Fehlende Impulskontrolle: Wie Lehrkräfte Schülerverhalten besser verstehen und mit Regelverletzungen umgehen können

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BERLIN. Knallende Türen, vorschnelle Kommentare, Verweigerung bei der Durchführung von Aufgaben, Reinrufen im Unterricht – welche Lehrkraft kennt das nicht? Das Spektrum, wie sich fehlende Impulskontrolle äußert, ist groß: angefangen von Verhaltensweisen wie beispielsweise Eingeschnapptsein, übers Weinen, Beschimpfen, Zerstören von Gegenständen, Schlagen, bis hin zum am äußersten Ende des Spektrums selbstverletzendem Verhalten, zu Gewalttaten, Kleptoma­nie und exzessiven Alkohol-  oder Drogenkonsum. Unsere Gastautorin, die Berliner Sonderpädagogin Anna Mehlhorn, hat unlängst ein Buch zum Thema veröffentlicht.

Für Lehrkräfte ist der Umgang mit Schülern ohne Impulskontrolle oft sehr herausfordernd. (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

Fehlende Impulskontrolle im Klassenzimmer: Was verbirgt sich dahinter – und wie geht man am besten damit um?

Impulskontrolle beschreibt die Fähigkeit, eine Handlung auf einen bestimmten Reiz zu stoppen, um über mögliche Konsequenzen nachzudenken. Nicht allen Schüler*innen fällt dies leicht und sowohl im Schulalltag als auch im familiären Umfeld scheint das Kontrollieren der eigenen Impulse häufig eine große Challenge. Für Lehrkräfte ist der Umgang mit dem Verhalten oft sehr herausfordernd und ganze Unterrichtssequenzen können durch einzelne Schüler*innen auf den Kopf gestellt werden.

Dabei gibt es zahlreiche Situationen in der Schule, in denen Impulskontrolle notwendig wird. Sich melden und abwarten, ruhig mit dem Arbeiten beginnen, Verhaltensweisen seiner Mitschülerinnen und Lehr­kräfte respektieren, sich auf dem Pausenhof an die Spielregeln halten, im Klassenrat an­dere Meinungen akzeptieren und im Musikunterricht erst dann auf dem Schlagzeug spielen, wenn es erlaubt wird – das sind nur einige Ereignisse, die Schüler*innen mit Schwierig­keiten in der Impulskontrolle herausfordern.

Autorin und Buch
Anna Katharina Mehlhorn ist Sonderpädagogin und Lehrerin mit den Schwerpunkten emotionale und soziale Entwicklung, Autismus und Lernen in Berlin. Die Inklusion benachteiligter Kinder und Jugendlicher liegt ihr dabei besonders am Herzen. Schon im Studium an der Universität Leipzig begann sie Ideen zur Förderung der Impulskontrolle von Jugendlichen zu entwickeln und wissenschaftlich zu evaluieren. Ihr Buch „Impulskontrolle bei Jugendlichen: VollControl – Training für Psychotherapie, Beratung und Schule“ ist im Beltz-Verlag erschienen. Hier lässt es sich bestellen (kostenpflichtig).

Um das Erscheinungsbild besser verstehen, einordnen und letztendlich auch besser mit den betroffenen Schüler*innen umgehen zu können, lohnt sich – neben einer Analyse der individuellen Voraussetzungen und der Umgebung – ein Blick in die Theorie zu Behandlungsmöglichkeiten und Vorstrukturierung von Lerngelegenheiten.

Hinter fehlender Impulskontrolle verbergen sich neurochemische, biologische/genetische und psycho-soziale Fak­toren. Aber auch andere Defizite und Schwierigkeiten, wie beispielsweise kognitive Überforderung, Schwierigkeiten andere Perspektiven einzunehmen und eigene Bedürfnisse zu äußern, können zur Frustration und damit auch zu impulsiven Verhaltensweisen führen. So vielfältig wie die Ursachen für dieses Verhalten sein können, so vielfältig sind auch die Folgen, die fehlende Impulskontrolle mit sich bringt. Nicht nur der schulische und soziale Erfolg im Jugendalter wird erschwert, sondern auch langfristige Folgen zeigen sich im Erwachsenenalter. Schlechtere ökonomische Ausgangspositionen, schlechterer Gesundheitszustand, mehr kriminelle Straftaten sind nur einige der in ausführlichen Studien (Moffit et al., 2011) zu fehlender Selbstkontrolle erforschten Konsequenzen.

