GEW-Umfrage: An vier von fünf Schulen fehlt zusätzliches Reinigungspersonal, um Corona-Hygieneregeln einhalten zu können

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STUTTGART. Als letztes Bundesland startet Baden-Württemberg in der kommenden Woche ins neue Schuljahr. Aus Sicht der GEW dürfte es nach den Sommerferien allerdings dort nicht viel besser laufen als in der chaotischen Corona-Zeit zwischen März und Juli. Es fehlen Lehrer. Es hapert nach wie vor an der digialen Ausstattung. Und: An vier von fünf Schulen gibt es nicht einmal zusätzliches Reinigungspersonal, um die verschärften Hygieneregeln einhalten zu können.

Nach Möglichkeit sollen Oberflächen mehrmals täglich gereinigt werden – aber wer soll das tun? Foto: Shutterstock

Zu wenige Lehrkräfte, mangelhafte Technik, unrealistische Hygieneregeln: Es sind nur noch wenige Tage bis zum Ende der Sommerferien in Baden-Württemberg. Aber die GEW sieht die Schulen im Südwesten immer noch schlecht gewappnet für den Unterricht unter Corona-Bedingungen. Eines der größten Probleme: Wegen des Lehrermangels und der Corona-Risikogruppen fehlten derzeit so viele Lehrkräfte wie noch nie in den Klassenzimmern, sagte die GEW-Landesvorsitzende Doro Moritz am Montag in Stuttgart. Voraussichtlich könnten sechs Prozent der Lehrkräfte mit Attest und weitere drei Prozent Schwangere nicht im Präsenzunterricht sein.

1000 Lehrerstellen werden ohne ausgebildete Lehrer bleiben

Dazu kommt der strukturelle Lehrermangel. Nach den Zahlen, die der GEW vorliegen, werden beim Schulstart wohl bis zu 1.000 Lehrerstellen ohne ausgebildete Lehrkräfte sein. Der Lehrermangel verschärft sich vor allem an den Grundschulen, während es an den Gymnasien weiterhin deutlich mehr Bewerber als Stellen gibt. „Es ist dramatisch, dass es an Grundschulen für fast 30 Prozent der Stellen nicht einmal eine Bewerberin gibt“, sagte Moritz.

Und das ist aus Sicht der GEW längst nicht alles. Eine Befragung unter Schulleitungen aller Schularten in Baden-Württemberg in den ersten Septembertagen mit 242 Teilnehmern ergab, dass trotz deutlich verschärfter Hygieneregeln nur an wenigen Schulen die Putzkolonnen aufgestockt wurden. Demnach gaben 80 Prozent der Leiter an, dass kein zusätzliches Reinigungspersonal von den Kommunen als Schulträger bereitgestellt worden sei, um die Hygiene-Auflagen durch die Corona-Verordnungen umzusetzen.

„Hygienestandards werden in den Schulen nicht eingehalten werden können“

„Wir gehen leider davon aus, dass zum Schulstart in der nächsten Woche in den 4.500 Schulen im Land an vielen Stellen vorgeschriebene Hygienestandards nicht eingehalten werden können“, sagte Moritz und warf Eisenmann sowie den Schulträgern vor, „offensichtlich ihre Hausaufgaben nicht gemacht“ zu haben.

Einige dieser Auflagen hätten noch dazu wenig mit der Realität zu tun. Schüler müssten etwa Masken im Schulbus und auf dem Pausenhof tragen, nicht aber im Unterricht. «Wie vermitteln wir Schülern da eine klare Linie»?, fragte Moritz. Ein weiteres Beispiel: das Thema Lüften. Mehrmals täglich sei «eine Querlüftung bzw. Stoßlüftung bei vollständig geöffneten Fenstern» vorzunehmen, zitierte Moritz aus den Hygienehinweisen für die Schulen. «Kein Klassenzimmer hat auf beiden Seiten Fenster», sagte Moritz. Die Lehrer müssten sich stets mit ihren Nachbarn absprechen – das sei völlig unrealistisch.

Weitere Ergebnisse der Umfrage unter Schulleitungen:

  • 60 Prozent sagen, dass sie bisher keine Leihgeräte (Notebooks, Tablets) haben, die sie zum Beginn des neuen Schuljahrs an Schüler ausgeben können. Nur zehn Prozent sagen, dass sie 50 oder mehr Leihgeräte haben.
  • An den meisten Schulen gibt es keine Personen bzw. Firmen für den technischen Support.
  • An einem Drittel der Schulen sind beim Start ins neue Schuljahr Stellen unbesetzt. Das betrifft laut der Umfrage vor allem Grundschulen und Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren und damit auch massiv die inklusiven Bildungsangebote.
  • Etwa die Hälfte der Schulen gibt an, dass unter anderem wegen Corona Lehrkräfte im Präsenzunterricht fehlen.

