Trotz Mangel an Grundschul-Lehrkräften – Behörde weist qualifizierte Bewerberin ab (weil sie sich nur digital beworben hatte)

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HEILBRONN. Grundschul-Lehrkräfte werden mittlerweile in ganz Deutschland händeringend gesucht. In Berlin beispielsweise gibt es so wenige davon, dass eigens sogar Werbekampagnen in Österreich und den Niederlanden gestartet wurden, um Pädagogen von dort in die Kollegien der Bundeshauptstadt zu locken. Deshalb dürfte sich die Leitung einer Grundschule im baden-württembergischen Bad Friedrichshall außerordentlich gefreut haben, tatsächlich eine qualifizierte Bewerberin gefunden zu haben, die ihr zweites Staatsexamen sogar mit Auszeichnung bestanden hat. Allerdings: Das zuständige Regierungspräsidium Stuttgart lehnte die Einstellung ab, weil sich die Lehrerin an der Schule nur via Skype vorgestellt hatte. Eine digitale Bewerbung kommt für die Behörde aber nicht in die Tüte – obwohl die Kollegin einen triftigen Grund dafür vorweisen kann.

Baden-Württembergs Kultusministerin Eisenmann will Vorstellungsgespräch via Video ermöglichen. (Symbolbild). Foto: Kathryn Greenhill / flickr (CC BY-SA 2.0)
Baden-Württembergs Kultusministerin Eisenmann will Vorstellungsgespräch via Video ermöglichen. (Symbolbild). Foto: Kathryn Greenhill / flickr (CC BY-SA 2.0)

Die Kandidatin unterrichtet nämlich zurzeit an der Deutschen Schule in Kuala Lumpur, der Hauptstadt Malaysias, wie die „Heilbronner Stimme“ berichtet. Für die Schulleiterin sei die Form des Vorstellungsgesprächs über das Internet kein Problem gewesen, die Chemie habe trotzdem gestimmt. Auch bei anderen Schulen war die Lehrerin vorstellig geworden – und stieß überall auf die Bereitschaft, sie ins Kollegium aufzunehmen.

Trotzdem kam wenige Tage später eine pauschale Absage vom Regierungspräsidium. Die 28-Jährige gegenüber der Zeitung: „Ich erhielt die Nachricht, dass all meine Bewerbungen unzulässig seien, weil ich nicht persönlich bei dem Gespräch teilnehmen konnte.“ Obwohl sie eine Woche später einen Heimaturlaub gemacht habe und sich noch einmal persönlich bei der Schulleitung vorstellen wollte, sei ein nachträgliches persönliches Vorstellungsgespräch verweigert worden. Zudem habe die Schulbehörde darauf bestanden, dass die Unterlagen pünktlich in Papierform vorliegen, eine E-Mail reiche nicht aus. Zeitlich sei es ihr aber nicht möglich gewesen, die Papiere zu verschicken, erklärt die Pädagogin. Die Post in Malaysia arbeite leider nicht so schnell und zuverlässig wie die in Deutschland – und die Unterlagen nachzureichen, das habe das Regierungspräsidium nicht akzeptiert.

„Chancengleichheit“ – bei Bewerbermangel?

Die Behörde bezieht sich in ihrer Argumentation auf Regeln, die der „Qualitätssicherung und Chancengleichheit“ dienten, so heißt es. „Die persönliche Teilnahme am Bewerbungsgespräch ist nicht verhandelbar“, schrieb der zuständige Mitarbeiter in einer Mail an die Lehrerin. „Wenn diese Teilnahme nicht im dafür festgelegten Zeitraum durchgeführt werden kann, kommt die Berücksichtigung der Bewerbung nicht infrage.“ Was der Fall mit „Chancengleichheit“ zu tun hat, obwohl doch Grundschulpädagogen Mangelware sind – qualifizierte Bewerber stehen dort ja nicht Schlange -, erläutert das Regierungspräsidium nicht.

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Die Pädagogin: „Ich bin qualifiziert, und fair finde ich diese Einstellung ganz und gar nicht.“ Nicht nur in Auslandsschulen seien Bewerbungsgespräche per Skype heutzutage mehr als normal, sagt sie – und fragt mit Blick auf die in Deutschland üblichen Einstellungsverfahren für Lehrkräfte: „In welchem Jahrhundert leben wir denn?“

Tatsächlich hat sich mittlerweile die baden-württembergische Kultusministerium Susanne Eisenmann (CDU), seit dem Jahreswechsel Präsidentin der Kultusministerkonferenz, eingeschaltet. „Das gängige Verfahren bedarf einer Überarbeitung“, erklärte sie. Im Zeitalter der Digitalisierung und in einer globalisierten Welt solle es möglich sein, sich auch online bewerben und vorstellen zu können. Man werde den Fall einer Grundschullehrerin zum Anlass für die Überarbeitung des Verfahrens nehmen. Die Gewährung des Datenschutzes und die Einbindung des Personalrats müssten gewährleistet werden, aber dies gehe auch via Internet. Eine entsprechende Anpassung habe sie intern in Auftrag gegeben, sagte Eisenmann.

Für die qualifizierte Bewerberin kommt das aber zu spät. Sie werde sich nach ihrer Rückkehr aus Malaysia beruflich neu orientieren, erklärte sie gegenüber der „Heilbronner Stimme“. In den deutschen Schuldienst wolle sie nun erstmal nicht: „Wie da mit einem umgegangen wird, das gibt es nicht.“ News4teachers / mit Material der dpa

 

 

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sofawolf
7 Jahre zuvor

Der Lehrermangel muss nun zwar nicht dazu führen, dass Bewerber machen können, was sie wollen; in diesem Falle allerdings sollte man schon Verständnis haben, wenn jemand nicht mal eben so aus Malaysia angereist kommt und nach Lösungsmöglichkeiten suchen.

Die Reaktion der Bewerberin hingegen finde ich irgendwie „kindisch bockig“. Nun will sie aus Trotz gleich gar nicht mehr als Lehrerin arbeiten, sondern etwas anderes machen? Das finde ich lächerlich. Es gibt gerade wegen des Lehrermangels dutzende, hunderte Möglichkeiten, sich anderswo zu bewerben.

Axel von Lintig
7 Jahre zuvor

Schade ist alle mal. man hätte von den Auslandserfahrungen der Lehrer lernen können. Zum Beispiel wie dort unterrichtet wird, wahrscheinlich Lehrer zentriert. Wir sind ja auf diesem Planeten die große Ausnahme vom Beginn der Grundschule an lässt der Lord Voldemort der Grundschulpädagogik grüßen.
Wahrscheinlich arbeitet sie demnächst in einer Privatschule.Die Bedingungen für Lehrer scheinen ja im Hinblick auf die soziale Sicherheit und der Arbeitsplatzwahl sehr gut zu sein.