmäßig durch den Faschingssaal und die ganzen Luftschlangen, nee, sorry – Hölle!

Was haben Sie denn dagegen, wenn man fröhlich ist?

Ich hab überhaupt nichts dagegen, ganz im Gegenteil. Ich wünsch mir viel mehr fröhliche Gesichter hier an der Schule.

Aber warum maulen Sie dann die ganze Zeit so rum, wenn ich Sie einfach nur frag, wie Sie sich an Fasching verkleiden?

Weil ich das für unecht und aufgesetzt halte. Einmal im Jahr packen die Leute auf Kommando ihre Perücken und Kostüme aus und knipsen auf Knopfdruck ihr gefaktes Lächeln an und wackeln total ausgelassen mit dem Arsch. Das ist so typisch deutsch!

Aber die in Brasilien machen das auch!

Na, die spielen auch inzwischen sehr deutschen Fußball.

Herr Schmied, ich geh dieses Jahr als Mehmet Özil auf’n Fasching.

Hey Borat, der heißt nicht Mehmet, der heißt Mesut.

Ist egal, Hauptsache Türkei, außerdem bin ich ja auch nicht der richtige Özil.

Herr Schmied, meine Mama hat gesagt, ich darf mich heuer an Fasching als Katze schminken.

So wie deine Mama das ganze Jahr über ausschaut?

Das stimmt überhaupt nicht, du Mongo. Deine Mama kann dafür als Vogelscheuche gehen oder als Leiche oder als Missbrauchsopfer.

Selber Opfer!

Kinder, hört auf jetzt. Jeder darf sich an Fasching verkleiden, wie er will.

Hä? Grad haben Sie noch gesagt, dass Sie Fasching scheiße finden.

Was ich meinte, war, dass ich dieses dämliche Getue so nervig finde, also diese Unehrlichkeit, und dass jeder im Alltag immer mit so ner Maske rumrennt.

Herr Schmied, ich hab so ne Freddy-Krüger-Maske daheim…

… ich meine, jeder von uns spielt doch im Alltag ne Rolle, das ist ja auch kein Stress, solange man irgendwie authentisch bleibt.

Was heißt authentisch, Herr Schmied?

Das heißt … äh … dass man nicht versucht, was zu sein, was man eigentlich gar nicht ist, dass man also man selber bleibt.

Hä, ich bin doch keine Katze!

Aber deine Mama ist n Opfer!

Kinder, ich mein doch nicht im Fasching, sondern zum Beispiel hier in der Schule.

Ich geh als Hausmeister!

Geh halt als schlechter Schüler, du Spasti, das passt zu dir.

Jetzt hört endlich auf, euch gegenseitig anzumaulen!

Wieso? Ich mein das wirklich so, und Sie haben gesagt, man soll so sein, wie man ist.

O Mann! Ich will doch nur, dass man nicht dauernd so tun muss, als ob alles immer in Ordnung sei, weil man Angst davor hat, dass man komisch rüberkommt oder weil das jemand ausnutzen könnte. Ich hab das Gefühl, dass hier an der Schule so viele Schüler und Lehrer Mauern um sich herum aufbauen, um keine Schwächen zu zeigen, und die laufen dann wie Zombies rum …

… au ja, Herr Schmied, ich geh als Zombie!

… anstatt sich so zu geben, wie sie wirklich sind.

Tun Sie das immer, Herr Schmied?

Ich … äh … versuch’s zumindest. Ich bin doch erstmal n Mensch wie jeder hier.

Aber Sie haben doch gesagt, es ist normal, dass man ne Rolle spielt.

Also, wenn ich sauer bin, dass ihr zum dritten Mal euer Englischbuch vergessen habt, dann … äh … bin ich auch wirklich sauer.

Is klar.

Kinder, was soll denn das jetzt? Ich hab einfach keinen Bock, Teil eines riesengroßen Lügengebäudes zu sein. Im Kleinen wie im Großen wird hier die ganze Zeit geschwindelt. Ihr versucht, euch mit möglichst geringem Aufwand durchzumogeln und schleimt rum wie Nacktschnecken, und von oben wollen sie uns weismachen, dass dieser durchbürokratisierte Schulalltag mit der ganzen Scheiße wie dem G8, Individualisierungsstrategien, Flexijahr, Jahrgangsstufentests, Evaluationskonzepten, und was sie sich sonst noch alles für Schwachsinn aus den Fingern saugen, irgendwas mit Bildung und Leistung und Inspiration zu tun hat. Alles Lüge.

Also, ich geh als Pinocchio.

Und ich als Weinbergschnecke.

Und ich als Wanderprediger.

Nicolas Schmidt ist seit Dezember 2013 Kolumnist auf News4teachers.de
Nicolas Schmidt ist seit Dezember 2013 Kolumnist auf News4teachers.de

Zu Folge eins der Kolumne „Das Christkind ist ein Mädchen“ kommen Sie hier

Zu Folge zwei der Kolumne „Im neuen Jahr rette ich die Welt“ kommen Sie hier

Zu Folge drei der Kolumne „Kann ich mal bitte Feuer haben“ kommen Sie hier

Über den Hintergrund des Kolumnisten Nicolas Schmidt lesen Sie hier

eine Rezension – Pop-Poesie aus dem Lehrerzimmer lesen Sie hier

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