Die GEW berichtet von zahlreichen Schulleitungen, die den angekündigten Regelbetrieb in Frage stellen. Dazu wird bemängelt, dass „ein Plan B“ fehle, wenn zum Beispiel einzelne Schulen geschlossen werden müssen. „Welche Strategie gibt es dann zum Beispiel für die neuen Erstklässler, wenn eine Grundschule geschlossen wird? Es entsteht der Eindruck, dass die Schulen mit solchen Fragen allein gelassen werden“, sagte Moritz.

GEW: Von Normalbetrieb an den Schulen kann wohl keine Rede sein

Moritz dämpfte vor diesem Hintergrund allzu hohe Erwartungen, dass im kommenden Schuljahr mit einem Regelbetrieb an den 4.500 Schulen im Land zu rechnen sei. Sie forderte, dass die Landesregierung schnell einen Nachtragshaushalt beschließt, um die Schulen personell zu unterstützen. Außerdem mahnte sie verbindliche Absprachen zum Schutz von Schülern und Lehrern an. „Auch sichere FFP2-Masken für Risikogruppen unter den Lehrkräften waren in Aussicht gestellt. Das ist gestrichen. Die grün-schwarze Landesregierung wird ihrer Verantwortung als Arbeitgeber für 130.000 Lehrkräfte und für die über 1,4 Millionen Schülerinnen und Schüler nicht gerecht“, sagte Moritz.

Die GEW erwartet von der Landesregierung und mit Blick auf den Landtagswahlkampf von allen Parteien klare Konzepte wie der Lehrerbedarf bis 2030 gesichert werden kann. „Es sind einige zusätzliche Studienplätze in der Lehrerausbildung hinzugekommen. Diese werden aber nicht reichen. Sowohl mit Blick auf die weiter steigenden Geburtenzahlen als auch den zusätzlichen Bedarf für pädagogische Weiterentwicklungen wie den Ausbau der Ganztagsschulen brauchen wir mehr Lehrerstellen und weitere zusätzliche Studienplätze. Eltern und Lehrkräfte erwarten, dass sich die Parteien vor der Landtagswahl im März 2021 festlegen, wie viele Studienplätze und wie viele zusätzliche Lehrerstellen sie bis 2026 schaffen werden“, sagte Moritz. News4teachers / mit Material der dpa

Im Wortlaut

In den Hygienehinweisen für die Schulen in Baden-Württemberg, die ab dem 14. September gelten, heißt es unter anderem:

„In der Schule steht die Reinigung von Oberflächen im Vordergrund. Dies gilt auch für Oberflächen, denen antimikrobielle Eigenschaften zugeschrieben werden müssen, da auch hier Sekrete und Verschmutzungen mechanisch entfernt werden sollen. Handkontaktflächen sollen besonders gründlich und in stark frequentierten Bereichen mindestens täglich, ggf. auch mehrmals täglich,mit einem tensidhaltigen Reinigungsmittel gereinigt werden (Das SARS-CoV-2-Virus ist ein behülltes Virus, dessen Lipidhülle durch die Tenside in Reinigungsmitteln inaktiviert wird, sodass eine sorgfältige Reinigung in diesem Kontext ausreichend ist):

  • Türklinken und Griffe (z.B. Schubladen-und Fenstergriffe) sowie der Umgriff der Türen,
  • Treppen-und Handläufe,
  • Lichtschalter,
  • Tische, Telefone, Kopierer(Handkontaktflächen),
  • alle weiteren Griffbereiche, wie z.B. Computermäuse und Tastaturen.“

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers kommentiert.

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KARIN
3 Jahre zuvor

Papier ist geduldig.Regeln werden der Situation entsprechend angepasst! Lehrer werden jetzt wahrscheinlich keinerlei Pausen mehr haben, da sie zur eigentlichen Lehrtätigkeit , welches unser Berufsbild ist, zusätzlich auch noch Hygienebeauftragter ,Gangaufsicht, Fachkraft für Krankheitsbilder , Putzkraft (wahrscheinlich auch noch, da bei Ansteckung in der Schule ja die Verantwortlichen ihrer Aufsicht mit allen damit verbundenen Pflichten nicht nachgekommen sind und es leider niemand ansonsten macht!!) und ,und,und ……….ist. In meinem Bekanntenkreis werde ich keinerlei Werbung mehr für den früher sehr ausfüllenden Lehrerberuf mehr machen.