Glauben Sie an Erfolge! Konzentrieren Sie sich auf die positiven Seiten und Ressour­cen der Jugendlichen und Kinder!

Die gute Nachricht ist, dass Impulskontrolle als Teil der Inhibition wie ein Muskel trainiert werden kann. Dazu gibt es Strategien, wie SchülerInnen lernen können, ihre Handlungen zu überdenken und Impulse zu kontrollieren – ausgehend von Selbstbeobachtung, Spiegelung und Reflexion des Verhaltens bis hin zur Gestaltung einer förderlichen Umgebung für die betroffenen Schüler*innen.

Neben einer strukturierten Lernumgebung, Transparenz im pädagogischen Handeln, Empathieförderung, der Schaffung von Freiräumen und dem Ermöglichen von Bewegungssituationen eignen sich kreative therapeutische Formen, um zu lernen, eigenen Emotionen Ausdruck zu verleihen. Wie bei allem gilt: Prävention kommt vor Intervention. So ist es wichtig, eine Umgebung für die Schüler*innen zu schaffen, in der impulsives Verhalten gar nicht erst zum Tragen kommt. Kinder und Jugendliche wollen genau wie jeder andere ernst genommen werden, mit all ihren Belangen und Bedürfnissen. Das Ausrichten auf die Ressourcen und Ermöglichen von Erfolgssituationen kann dabei wahre Wunder bewirken. Der Fokus sollte also auf den ressourcenorientierten Fragen liegen:

Was kann der Schüler? Wo liegen seine oder ihre Interessen? Wo kann man ansetzen ohne zu über- oder unterfordern?

Jemand der sich in seiner Umgebung sicher und kompetent fühlt, wird weniger Verhaltensauffälligkeiten zeigen. Das Aufstellen eigener Ziele, Selbstreflexion und letztendlich das Erleben eigener Selbstwirksamkeit stellen entscheidende Faktoren in der Förderung von Impulskontrolle dar und sollten zu einem festen Bestandteil im Schulalltag werden, davon werden nicht nur Schüler*innen mit Schwierigkeiten in der Impulskontrolle profitieren. Eine digitale Hilfe bietet die kostenlose Webseite www.control-it-reflexion.de. Hier können schnell, effektiv und schülernah Ziele überprüft und ausgewertet werden. Wichtig ist dabei, dass die Ziele erreichbar bleiben und Erfolgserlebnisse möglich werden.

Weiterhin können die Schüler*innen Strategien erlernen, wie sie ihre Impulse besser kontrollieren können. Eine Möglichkeit ist das Erlernen der Selbstverbalisationstechnik, hierbei geht es vorrangig um die Ablenkung im ersten Schritt und – im zweiten – um das Überdenken der Handlungswahl. Der Schüler führt dabei eine Art Selbstgespräch in Gedanken. Beispielsweise kann der Schüler, nachdem er einen Auslöser erkannt hat, auf eine Karte mit entsprechender Handlungsanweisung oder beispielsweise einem witzigen Bild schauen, um sich einerseits abzulenken und andererseits an eine Strategie, wie beispielsweise tief durchatmen oder von 10 bis 0 runterzählen, zu erinnern.

Die Kapazitäten des Gehirns von Schüler*innen mit Schwierigkeiten in der Impulskontrolle sind in einigen Situationen deutlich überlastet. Leistungsdruck, Zeitdruck, Stress, eine immense Reizüberflutung und Anpassung an sozial geforderte Normen sind nur einige der zu nennenden Faktoren, die Betroffene beeinflussen. Phasen der Entlastung und Entspannung sind demnach nicht zu vernachlässigen. Häufig berichten Jugendliche mit Schwierigkeiten in der Impulskontrolle, dass sie in konfliktgeladenen Situationen einfach ihre Ruhe benötigen, um sich wieder »einzukriegen«. Bei manchen sind fünf Minuten allein vor die Tür gehen ausreichend, andere wollen mindestens eine halbe Stunde allein in einem Zimmer verbringen und auf keinen Fall in dieser Zeit angespro­chen werden. Im Schulalltag können Entspannungszeiten etabliert werden, manche Kinder oder Jugendliche lassen sich auch gern auf altersangemessene Entspannungsgeschichten ein.

Arbeiten Sie multiprofessionell zusammen! Gemeinsam kann man mehr bewirken!

