„Endgültig vor dem Coronavirus kapituliert“: Bildungsverbände kritisieren Tonne

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HANNOVER. Die Schulen haben stark unter dem Auf und Ab der Corona-Wellen gelitten. Nach zwei Jahren Pandemie bezeichnen niedersächsische Bildungsverbände die Situation nach wie vor als besorgniserregend.

In der Kritik: Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne. Foto-AG Melle, derivative work Lämpel / Wikimedia Commons (CC BY 3.0)

Nach mehr als zwei Jahren Pandemie haben sich niedersächsische Bildungsverbände enttäuscht über das Handeln der Landespolitik gezeigt. Nach wie vor seien Infektionsschutzmaßnahmen und digitale Ausstattung an den Schulen unzureichend, sagten die Vorsitzenden bei einer Pressekonferenz am Dienstag. «Wir haben immer noch genügend Schulen, deren Internetanbindung unterirdisch schlecht ist», so Ralph Böse, Vorsitzender des Berufsschullehrerverbands Niedersachsen.

Der Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung in Niedersachsen, Franz-Josef Meyer, kritisierte die Abschaffung der Maskenpflicht und die Umstellung auf eine freiwillige Corona-Testung in den Klassen: «Damit hat das Kultusministerium endgültig vor dem Coronavirus kapituliert und gibt dem Infektionsgeschehen freie Bahn. Die flächendeckende Durchseuchung aller Schulen und Kitas ist damit vorprogrammiert.»

Trotz der Herausforderungen müsse versucht werden, die Arbeitsfähigkeit der Schulen weiter zu gewährleisten, mahnte Böse. Die Belastung der vergangenen zwei Jahre habe jedoch dazu geführt, dass viele Lehrer am Ende ihrer Kräfte seien. «Ich möchte darauf hinweisen, dass wir an unseren Schulen teilweise Krankenstände von 50 Prozent zu beklagen hatten in den ersten Monaten dieses Jahres.» Um gegen den akuten Lehrermangel vorzugehen, muss nach Angaben des Philologenverbands Niedersachsen massiv in die Lehramtsausbildung investiert werden.

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Die Aufnahme und Integration von aus der Ukraine geflüchteten Schülerinnen und Schülern verschärft die vorhandenen Probleme der Bildungseinrichtungen nach Angaben des Vorsitzenden des Verbands Niedersächsischer Lehrkräfte, Torsten Neumann. Die Klassen würden noch voller und bestünden teilweise aus bis zu 36 Kindern. Auch wenn die Lehrkräfte sich große Mühe gäben, sei nicht genügend Personal vorhanden, um die Schüler aufzufangen.

«Überall fährt diese Landesregierung auf Sicht», kritisierte Alexander Zimbehl, erster Landesvorsitzender des Niedersächsischen Beamtenbunds und Tarifunion. Es brauche jedoch jetzt Mittel und Möglichkeiten, um die Schulen zu unterstützen und zu entlasten.

An den niedersächsischen Schulen sind bislang rund 7500 Schülerinnen und Schüler nach ihrer Flucht aus der Ukraine angemeldet worden. Das teilte das Kultusministerium in Hannover am Montag auf Anfrage mit. In Niedersachsen gehen etwa 1,1 Millionen Schüler an rund 3000 Schulen. In Kitas im Bundesland sind demnach etwa 340 Kinder aus der Ukraine gemeldet. dpa

Die krassen Versäumnisse der Kultusminister in der Corona-Krise – eine Bilanz, die mit Sorge auf den Herbst blicken lässt

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Rüdiger Vehrenkamp
1 Jahr zuvor

Nach den Erzählungen meiner Kinder, nehmen sie bei ihren Lehrern das Gegenteil von „ausgebrannt sein“ wahr: Die blühen geradezu auf und starten tolle Aktionen mit den Kindern – in der Schule und außerhalb, da endlich die Maßnahmen gefallen sind und Schule wie früher stattfinden darf.

Corona bleibt uns natürlich erhalten. Es ist eine Illusion zu glauben, dass das Virus noch einmal verschwinden wird. Es ging immer darum, die Intensivstationen nicht zu überlasen. Corona spielt dort eine immer geringere Rolle und dem muss man Rechnung tragen. Politik und die Gerichte haben das erkannt… hier dauert es vermutlich noch ein paar Jahre.

MeinSenf
1 Jahr zuvor

Was für eine schöne Anekdote!

Bei uns gehen die meisten auf dem Zahnfleisch, viele wollen die Stunden reduzieren, wenn sie es nicht schon getan haben. Meine Anekdote…

Sissi
1 Jahr zuvor
Antwortet  MeinSenf

Ich kann mir das nur so vorstellen; er ist doch nach Takatukaland ausgewandert.
Ich kenne zwar die dortigen Infektionszahlen nicht,
aber den Kindern und den KuK weiterhin viel Spaß in der deutschen Buschschule und ebenso der Familie viel Freude beim abendlichen Tanz ums Lagerfeuer.
Wir schreiben derweil den dritten Anlauf Zwischenprüfung. Warum?
Wir leben in der Realität, mit zu viel kranken SuS und LuL.

Kritischer Dad*NRW
1 Jahr zuvor
Antwortet  Sissi

Habe es eben erst gelesen, zu viel positives Denken schadet.
Selbst in der Baumschule im Takatukaland?

(H)Ampelmännchen
1 Jahr zuvor

Neben Freiheit nun endlich auch Abenteuer inklusive bei den Rüdis.

