Expertin: Die Finanzierung schreckt viele Arbeiterkinder von der Uni ab

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ERFURT. Kinder von Friseuren oder Lastwagenfahrern studieren seltener als der Nachwuchs von Eltern mit Hochschulabschluss. Schüler, die als erste in ihrer Familie studieren wollen, haben Hürden zu überwinden, wie Anna Chombe von der Initiative Arbeiterkind.de auf Anfrage sagte. «Es gibt deutschlandweit immer mehr Studierende, aber das Problem sozialer Ungleichheit bleibt bestehen.»

Internationale Studentenschaft: Fassade der Berliner Humboldt-Universität. Foto: Rolf Handke / pixelio.de
Hier tummeln sich vor allem Akademikerkinder: Fassade der Berliner Humboldt-Universität. Foto: Rolf Handke / pixelio.de

Chombe ist als Mitarbeiterin der Initiative an der Fachhochschule Erfurt. Mit Vorträgen an Schulen und auf Informationsveranstaltungen will sie Schülern überall in Thüringen die Möglichkeiten für ein Hochschulstudium unabhängig von der sozialen Herkunft aufzeigen.

Erst kürzlich hatte das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) in einer Studie dargelegt, dass Kinder aus Akademiker-Familien immer noch deutlich häufiger studieren als solche, deren Eltern nicht auf der Uni waren. Demnach schafften von 100 Kindern aus Akademiker-Familien 79 den Sprung an eine Hochschule. Haben beide Eltern keinen Uniabschluss, sind es nur 27. Damit habe sich seit 2005 der Anteil von Studierenden, deren Eltern nicht an der Uni waren, kaum verändert.

Gerade die Finanzierungsfrage schrecke viele Arbeiterkinder ab, sagte Chombe. Oft würden aus Unwissenheit Kosten über- und der Ertrag eines Studiums unterschätzt. «Natürlich ist ein Studium teuer, aber es gibt Stipendien und Fördergeld; das Bafög.» Schüler müssten verstärkt über ihre Möglichkeiten aufgeklärt werden. «Viele verbinden etwa mit Stipendien Vorurteile», sagte Chombe. Dabei sei es ein Mythos, dass diese nur für Überflieger in Betracht kommen. «Gute Leistungen spielen eine Rolle, aber nicht nur.»

Auch wer es als Erster in seiner Familie an die Hochschule geschafft hat, kann sich an Chombe oder an Ehrenamtliche der Hochschulgruppen von Arbeiterkind etwa an der Uni Jena wenden. Denn gerade zu Beginn könnten für Arbeiterkinder Uni-Strukturen eine Herausforderung sein, sagte Chombe. «Manche wollen sich dann vielleicht auch gegenüber Kommilitonen nicht als Nicht-Akademikerkind „outen“ und fragen bei Verständnisproblemen lieber nicht nach.»

Thüringens Wirtschaftsministerium fördert Chombes bis Ende 2019 angelegte Projektstelle mit 141.600 Euro. Die vor zehn Jahren ins Leben gerufene Initiative Arbeiterkind gilt als gemeinnützige Organisation und zählt bundesweit rund 6000 Ehrenamtliche. dpa

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