Ein weiterer Ansatz ist es, das »Win-Win«-Denken im Alltag zu integrieren. Der Ansatz wird von Stephen Covey (2020) geprägt. Das Konzept von Win-Win-Si­tuationen beinhaltet ein Ergebnis, eine Lösung zu finden, mit der beide Seiten zufrieden sind und aus der alle einen Nutzen ziehen können. Dazu ist es wichtig, dass das Gegenüber als Verhandlungspartnerin respektiert wird, deren Interessen und Vorstellungen berücksichtigt werden. Am Ende sollte ein Ergebnis stehen, aus de­nen beide Parteien einen Nutzen ziehen können. Anders als bei Lose-Win-, Lose-Lose-oder Win-Lose-Situationen können dadurch langfristige und nachhaltige Erfolge auf beiden Seiten entstehen.

Damit die erlernten Strategien Frucht tragen können, ist es wichtig, dass der Jugendliche nach der Durchführung der Förderung weiter betreut wird, dass die Reflexion weiter ausgebaut wird und dass der Schüler in seiner Um­gebung mit neu erlernten Verhaltensmustern bestärkt wird, dass er in seiner Persönlichkeit angenommen wird und Selbstwirksamkeit erfährt. Selbstwirksamkeit mit anschließender Selbstverstärkung wird gefördert durch das Thematisieren und Erfahren vom Ausmaß eigenen Handelns: Meine Aktionen haben Wirkungen, es gibt Konsequenzen und ich kann selbst wählen, für welchen Weg ich mich entscheide. Es gibt Förderprogramme, die sowohl in der Schule als auch in Therapien umgesetzt werden können.

Vielleicht zeigt sich ein Erfolg nicht un­mittelbar, aber das Beschäftigen mit der eigenen Impulsivität und Impulskontrolle wird langfristig Folgen haben und Selbstreflexion ist wichtig für die persönliche Weiterent­wicklung.

Zum Abschluss noch ein paar Tipps für das pädagogische Handeln im Überblick:

  • Seien Sie nicht nachtragend! Nach einer Thematisierung von Problemen sollten dem Kind oder Jugendlichen erst einmal Zeit und dann neue Chancen gegeben werden.
  • Glauben Sie an den Schüler und seine Fähigkeiten und fokussieren sie die klei­nen Erfolge! Die Zeit der Förderung soll zwar als Aufarbeitung und zur Reflexion von Konflikten dienen, nicht aber zur Schuldzuweisung oder Erniedrigung. Ziel der Förde­rung ist es, dass der Betroffene seine eigene Selbstwirksamkeit durch die Anwendung der Methoden erleben und selbstbewusst aus der Förderung heraus gehen kann.
  • Glauben Sie an Erfolge! Konzentrieren Sie sich auf die positiven Seiten und Ressour­cen der Jugendlichen und Kinder. Bleiben Sie hartnäckig und geben Sie nicht gleich bei dem ersten Gegenwind auf.
  • Glauben Sie an Ihre pädagogischen oder therapeutischen Fähigkeiten, gestehen Sie sich aber auch ein, wenn Ihr Handlungsspielraum an die Grenzen gerät und zusätzliche Hilfe nötig wird!
  • Arbeiten Sie multiprofessionell zusammen! Gemeinsam kann man mehr bewirken. News4teachers

Auffälliges Verhalten von Schülern: „Es gibt Kinder, die halten schlichtweg andere Kinder nicht aus“ – ein Experten-Interview

 

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Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor

Ich habe akute Probleme mit meiner Impulskontrolle, fehlt mir etwas?

simmiansen
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dil Uhlenspiegel

„Die Zeit der Förderung (!) soll … als Aufarbeitung und zur Reflexion von Konflikten dienen.
… Arbeiten Sie multiprofessionell zusammen.“

Auch ich musste gerade dem dringenden Drang nachgeben, laut und verzweifelnd aufzuheulen!
Was da nicht alles im Elfenbeinturm abgeht!

