MÜNCHEN. An einem Gymnasium in der Nähe von Aachen können die Schüler selbst entscheiden, ob sie in der ersten oder der zweiten Stunde anfangen. Das wirkt sich positiv auf ihren Schlaf und ihre Leistungsfähigkeit aus, zeigt eine Untersuchung von Münchener Chronobiologen.
Abends kommen sie zu spät ins Bett, aber am Morgen klingelt unbarmherzig der Wecker, denn die Schule beginnt um acht und dort müssen sie Leistung bringen. Chronischer Schlafmangel ist heute nicht nur unter deutschen Heranwachsenden weit verbreitet, er ist ein globales Phänomen. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde (Centers for Disease Control and Prevention) beispielsweise spricht von einem „Public Health Concern“, also einer Angelegenheit öffentlicher Gesundheit.
Zu den Folgen des Schlafdefizits gehört eine schlechtere Konzentrationsfähigkeit, ebenso, wie ein erhöhtes Unfallrisiko in der Frühe. Außerdem zeigen Studien, dass Risiken für Depressionen, Adipositas sowie Diabetes und andere Stoffwechselkrankheiten steigen.
Allenthalben poppt mit Beginn der dunklen Jahreszeit die Diskussion um einen späteren Unterrichtsbeginn auf. Ein Alsdorfer Gymnasium erprobt indes seit 2016 eine besondere Form des flexiblen Unterrichtsbeginns. Die Schule in der Nähe von Aachen, verlegte nicht nur den Schulbeginn nach hinten, sondern führte ein Modell ein, nach dem die Schüler der Oberstufe Tag für Tag selbst entscheiden können, ob sie schon zur ersten Stunde kommen oder erst zur zweiten.
Diese Form der Gleitzeit ist möglich, weil die Schule nach dem sogenannten Dalton-Plan arbeitet. Einen Teil des Stoffes müssen sich die Schüler nach dieser US-amerikanischen Idee in jeweils längeren Projektphasen selbständig erarbeiten. Im Stundenplan sind dafür zehn Stunden pro Woche vorgesehen, die Hälfte davon liegt nun auf der Acht-Uhr-Schiene. Kommen die Schüler später, müssen sie den Stoff in den Freistunden oder nach dem regulären Unterrichtsschluss nachholen.
Doch welche Auswirkungen hat das Modell? Kann eine Abkehr vom Acht-Uhr-Dogma tatsächlich den Schlaf und die kognitive Leistungsfähigkeit der Jugendlichen steigern? Münchner Chronobiologen um Eva Winnebeck und Till Roenneberg haben den Alsdorfer Feldversuch unter die Lupe genommen.
Drei Oberstufen-Jahrgänge stellten die Probanden für die Forscher vom Institut für Medizinische Psychologie der Ludwig Maximilians Universität. Drei Wochen vor und sechs Wochen nach der Einführung des Flexi-Modells begleiteten die Wissenschaftler die Schüler. Sie ließen sie täglich Schlafprotokolle führen und statteten gut die Hälfte von ihnen mit Aktivitäts-Trackern aus. Am Studienende gaben die Jugendlichen Auskunft über ihr Schlafverhalten, ihr Wohlbefinden und ihre Konzentrationsfähigkeit im Unterricht und beim Lernen.
Verblüfft seien die Wissenschaftler zunächst von der Tatsache gewesen, dass die Schüler die neue Freiheit, später zu kommen, gar nicht so exzessiv ausnutzten, berichtet Eva Winnebeck. Im Schnitt ließen sie zweimal pro Woche die erste Stunde ausfallen. An solchen Tagen schliefen sie dann gut eine Stunde länger; das galt unabhängig von Geschlecht, Jahrgangsstufe, Chronotyp und Häufigkeit des späteren Schulbeginns – so gut wie alle Schüler profitierten.
Gegenüber der alten Ära des starren Schulbeginns verlängerten sich die Schlafzeiten insgesamt zwar nur unwesentlich. Trotzdem waren die Schüler hochzufrieden mit dem neuen Modell. Durch die Bank gaben sie an, besser zu schlafen und auch in der Schule konzentrierter zu sein.
„Vielleicht reicht schon die Möglichkeit, frei entscheiden zu können und nicht dem Diktat des Weckers ausgeliefert zu sein, um viele Knoten zu lösen“, vermutet Winnebeck. „Flexible Systeme stellen eine tragfähige Alternative dar, wenn man den Schlaf von Jugendlichen verbessern will“, schreiben die Autoren dementsprechend in ihrer Arbeit. Wichtig aber sei es, die Schüler dazu zu ermuntern, die Spätoption bei Bedarf auch wirklich zu nutzen.
Die Studie ist jüngst im Fachmagazin Sleep erschienen (Abstract).
Das Ergebnis überrascht mich auch, weil ich eher ein Verschieben des Schlafrhytmus um eine Stunde nach hinten erwartet habe. Viel relevanter wäre aber ein Test in der Mittelstufe (Klassen 8 und 9). Allerdings führt ein flexibler Unterrichtsbeginn vorne definitiv zu längerem Unterricht nach hinten. Mit Oberstufenschülern kann man das aber noch machen.
Eine Ursache, weshalb so wenige Schüler das nutzen, dürften die Schulbusse sein und die Eltern, die ihre Kinder schon zur “normalen” Zeit aus dem Haus jagen.
Und die Tatsäche, dass viele Kinder und Jugendliche in der Pubertät einfach nicht eigenverantwortlich lernen können und wollen, dies würde aber bei einem flexiblen Unterrichtsbeginn vorausgesetzt.
Tatsache ist weiter, dass Reformschulen seit 100 Jahren das Gegenteil beweisen. Pubertiere sind also durchaus in der Lage selbstständig zu lernen, wenn entsprechende Rahmenbedingungen vorliegen.
Wäre es nicht sinnvoller die hierfür benötigten Lehrer/Innenstunden für Förderunterricht, Differenzierung, Individualisierung des Unterrichtes, Profilbildung oder für Inklusionsstunden zu nutzen?
Oder einfach normalen Unterricht.
Wenn die Schule später anfängt, geht man später ins Bett. Das habe ich vor 40 Jahren auch so gemacht….
und wer auf Busse angewiesen ist, wird auch den späteren Beginn des Unterrichtes nicht nutzen können