BERLIN. Eine Welle der Hilfsbereitschaft rollt durch die Schulen in Deutschland: Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte zeigen großes Engagement, um geflüchteten Menschen aus der Ukraine zu helfen. Ob Spendenläufe, Pfandflaschen-Sammelaktionen, T-Shirt-Verkäufe oder Kuchenbasare: Der Fantasie, um dafür an Geld zu kommen, sind kaum Grenzen gesetzt. Hilfsorganisationen wie SOS-Kinderdorf zeigen sich beeindruckt.
„Wir haben genau überlegt, an wen das Geld gehen soll“, erklärt Katharina Tröster, stellvertretende Schulleiterin der Kreuzburgschule im hessischen Hainburg, gegenüber der lokalen Tageszeitung. „Kinder spenden für Kinder – das war unser Hauptargument, und so haben wir uns für diese Organisation entschieden.“ Gemeint ist: SOS-Kinderdorf, ein Sozialwerk, das Schutzeinrichtungen für Kinder weltweit (auch zwei in der Ukraine) unterhält und darüber hinaus geflüchtete Familien aus dem Kriegsgebiet in etlichen europäischen Staaten unterstützt. Die Haupt- und Realschule hatte einen Spendenlauf veranstaltet. Ergebnis: stattliche 21.000 Euro. Die wurden dann an den gemeinnützigen Jugendhilfeträger übergeben.
„Die Kinder und Familien in der Ukraine brauchen ihre Hilfe. Das, was hier in der Ukraine geschieht, ist die Hölle”
Über den Krieg in der Ukraine war zuvor im Unterricht gesprochen worden. Plakate wurden gestaltet und an den Wänden der Schule präsentiert. Aber die Schülerinnen und Schüler hatten mehr tun wollen als Solidarität bekunden. „Konkrete Hilfe bringen nur Spenden“, hieß es. Schnell kam die Idee für den Spendenlauf auf. Sponsoren wurden gesucht – und gefunden –, die pro gelaufene Runde einen Betrag spenden sollten. 23 Klassen mit 490 Schülern sowie etliche Lehrkräfte liefen mit. Insgesamt wurden knapp 3.000 Kilometer gezählt. Entlang der Strecke standen Zuschauer, die die Läufer anfeuerten. Obst und Getränke stellte der örtliche Einzelhandel kostenlos zur Verfügung. Alles in allem: Eine große Aktion für die Schule – und für die Schülerinnen und Schüler die Erkenntnis, dass sich mit Engagement viel bewegen lässt.
Seit knapp fünf Monaten wütet der Krieg in der Ukraine. Und fast genauso lange planen und organisieren Lehrkräfte und Schülerschaften bundesweit Spenden-, Hilfs- und Friedensaktionen, um den Menschen dort oder Geflüchteten vor Ort zu helfen. „Wir erleben eine große Welle der Hilfsbereitschaft“, so berichtet Dr. Maria Braune, die beim SOS-Kinderdorf e. V. als Ansprechpartnerin für Schulen bereitsteht. Welch kreative Ideen die Schulgemeinschaften haben, wie erfolgreich sie ihre Projekte verwirklichen und wie groß das Engagement ist, das sei beeindruckend, sagt Maria Braune – ebenso wie der Wille, gemeinsam ein Zeichen gegen den Krieg zu setzen.
SOS-Kinderdorf unterstützt geflüchtete Familien inner- und außerhalb der Ukraine. Rund 46.000 Kinder und Bezugspersonen wurden mit den Hilfsmaßnahmen bereits insgesamt erreicht, unter anderem durch Evakuierungen von Kindern und Familien und der Versorgung mit Lebensmitteln, Wasser und Hygieneartikeln. Außerdem hat SOS-Kinderdorf ein „Mutter-Kind-Zentrum“ für schwangere Frauen und Mütter mit Babys und Kleinkindern auf der Flucht in Lwiw und fünf Sozialzentren eröffnet sowie ein mobiles Team für psychosoziale Unterstützung geschaffen.
Die Hilfe wurde schnell auf bestehende Kinderdorfprogramme in weiteren europäischen Ländern ausgeweitet. SOS-Kinderdorf bietet mehreren Tausend Kindern und Erwachsenen unter anderem in Polen, Rumänien, Tschechien und Litauen Unterbringungsmöglichkeiten, materielle und psychosoziale Unterstützung sowie medizinische Versorgung. Auch in Deutschland hat SOS-Kinderdorf mit Sofortmaßnahmen reagiert. Die SOS-Einrichtungen stellen kurz- und langfristig Wohnraum für Frauen, Kinder und Familien bereit. Die Geflüchteten erhalten zudem psychologische Hilfe und werden von Sprachvermittlern und SOS-Mitarbeitenden im Alltag unterstützt.