Martina
1 Jahr zuvor

Ratschläge, wie Lehrer etwas besser machen können oder sollen, hängen mir so langsam zum Hals heraus.
Ratgeber und Besserwisser sollten in die Schulen gehen und dort ihre schlauen Tipps in die Tat umsetzen. Sie sollten andere bei sich hospitieren lassen und zeigen wie’s geht. Schlau reden können viele, beser machen nur wenige.
Ich glaube so langsam, dass Eltern, Lehrer und Erzieher von Ratgebern mehr verunsichert als sicherer gemacht werden. Kein Kind ist wie das andere und keine Kindergruppe wie die andere.
0/8/15-Ratschläge sind darum mit Vorsicht zu genießen.
Schulpraxis und Umgang mit Kindern sind die besten Lehrmeister und Ratgeber. Leider dauert diese Lehrelänger als das Lesen eines schlauen Artiklels.

Lera
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

Martina hat – beruflicher Status der Autorin hin oder her – dennoch einen Punkt:

Wenn wir eins ganz bestimmt nicht mehr brauchen, dann sind es Ratgeber. Der Stein der Weisen wird nicht gefunden werden, es gibt keine einfachen Antworten auf komplexe Probleme – und die Situation der Lehrer ist mit „komplex“ noch sehr zurückhaltend umschrieben.

Gute Ideen, Materialien, Aufgaben: immer gerne.

Kalenderweisheiten: stehen schon in meinem Kalender.

Wolfi
1 Jahr zuvor
Antwortet  Lera

Ich war 25 jahre lang Lehrer in verschiedenen Oberschulen. Ich hatte immer wieder mit Schülern zu tun, die sich nicht an Regeln halten konnten oder nicht wollen. Ich empfand es immer als hilfreich, wenn es Hinweise und Erfahrungsberichte von erfolgreichen Kollegen gab. Dafür war ich dankbar.

Küstenfuchs
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

Trotzdem ist das Schlaumeiertum, was mit der Realität recht wenig zu tun hat. Das betrifft sowohl die eigenen zeitlichen Ressourcen als auch die personellen Ressourcen an der Schule.

Emma
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

Was die Autorin beschreibt ist gut und richtig, gehört meines Wissens nach aber in den therapeutischen Bereich.
Dieser Bereich kann und muss nicht von den Lehrkräften gestemmt werden. Besonders während des Unterrichts ist das durch die unterrichtende Lehrkraft nicht kontinuierlich leistbar. Und Kontinuität wäre hier dringend erforderlich.
Auch die Sonderpädagogen unserer Schule werden vorrangig für den Vertretungsunterricht verbraten und hätten nicht im Ansatz die Chance, so zu arbeiten.
Daher hat die Autorin entweder sehr gute Rahmenbedingungen oder sie arbeitet nicht mehr aktuell.
Der Hinweis auf den Elfenbeinturm ist gar nicht so falsch. LG

Alla
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

Danke für den Hinweis.
Ich hatte den Abschnitt mit der „Zeit der Förderung“ in diesem Zusammenhang nicht verstanden.
Ist wohl so ein Sonderschulding, oder?
Unsere Sonderschullehrkraft ist für SE (sozial-emotionale) Defizite nicht zuständig/ausgebildet. Die SSA holt sich die Kinder schon mal zum Gespräch, wenn sie da ist.
Im akuten Fall habe ich meist festgestellt, dass man die Kinder in Ruhe lassen muss! Eine Rückzugsmöglichkeit für das Kind ist toll. Da wir so einen Raum nicht haben und es auch an einer Aufsicht mangeln würde, habe ich in der Klasse eine kleine Ecke (1m2) vor dem Klassenschrank mit meinem Paravent und einem Sitzpolster abgeteilt, in die sich das Kind flüchten kann.

fabianBLN
1 Jahr zuvor
Antwortet  Alla

Unsere Sonderpädagogin ist auch eher so „super-susi-sanft“. Sie macht nur SPF-Stunden, also Einzelfallbetreuung. Wenn sie mal eine Stunde in einer Klasse vertreten soll, geht es drunter und drüber.

So viel zum Thema selbst Lehrerin und eigene Erfahrungen.