Lanayah
1 Jahr zuvor

Wie starten die derzeit tolle Aktionen? Meine Erfahrung: Außerschulische Lernorte haben dicht (Renovierung! Oder ist es die Angst vor Schulklassen?). Glücklicherweisr gibt es noch den nahe gelegenen Wald, der Schulklassen reinlässt.

Dirk Z
1 Jahr zuvor

> Corona spielt dort eine immer geringere Rolle und dem
> muss man Rechnung tragen. Politik und die Gerichte
> haben das erkannt… hier dauert es vermutlich noch
> ein paar Jahre.

Ich bin überzeugt hier dauert es noch Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte, bis dieser angst- und panikgetriebene Modus aus den Köpfen der Massnahmenbefürworter verschwunden ist.
Diese Angst und Panik von vielen hemmt auch eine vernünftige Herangehensweise. Ich bin überzeugt wenn es aus fachlicher Sicht wieder Massnahmen erforderlich sein sollten, haben die Massnahmenbefürworter mit ihrer Panik jetzt eins erreicht- eine Ablehnung der breiteren Masse von ggf. neuen Massnahmen, auch wenn diese dann tatsächlich erforderlich sein sollten.
Die Form, wie das aktuelle Infektionsschutzgesetz ausgefallen ist ist eine erste Quittung an all diejenigen, die vegement an Massnahmen immer noch festhalten ohne wirklich zu hinterfragen, was tatsächlich noch notwendig ist.
Diese ständige Angst, das weitere Tragen der Masken usw. kann nämlich auch sehr schnell eine Steilvorlage werden, daß man künftig für Infektionen leichter empfänglich ist.

Nichtschonwieder
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dirk Z

Genau, Jahrhunderte dauert das noch Dirk. Und deine Maskenphobie dauert noch Jahrtausende.
Gäääääähn

Maike, Niedersachsen, 37
1 Jahr zuvor

Diese Woche (Dienstagabend): 5 Coronafälle im Kollegium, 16 neue Schüler/innen aus der Ukraine. Allein in meiner 5. Klasse drei. Lernstand? Keine Ahnung? Sprache? Keine Ahnung. Wäre schon dankbar, wenn ich wüsste, dass sie da sind und wie sie heißen. Aber sie sind einfach da. Von jetzt auf gleich. Konzept? Gibt es nicht. Gestern habe ich im Radio gehört, dass Nds. 15 (!) Lehrer/innen aus der Ukraine eingestellt hat. Wow, das wird helfen! Abitur läuft nebenbei. Drei Schüler/innen müssen aus meinem Kurs nachschreiben, Corona, zwei davon nun zum 2. Mal. Nehme ich achselzuckend zur Kenntnis. Wenn sie zum Nachschreibtermin nicht fit sind, mache ich drei Abiturvorschläge. Klar. Die Schulleitung ist gefühlt seit 2 Jahren am Limit. Ich frage ich ernsthaft, warum nicht jeder Schulleiter/jede Schulleiterin täglich eine Überlastungsanzeige schreibt. Und warum nicht jeden Tag in der Zeitung steht: Wir brauchen Hilfe! Jetzt! Unbürokratisch! Viel davon!

Realität
1 Jahr zuvor

An unserer Grundschule haben wir 25 ukrainische Kinder bekommen. Englisch nicht vorhanden. Deutsch nicht vorhanden. Wer von uns kann russisch? Niemand. Diese Klasse soll sogar noch größer werden. Genügend Lehrer, um die Klasse zu teilen, gibt es nicht.
Hier wird alles auf unsere Grundschule abgewältz. Wir nehmen auch die urkainischen Kinder der anderen Grundschulen auf. Und bekommen zwei Lehrkräfte von einer anderen Schule für jeweils einen Tag abgeordnet. Den Rest sollen wir auffangen. So funktioniert das nicht mehr lange. Eine ukrainische Mutter, die Mathelehrerin ist, hat sich als Lehrkraft angeboten. Dies muss nun erst einmal geprüft werden. Was das heißt wissen wir alle.
Durch die Willkommensklasse bleiben die ukrainischen Kinder unter sich. Einige wollen gar kein Deutsch lernen und der theoretisch mögliche ukrainische Unterricht findet zu allen möglichen Zeiten statt. So ist es gar nicht möglich, dass sie in den Unterricht zugeschaltet werden.

Mittlerweile sind wieder einige Corona-Fälle in den einzelnen Klassen. Alleine in einer dritten Klasse waren es 5 Kinder. Die Inzidenz in unserem Kreis ist laut RKI die dritthöchste in Nds.
Mittlerweile tritt der Alltag, den wir vor den Osterferien hatten, ein. Die Kollegen fallen aus den unterschiedlichsten Gründen aus. Gruppen werden zusammengelegt und gemeinsam auf dem Schulhof betreut. Das ist die Realität, die Tonne schönredet.

MeinSenf
1 Jahr zuvor
Antwortet  Realität

Ja, so ist das bei uns auch. Coronaausfälle sind an der Tagesordnung, Klassenarbeiten werden gleich im Dreierpack vorbereitet und alles wird IRGENDWIE am Laufen gehalten. Bin gespannt, wie es bei uns wird, wenn die Willkommensklasse anläuft, die wird gerade organisiert, auch mit Lehrkräften aus zwei Schulen.

Nur eines ist sicher: Das Chaos wird weitergehen!