OlleSchachtel
3 Jahre zuvor

Leider wurde schon vor den Sommerferien (schulischer Normalbetrieb mit 4 Schulstunden pro Tag mit einer Lehrkraft) nicht besser geputzt als vor Corona. Es wird wohl wieder an uns Lehrern hängen selbst zu putzen. Es fehlen Kollegen, obwohl klar war welche Kollegen auf Grund einer Vorerkrankung nicht kommen. Kurz vor knapp muss der gesamte Stundenplan wieder neu geschrieben werden, da plötzlich noch neue Kollegen gesandt werden (Gott sei dank). Wie es weiter geht…Es wird wie in vielen anderen Berufen weiter sehr stressig sein allem gerecht zu werden. Putzen war nicht eingeplant…

Lera
3 Jahre zuvor
Antwortet  OlleSchachtel

Als Lehrer noch die Schule putzen… käme mir nicht in die Tüte. Gutmütigkeit und Engagement führen nur dazu, dass die Arbeitsbedingungen immer schlechter werden. Rund um die Schule sehe ich Leute, die ihren Job nicht machen. Das muss man bei jeder sich bietenden Gelegenheit anprangern. Und keinesfalls ausbügeln.

Jan
3 Jahre zuvor

„Mehrmals täglich lüften“… ich hoffe doch, dass man das schon VOR Corona gemacht hat. Mit Corona sollte man mehrmals in der Stunde lüften, nicht nur mehrmals am Tag.

OMG
3 Jahre zuvor
Antwortet  Jan

Hat bisher immer geklappt. Aktuell sind es morgens bei uns aber nur 8 Grad, die merkt man schon.

Dietmar
3 Jahre zuvor

Wenn die Schulträger mit dem Schutz der SuS und LuL überfordert sind, sollte zwingend zum Distanzlernen übergegangen werden. Corona und die Langzeitfolgen sind ein Risiko, das man niemanden zumuten darf.

Gonzalez
3 Jahre zuvor

Das ist ja nicht allein in BaWü ein Problem. Mir völlig unverständlich, warum man über den Sommer nicht intensiv die Digitalisierung ausgebaut hat, Luftreiniger für Innenräume bereitstellt, für eine ausreichende Reinigung sorgt und dann mit Abstand und einer Halbe-Klassenregelung im Präsenzunterricht und Onlinephasen arbeitet. Das kostet Geld, aber so wie es im Moment läuft, ist es fahrlässig und verantwortungslos.

Paulchen Panther
3 Jahre zuvor

Warum wohl? Das kostet Geld!!! Also folgt man, während man sich selbst hinter Plexiglas, mit Mundschutz oder im Home-Office sicher verschanzt (natürlich alles aus Steuermitteln bezahlt) lieber einer menschenverachtenden und verantwortungslosen Politik, um die Kinder aufzubewahren und die Wirtschaft am Laufen zu halten. Kinder zählen nicht und Lehrer sind eh nur faule, überbezahlte Säcke.

Dietmar
3 Jahre zuvor

@ Gonzales: Es stellt sich immer wieder die Frage, warum Milliarden für Firmen da sind, für Kinder aber noch nicht einmal Luftreiniger für 100 Euro.

Alla
3 Jahre zuvor

In SH gibt es neue „Empfehlungen“ . Unter der Überschrift “ Krankheitsanzeichen: Darf mein Kind in die KITA oder in die Schule?“ gilt:

Mein Kind hat
Einfachen Schnupfen, eine laufenden Nase, Halskratzen, leichten gelegentlichen Husten/Räuspern (leichte Symptome) KEIN AUSSCHLUSSGRUND. Das Kind darf zur Schule.

„Mein Kind ist krank, es hat:
Fieber ( ab 38,0 Grad C ) und/oder Muskel- und Gelenkschmerzen
Trockenen Husten und/ oder Halsschmerzen ( nicht durch chronische Erkrankungen wie zB Asthma)
Verlust des Geruchs- und/oder Geschmackssinns ( nicht in Kombination mit Schnupfen)
Bei mindestens einer dieser Krankheitsanzeichen bleibt das Kind mindestens 24 Stunden zu Hause.
Es sei denn, es benötigt einen Arzt, der es länger krankschreibt.“

Ordnet der Arzt keinen Coronatest an, darf es nach 24 Stunden, bzw nach erreichen eines guten Allgemeinzustands wieder zur Schule/Kita.

GRUND: Die Beschwerden einiger Eltern, weil sie ihr Kind mit milden Krankheitszeichen zu Hause betreuen mussten.

Seitdem ist der Bedarf an Papiertaschentüchern wieder sprunghaft angestiegen, Und der fehlende Raum um ein fieberndes Kind hinzulegen, bis ein Elternteil erreicht werden kann, um es abzuholen, was Stunden dauern kann, ist genauso problematisch wie vor Corona. Also bleibt das Kind in der Klasse, wie zuvor.