TaMu
1 Jahr zuvor

Hat jemand irgend eine Ahnung, wieviele der Anwesenden in einem Klassenzimmer inklusive Lehrkraft freiwillig, wirklich gerne und so richtig freudig motiviert anwesend sind? Vielleicht sollte man sich mal ehrlich machen, dass vermutlich nur ein verschwindend geringer Personenkreis Ja ankreuzen oder die Hand heben würde, in vielen Fällen wäre vermutlich die Lehrkraft bei der größeren Gruppe. Wenn man über Impulskontrolle reden oder damit arbeiten möchte, muss man sich doch den allgemeinen Zustand der Anwesenden bewusst machen. Wenn keiner mehr Lust hat, alle frustriert sind, durchgefroren oder nass geschwitzt in entsprechenden Räumen, durch Unruhe und Müdigkeit gestresst, die letzten beiden Stunden und morgen dasselbe und übermorgen auch und das noch jahrelang, dann ist doch gerade der/die mit der gestörten Impulskontrolle die Person, die auf den Elefanten im Raum zeigt, den niemand sehen darf. Wie entlarvend, dann „mit dieser Person zu arbeiten“, damit sie sich wieder anpasst. Warum nicht benennen lassen, was gerade alles nervt, wie sehr man selbst und alle hier ko sind und wie ausweglos dieser Job ohne Kündigungsmöglichkeit ist- außer für die Lehrkraft, die meistens auch nur theoretisch die Möglichkeit hat. Aber gar nicht weg dürfen, Tag für Tag Anwesenheitspflicht, jahrelang, und dabei Leistung bringen müssen, trotz heftiger Entwicklungsphasen von 6 bis 18 Jahren, die politische Lüge vom Lebensort Schule, die so unglaublich wichtig ist für die psychische Gesundheit und dann auch noch Impulskontrolle… da müsste es tatsächlich Ruheräume geben und Bewegungsmöglichkeiten, kleine Fluchten innerhalb der Schule, um den Druck raus zu nehmen.
Ach je. Was träume ich da…

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  TaMu

Der größte Elefant wird zu wenig erwähnt: wer als Kleinkind sofort jeden Wunsch erfüllt bekommt, kann als Jugendlicher die Impulse nicht kontrollieren. Sprich, die Eltern müssen von Anfang an dem Kind Geduld und die Bedeutung des Wortes Nein beibringen. Mit Eintritt in die Grundschule ist da schon nicht mehr viel machbar.

E.S.
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

Ist die Schulpädagogik nicht auch schon längst auf dem unseligen Pfad bequemer Wunscherfüllung?
Sowohl Eltern wie auch Lehrern wird doch seit Längerem von sogenannten „Experten“ geraten, die Kinder nicht einzuengen, ihr Selbstbewusstsein und ihre freie Entfaltung zu fördern. Offizielle Schlagworte dazu sind: „Selbstbestimmtes Lernen“ oder „Selbstorganisiertes Lernen“.
Was ist das anderes als das, was Sie zu Recht kritisieren?

StrichVorPunkt
1 Jahr zuvor
Antwortet  E.S.

Selbstorganisiertes Lernen bedeutet nicht „ich mache nur das, worauf ich Bock habe.“
Individualisierung ist nicht verkehrt. Die Frage ist eher, ob das System dies bedienen kann. Die hierfür benötigte Unterrichtsqualität wird häufig nicht geboten.
Gleichschrittiges Lernen ist genauso wenig erfolgreich.

Luk
1 Jahr zuvor
Antwortet  E.S.

Ja, so ist das mit tollen Ratschlägen ausgewiesener „Fachleute“. Deren empfohlene „Laissez-faire-Methode“ für alle Erzieher hat ein Unheil angerichtet, wie es kaum größer sein könnte.
Hier gab es doch schon mal einen sehr guten Artikel dazu. Wenn ich nicht irre, war seine Überschrift „Erziehung zu kleinen Tyrannen“ und die Autorin war eine Psychologin aus Österreich. Vielleich kann die Redaktion noch einmel auf diesen Artikel verweisen.

Luk
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

Vielen Dank!!

kanndochnichtwahrsein
1 Jahr zuvor
Antwortet  TaMu

Richtig!
Wir haben im Unterschied zu den Schülern – leider – sogar gelernt, unsere Träume zu kontrollieren, sie mit der Wirklichkeit abzugleichen und am Ende festzustellen, dass man diese Impulse besser kontrolliert, weil man sonst vollends verzweifelt!

Ein Impuls lässt sich allerdings auch von Lehrkräften bei sich selbst nur schwer kontrollieren: den dringenden Impuls, den Raum/die Schule zu verlassen, an die frische Luft zu gehen, in den Schatten, in ein geheiztes Lehrerzimmer – sich einer Situation zu entziehen, die für alle Beteiligten nichts Freiwilliges hat und in der Schönes in aller Regel nur „Schöngeredetes“ ist.