Weitere Informationen: https://www.sos-kinderdorf.de/portal/spenden/wo-wir-helfen/europa/ukraine
Beispiele: Mehr als 6.500 Euro hat das Germeringer Carl-Spitzweg-Gymnasium (Bayern) gesammelt – unter anderem mit der Idee, die Schülerinnen und Schüler um eine „Taschengeldspende“ zu bitten. Außerdem wurden Peace-Buttons gefertigt und gegen eine Spende verteilt und nicht zuletzt gaben die Musiker der Schule ein Benefizkonzert, berichtet die Süddeutsche Zeitung. Die gesamten Einnahmen gingen dann an SOS-Kinderdorf.
Solidaritäts-T-Shirts hat das Gymnasium am Kattenberge in Buchholz (Niedersachsen) gestaltet und zum Selbstkostenpreis sowie gegen eine Spende von 10 Euro angeboten. „Die Aktion soll ein Zeichen gegen den Krieg und ein Zeichen der Solidarität mit der Ukraine sein“, zitiert das „Hamburger Abendblatt“ den stellvertretenden Schulleiter Fabian Hammerschmidt. In dem Bericht werden zudem die Schülerinnen und Schüler der Grundschule Pattensen genannt. Sie sind durch den Ort gezogen, haben an den Türen geklingelt und selbstgebastelte Papiertauben, Postkarten oder blau-gelbe Freundschaftsbänder gegen eine Spende verschenkt. Nicht zuletzt wird über die IGS Winsen-Rydorf berichtet, die eine weitere kreative Idee hatte: Die Schüler konnten sich gegen eine Spende von einigen Oberstufenschülern zeichnen lassen. Die Papierfigur wurde anschließend in die Pausenhalle gehängt, wo sich alle Figuren zu einer „Papierdemo“ gegen den Krieg zusammenfanden.
„Daran kann man sehen, zu welch einem großartigen Ergebnis einzelne Gedanken und Ideen führen können“
Ein Zeichen setzen und dabei Geld sammeln – dieses Ziel hatten sich auch die Schulgemeinschaft des beruflichen Schulzentrums an der Wormser Straße in Weinheim (Baden-Württemberg) gesetzt. Die dortige Kunst-Pädagogin Uta Weiner hatte in ihrem Unterricht mit den Schülerinnen und Schülern 1.000 Kerzenhalter aus Beton gegossen und gestaltet. Diese Halter wurden dann gegen Spenden abgegeben und Ende Mai frühmorgens vor Schulbeginn mit einer brennenden Kerze bestückt und auf dem Schulhof aufgestellt. Zu diesem Lichtermeer wurden auf einer Leinwand Bilder aus der Ukraine vor Kriegsbeginn gezeigt und von Lehrkräften und Schülerschaft Texte zum Thema Krieg und Frieden vorgetragen, schreiben die Weinheimer Nachrichten.
Pfandflaschen sammelten dagegen die Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule Lauenburgische Seen (Schleswig-Holstein) auf Initiative ihrer Lehrerin Christine Grützmacher ein. In wenigen Tagen hatten sie mehr als 2750 Flaschen beisammen. Das Pfandgeld sowie die Einnahmen aus einem Kuchenverkauf und einem „Fensterkonzert“ spendeten sie anschließend für die Unterstützung von ukrainischen Kindern und Jugendlichen. Die Schüler seien mit großem Eifer dabei gewesen und hätten die verschiedenen Aktionen innerhalb von wenigen Tagen auf die Beine gestellt, lobte Schulleiter Henning Nitz. „Daran kann man sehen, zu welch einem großartigen Ergebnis einzelne Gedanken und Ideen führen können“, zitiert ihn herzogtum-direkt.de
Auf die sportlichen Fähigkeiten setzt das Rhön-Gymnasium in Kaltensundheim (Thüringen). Die Charity AG plant für Mitte Juni ein Sportturnier, bei dem die Lehrerinnen und Lehrer sowie die Schülerinnen und Schüler ihr Können in Volleyball, Fußball und 2-Felderball unter Beweis stellen sollen. Tickets für die Veranstaltung kosteten 2,50 Euro und können in der Schule erworben werden. Die Einnahmen sollen ebenso wie die Einnahmen durch Getränke- und Essensverkauf während des Turniers an die Ukraine gehen. Bereits im März hatten die beiden Russischlehrerinnen der Schule eine Spendenaktion gestartet und einen Kuchenverkauf ins Leben gerufen, dessen Erlös an die Ukraine gespendet wurde. Eine Idee, die zwar auch nicht neu ist, aber dafür sehr erfolgsversprechend. Und genau aus diesem Grund wurde sie auch an unzähligen Schulen umgesetzt, um den Erlös zugunsten von Menschen aus der Ukraine zu spenden.
Und die Hilfe wird dort dringend benötigt. „Danke an alle, die der Ukraine beistehen und ihre Solidarität zum Ausdruck bringen. Danke an die Menschen, die unterstützen“, sagt Darya Kasyanova, Leiterin der Programmentwicklung von SOS-Kinderdorf Ukraine. Sie betont: „Die Kinder und Familien in der Ukraine brauchen ihre Hilfe. Das was hier in der Ukraine und in Europa geschieht, ist die Hölle. Ich möchte, dass jeder weiß, dass wir in der Hölle sind.“ News4teachers