Schulstadtrat kritisiert Ungleichbehandlung von Schulschwänzern

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BERLIN. Welche Konsequenzen Berliner Schulschwänzer und ihre Eltern erwarten müssen, hängt auch vom Wohnort ab. Je nach Bezirk gehen die Maßnahmen von pädagogischen Gesprächen bis zu massiven Geldbußen. Carsten Spallek (CDU) Schulstadtrat von Berlin-Mitte findet das nur „schwer verstehbar“. Doch eine gesamtstädtische Vereinheitlichung kommt nur langsam voran.

Der Schulstadtrat von Berlin-Mitte, Carsten Spallek (CDU), hat das unterschiedliche Vorgehen der Bezirke gegen Schulschwänzen kritisiert. Derzeit werde gleiches Fehlverhalten verschieden geahndet, sagte Spallek. «Das ist für mich – und wohl auch für Außenstehende – schwer verstehbar.» Einige Bezirke verzichteten sogar gänzlich darauf, Bußgelder zu verhängen. Für Spallek ein Unding: Es könne der Eindruck entstehen, der Staat setze die Regeln nicht durch, die er sich selbst gegeben habe.

Schulschwänzerinnenskulptur
Für die meisten Betroffenen ist Schulschwänzen keine entspannte Angelegenheit. Die Folgen unterscheiden sich für Berliner Eltern oft deutlich. Foto: Sister72 / Flickr (CC BY 2.0)

Der Senat verfolgt nach Angaben der Bildungsverwaltung eine gesamtstädtische Strategie. Die Schulämter der Bezirke und der Senat bemühten sich zurzeit um ein berlinweite Abstimmung zur Bearbeitung der Schulversäumnisanzeigen, teilte eine Sprecherin auf Anfrage mit.

Nach den Vorschriften müssen Schulen in Berlin das Schulamt ihres Bezirks mit einer sogenannten Versäumnisanzeige benachrichtigen, wenn ein Schüler fünf Tage unentschuldigt gefehlt hat. Vorgeschrieben ist, dass das Schulamt dann das Jugendamt sowie den schulpsychologischen Dienst informiert. Zusätzlich lädt der Klassenleiter die Eltern zum Gespräch.

Ein Verstoß gegen die Schulpflicht ist in der Hauptstadt eine Ordnungswidrigkeit – diese kann unterschiedlich geahndet werden. Und so setzen einige Bezirke rein auf pädagogische Maßnahmen wie Beratungsgespräche, andere verhängen Bußgelder von bis zu 2500 Euro. Im Extremfall beziehen die Behörden sogar die Polizei ein, um den jeweiligen Schüler von zu Hause abzuholen und in die Schule zu bringen. Der Bezirk Mitte arbeitet auch mit dem Familiengericht zusammen, das ein Verfahren wegen möglicher Kindeswohlgefährdung einleiten kann.

Maja Lasić, bildungspolitische Sprecherin der Berliner SPD-Fraktion, hält die Autonomie der Bezirke in diesem Fall für richtig. «Unterschiedliche Lösungen können jeweils zum Erfolg führen», sagte die Politikerin. Sie halte nichts davon, den Bezirken vorzuschreiben, wie sie mit Bußgeldern umzugehen hätten.

Die meisten Bußgeldbescheide gab es laut Behörden im Schuljahr 2016/17 in Neukölln (447). Es folgen Mitte (86) und Reinickendorf (82). Friedrichshain-Kreuzberg, Charlottenburg-Wilmersdorf und Treptow-Köpenick verhängten hingegen kein einziges Mal ein Bußgeld.

Im Januar hatte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) die Bezirke kritisiert, die auf die repressive Maßnahme verzichteten. Das sei unverantwortlich, sagte Scheeres laut «Berliner Morgenpost». Wenn sich Eltern nicht um ihre Kinder kümmerten, müsse man handeln und sich auf Seiten der Kinder stellen. Dazu gehörten auch Bußgeldbescheide.

Andy Hehmke (SPD), Schulstadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, verteidigte sich nun. Im Schulamt gebe es eine Sozialpädagogin, die ausschließlich für das Problem zuständig sei. Sie lade in jedem einzelnen Fall Eltern und Schüler zu einem Gespräch ein, um die Gründe für das Fehlbleiben zu ermitteln. Dabei könne es sich um Mobbing, Gewalt in der Schule oder Suchtprobleme handeln. Oft fehle Eltern auch die nötige Autorität, um einen regelmäßigen Schulbesuch des Kindes zu gewährleisten. «Diese Probleme behandelt man nicht mit einem Bußgeldbescheid», sagte Hehmke.

In Mitte will Schulstadtrat Spallek erst als Ultima Ratio auf Bußgelder zurückgreifen. Dabei sei entscheidend, dass den Lehrern das Gefühl gegeben werde, das Schulamt unternehme überhaupt etwas gegen das Problem. Besonders erfolgreich sei die Maßnahme allerdings nicht: Von den 86 verhängten Bußgeldbescheiden im vergangenen Schuljahr wurden nach Spalleks Angaben bloß drei bezahlt, bei fünf anderen seien Ratenzahlungen vereinbart worden. Der Rest sei offen geblieben. Oft seien betroffene Familien zu arm, um die Strafe zu bezahlen.

Berlin hat Bedarf an effektiven Lösungen: Im vergangenen Schuljahr wurden in allen 12 Bezirken zusammen 8133 Versäumnisanzeigen gemeldet. Im Jahr zuvor waren es noch 7115. Diese Zahlen gehen jeweils aus Antworten der Bildungsverwaltung auf Anfragen des SPD-Abgeordneten Joschka Langenbrinck hervor. Insgesamt werden in den Klassen 7 bis 10 demnach rund 1,8 Prozent des Unterrichts durchschnittlich geschwänzt.

Nach Veröffentlichung dieser Daten im Januar kündigte die Bildungsverwaltung verstärkte Maßnahmen an. So sollen ab dem kommenden Schuljahr einzelne Fehlstunden zu Fehltagen zusammengefasst werden. 30 Fehlstunden wären dann genug für eine Schulversäumnisanzeige. Außerdem soll es temporäre Kleinklassen für besonders schwere Fälle geben. (Jasper Riemann, dpa)

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