Lorz behauptet: Kinder infizieren sich seltener – deshalb ist Abstand unnötig

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WIESBADEN. Gestern noch fand Kultusminister Lorz die Idee nur „spannend“ – heute hat die Landesregierung bereits Nägel mit Köpfen gemacht: In Hessen sollen in den Grundschulen vom 22. Juni an die Schüler wieder gemeinsam in ihren Klassen unterrichtet werden. Das Abstandsgebot gelte dann für die Kinder nicht mehr, sagte Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) am Mittwoch. Grundlage ist eine wissenschaftlich höchst umstrittene Behauptung. Die GEW reagiert mit scharfer Kritik.

Beruft sich auf einen höchst umstrittenen Befund: Hessens Kultusminister Alexander Lorz. Foto: HKM / Manjit Jari

Zu der Entscheidung, die Grundschulen zwei Wochen vor den Sommerferien ohne 1,50-Meter-Abstandsgebot wieder zu öffnen, habe auch die Einschätzung von Gesundheitsexperten beigetragen, dass sich Kinder deutlich seltener mit dem Virus infizierten als Erwachsene, erklärte Kultusminister Alexander Lorz (CDU). (Die Behauptung ist wissenschaftlich höchst umstritten, wie News4teachers mehrfach groß berichtet hat – etwa hier).

Die Schulpflicht wird allerdings aufgehoben

Allerdings könne es ein Nullrisiko nicht geben, so Lorz am Mittwoch. «Deshalb stellen wir es den Eltern in den verbleibenden zwei Wochen vor den Ferien frei, ob ihr Kind am Präsenzunterricht teilnimmt oder von zu Hause aus lernen wird.» Die Schulen stehen zudem vor organisatorischen Herausforderungen, da die Klassengruppen nicht durchmischt werden und möglichst dauerhaft von derselben Lehrkraft im selben Raum unterrichtet werden sollen. Das Gebot von 1,5 Meter Abstand sei dann nicht mehr einzuhalten.

Mit massiver Kritik hat die Gewerkschaft GEW auf neue Lockerungen der Corona-Regeln in Hessens Schulen reagiert. «Ob im Restaurant, beim Einkaufen oder beim Training im Sportverein: überall gelten Abstandsregelungen zum Schutz vor einer Infektion. Es ist absurd, dies jetzt mit neuen Regeln, zum Beispiel bezüglich der Gruppenbildung, Pausenregelungen, Abstand, Masken, Raumpläne, für zehn Unterrichtstage wieder über den Haufen zu werfen, zumal erneut wieder nur wenige Tage für die Umsetzung zur Verfügung stehen werden», sagte die GEW-Landesvorsitzende Birgit Koch. Allein der Aufwand, alle Eltern zu erreichen, sei enorm.

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GEW: Unzumutbar auch gerade für die Schulleitungen

Nach Ansicht der GEW verliere das Kultusministerium «weiter an Glaubwürdigkeit und Vertrauen in seine Verlässlichkeit». Denn der Erlass vom 7. Mai zu neuen Vorgaben habe die Aussage enthalten, «dass die organisatorischen und hygienischen Vorgaben im Präsenzunterricht an den Grundschulen bis zu den Sommerferien Bestand haben», kritisierte die GEW.

Unzumutbar sei das Vorhaben laut der GEW gerade auch für die Schulleitungen. Sie müssten für die vierten Klasse nun zum vierten Mal innerhalb von gut sechs Wochen komplett neue Pläne für den Personaleinsatz, die Gruppeneinteilung und die Raum- und Pausenpläne entwerfen. Die GEW warf Lorz vor, Symbolpolitik auf dem Rücken von Schülern und Pädagogen zu betreiben. „Schulleitungen und Lehrkräfte an den Grundschulen fühlten sich nicht ernst genommen. «Wir sehen keine Möglichkeit, wie der Gesundheitsschutz gewährleistet werden soll, wenn mehr als 25 Kinder ohne Abstand in schlecht gelüfteten Räumen unterrichtet werden sollen», hieß es von der GEW. News4teachers / mit Material der dpa

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Ist der Verzicht auf Abstand im Klassenzimmer verantwortungslos? Wie der Streit um Schulöffnungen die Gemüter erhitzt

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10 Kommentare
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Marie
3 Jahre zuvor

