Spitzelei im Klassenzimmer? GEW bleibt bei ihrem Vorwurf gegen türkische Konsulate – Staatsanwaltschaft und Generalbundesanwalt fühlen sich nicht zuständig

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DÜSSELDORF. Haben türkische Diplomaten Eltern aufgefordert, kritische Lehrer zu denunzieren? Dieser Vorwurf hat für Wirbel gesorgt. Ob er stimmt, ist unklar. Die Staatsanwaltschaft sieht jedenfalls keinen Verdacht auf eine Straftat. In Baden-Württemberg mehren sich unterdessen die Stimmen gegen den von den türkischen Konsulaten getragenen Religionsunterricht.

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Im Fall der angeblichen Aufforderungen zu Klassenzimmer-Spitzeleien im türkischen Auftrag sieht die Staatsanwaltschaft Düsseldorf keinen Anfangsverdacht einer Straftat. Das teilte das NRW-Schulministerium am Mittwoch dem Landtag mit. Derzeit gehe die Staatsanwaltschaft allenfalls von einem straflosen Versuch einer Anstiftung zu einer politischen Verdächtigung aus. Auch der Generalbundesanwalt habe mit Blick auf eine mögliche geheimdienstliche Agententätigkeit einen Anfangsverdacht verneint. Das Polizeipräsidium Düsseldorf sei aber mit weiteren Prüfungen beauftragt.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hatte im vergangenen Monat berichtet, türkische Konsulate hätten bei «Informationsveranstaltungen» türkischstämmige Lehrer und Eltern angestiftet, kritische Lehrer zu melden. Sie verwies auf mehrere Personen, die an einer solchen Veranstaltung Anfang Januar in Düsseldorf teilgenommen hätten. Namen nannte die Gewerkschaft nicht. Die Generalkonsulate haben diesen Vorwurf entschieden zurückgewiesen.

Prüfungen dauern an

Die GEW habe in einem Schreiben an das Ministerium diese Darstellung wiederholt, teilte das Schulministerium weiter mit. Es hätten sich aber auch zwei Lehrer- und Elternverbände, die an der Sitzung teilgenommen haben, gemeldet und der GEW-Darstellung widersprochen. Eine Bewertung der widersprüchlichen Angaben könne nicht durch das Ministerium erfolgen. Die Schreiben seien den Ermittlungsbehörden übergeben worden. Dort dauerten die Prüfungen an.

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Den konsularischen Vertretungen der Türkei stehe es grundsätzlich frei, Gespräche mit Eltern und Lehrern zu führen und dabei die Position ihres Landes darzulegen, heißt es in der Stellungnahme des Ministeriums. Dieser Rahmen würde aber erkennbar überschritten, wenn Eltern oder Lehrkräfte zu einem bestimmten Verhalten gedrängt würden. «Die Denunziation von Lehrkräften im Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen bei Behörden eines ausländischen Staates wäre absolut inakzeptabel.» Dem hätten auch die türkischen Generalkonsulate einvernehmlich zugestimmt.

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In Baden-Württemberg fordert die GEW fordert das Aus für den türkischen Konsulatsunterricht. Dazu sagte die GEW-Landesvorsitzende Doro Moritz in der «Heilbronner Stimme»: «Der muttersprachliche Unterricht und der islamische Religionsunterricht müssen in staatliche Verantwortung übernommen werden». Der integrationspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag, Bernhard Lasotta, betonte: «Unsere Erfahrung zeigt, dass im Unterricht ein türkischer Nationalismus vermittelt wird und die Vorstellung einer Überlegenheit der osmanischen Kultur.» Dies sei in hohem Maß integrationsfeindlich. «Das führt die Schüler nicht in unsere Gesellschaft, sondern aus ihr heraus», sagte Lasotta.

„Auf der Linie von Erdogan“

Derzeit unterrichten 246 Konsulatslehrer im Auftrag der Türkei in Baden-Württemberg, ohne dass sie von den staatlichen Schulämtern kontrolliert werden. «Spätestens seit dem Putsch in der Türkei muss auch unserer Landesregierung klar sein, dass an den Konsulatsschulen nur Lehrer unterrichten, die auf der Linie von Präsident Erdogan liegen», warnte Moritz. «Es ist blauäugig, zu glauben, dass dort nur die türkische Sprache vermittelt wird.»

Das Kultusministerium in Stuttgart erklärte dem Blatt, es habe das Justizministerium aufgefordert, zu prüfen, inwieweit eine EU-Richtlinie das Land zu einer Kooperation mit der Türkei verpflichte. Angesichts von Vorwürfen etwa aus Nordrhein-Westfalen wolle man die Schulverwaltungen wegen einer möglichen politischen Einflussnahme durch die Konsulate sensibilisieren. In Kürze finde deshalb eine Dienstbesprechung mit allen staatlichen Schulämtern statt, sagte eine Sprecherin. dpa

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