Na dann, liebe Hessen, willkommen im Club der Laborratten! Immerhin dürfen bei euch die Eltern entscheiden, ihr Kind nicht zu schicken, das hätte ich mir für NRW auch gewünscht. Ich weiß, dass viele Eltern meiner Klasse vollkommen entsetzt reagiert haben, als Frau G. freudestrahlend die Öffnung für 2 Wochen verkündete.

timo
3 Jahre zuvor
Antwortet  Marie

„Laborratten“ – diesen Ausdruck habe ich schon erwartet, als es noch „Versuchskaninchen“ hieß, was aber auch schon eine genügend anstachelnder Begriff für Empörungsgeschrei war.

Sandra Schirmer
3 Jahre zuvor

Ich finde die Entscheidung von Herrn Lorz sehr gut. Allerdings würde ich es begrüßen, wenn auch alle anderen Kinder, auch die 5. Klassen und höher wieder normal zur Schule gehen könnten. Unseren Kindern darf die Bildung nicht versagt werden. Hoffentlich wird auch bald diese schreckliche Maskenpflicht abgeschafft. Das ist eine Zumutung. Wer sie gerne tragen möchte, darf dies selbst entscheiden und freiwillig tun. Und so möchten andere selbst entscheiden keine zu tragen.

Bernd
3 Jahre zuvor
Antwortet  Sandra Schirmer

Sie haben das Prinzip der Schutzmasken nicht verstanden. Die Masken schützen nicht den Träger – sondern alle um ihn herum. Insofern nützt Freiwilligkeit hier wenig.

Oder würden Sie bei Tempolimits vor Kitas und Schulen auch darauf setzen, dass die Autofahrer selbst entscheiden, ob sie es einhalten möchten?

timo
3 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

Vielleicht haben Sie ja nicht verstanden oder sind nicht auf dem neusten Stand. Die WHo hat inzwischen ihre positive Meinung zu Schutzmasken revidiert.
https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/504627/WHO-aendert-ihre-Meinung-Schutzmasken-koennen-Risiko-einer-Corona-Ansteckung-erhoehen

Bernd
3 Jahre zuvor
Antwortet  timo

Sie sollten mal an Ihrer Medienkompetenz arbeiten – Sie verbreiten Fake News. Das Gegenteil ist richtig. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt jetzt das Tragen von Masken in überfüllten öffentlichen Einrichtungen: https://www.dw.com/de/who-%C3%A4ndert-ihren-masken-standpunkt/a-53703467

Gleiches gilt für das Robert-Koch-Institut: „Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im öffentlichen Leben kann dazu beitragen, die Ausbreitung von COVID-19 in der Bevölkerung zu verlangsamen und Risikogruppen vor Infektionen zu schützen.“ Quelle: https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Mund_Nasen_Schutz.html;jsessionid=86C1DD5D406E524EE73DCB0E05DCAA81.internet082

Georg
3 Jahre zuvor
Antwortet  timo

Sie haben beide recht und unrecht. In den Artikeln stehen Voraussetzungen an gute Masken und Kriterien, wann welche Art von Maske gute Dienste leisten kann. Beispielsweise kann eine selbstgenähte Mund-Nasenbedeckung aus nur einem Material in großen Menschenmengen zu einer trügerischen Sicherheit führen.

dickebank
3 Jahre zuvor

Nur Herr Lorz verantwortet Unterricht, abhalten darf er nämlich keinen. Er hat das falsche Zweite StEx.

Breitw.
3 Jahre zuvor

Es ist einfach unverantwortlich wie mit der Gesundheit von Lehrern, Schülern und deren Familien umgegangen wird. Das einzige was vor einer Ansteckung schützt ist der Mindestabstand und dort wo dieser nicht eingehalten werden kann, die Maskenpflicht. Dies gilt für alle Branchen, städtischen Einrichtungen etc. Aber nicht für Schulen! Zählen Lehrer, Schüler und deren Angehörige den gar nichts. Bis vor kurzem fand ich noch das die Regierung das alles gut im Griff hat, aber nach einer solchen Entscheidung muss ich sagen, bin ich schwer enttäuscht. Das kann doch nicht sein. Einfach unverantwortlich.

Küstenfuchs
3 Jahre zuvor
Antwortet  Breitw.

Von welcher Regierung sprechen Sie hier genau?