Wie oft reden wir uns den Tag schön, indem wir uns vergegenwärtigen, dass Heini oder Marie heute nur fünf Mal statt wie üblich sieben Mal in der Stunde ausgerastet sind.
Die Illusion, dass es an unseren pädagogischen Fähigkeiten und Möglichkeiten läge, haben wir dabei nicht. Eher lag es daran, dass die Familie die Nacht durchgemacht hat, die Temperaturen über 35 Grad stiegen, die Heizung ausgefallen und die Kinder verfroren eingemummelt waren, sie zum Frühstück einen halben Liter weniger Cola getrunken oder zu viele Chips gegessen hatten oder Heini oder Marie einfach nur fertig waren und nicht mal mehr gegen ihre Zwangslage in der Schule aufbegehren konnten…

Schule ist kein Lebensort!
Sie könnte es sein, wenn die Bedingungen stimmen würden…

Ich wage zu behaupten, dass Schule zur Zeit nur stattfinden (nicht „funktionieren“) kann, weil 95 Prozent der Beteiligten ihre Impulse extrem unter Kontrolle haben und eben nicht die Klamotten hinschmeißen, obwohl alle Beteiligten jeden Grund dazu hätten.

TaMu
1 Jahr zuvor

Das ist so traurig und so wahr. Ich wünschte so sehr, es würde wenigstens nicht politisch schön geredet, damit die Kinder in Massen in der schön geredeten Schule Vollzeit bleiben dürfen, damit das „Betreuungsproblem“ gelöst ist.

Küstenfuchs
1 Jahr zuvor

Jaja, die ganze multiprofessionelle Zusammenarbeit. Wovon redet die?

DerechteNorden
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

Unsere Schulpädagog*innen sind zu wenige, als dass man tatsächlich immer so arbeiten könnte. Ich schätze mal, das Verhältnis beläuft sich auf 1:10, wenn alle Pädagog*innen im Haus sind. Über Schulpsycholog*innen mag ich gar nicht nachdenken. Die sind ja extern und für einen Landkreis zuständug … Eben, kaum erreichbar und somit sind multiprofessionelle Teams eher ein Wunschtraum als eine Möglichkeit. Bitter, aber Realität.

fabianBLN
1 Jahr zuvor
Antwortet  Küstenfuchs

Ich erlebe vor allem, dass kein Lehrer Lust hat, sich mit den tausend täglichen Streitfällen und Störungen zu beschäftigen. Das wird bestenfalls an Klassenlehrer oder Schulleitung „weiterdelegiert“. Die sollen machen, dass sich das Kind in meinem Unterricht benimmt und nicht nervt.

DIESE Haltung nehme ich ganz massiv wahr. DIE ist meiner Meinung nach der Hauptgrund, wenn Lehrer mit Kindern nicht klarkommen.

KARIN
1 Jahr zuvor
Antwortet  fabianBLN

Unsere Aufgabe ist die Vermittlung von Stoff und nicht die Fehler, welche im Elterhaus bei der Erziehung gemacht wurden, mit den Kindern im Unterricht auszutragen, da jedes Kind meint er wäre der Prinz oder sie die Prinzessin und jeder tanzt nach ihrer Pfeife!

Unverzagte
1 Jahr zuvor

Der Appell „multiproffessionell zusammen zu arbeiten“ klingt ein bisschen ironisch in Zeiten des chronischen Mangels an KuK.
Ansonsten verweist die Sonderpädagogin durchaus auf diverse weiterführende Umgangsmöglichkeiten mit originellen Verhaltensweisen.
Als einstige Lehrerin von bevorzugt schwierigen Klassen war da jedoch nicht wirklich Neues dabei. Ihre aufgeführten Maßnahmen praktizierten wir schon vor ca. fünfzehn Jahren…

Rike
1 Jahr zuvor

Das ist doch wirklich die Krönung: „ andere wollen mindestens eine halbe Stunde allein in einem Zimmer verbringen und auf keinen Fall in dieser Zeit angespro­chen werden“ – wie soll das denn in der Praxis gehen? In welchem leeren Raum? Bei uns sind ALLE Räume ständig besetzt! Und wer sichert die Beaufsichtigung? Der Jugendliche könnte sich ja was antun…oder irgendwelchen Blödsinn veranstalten: Handy, Filmchen, im Internet posten. Oder auf dem Klo- und dann warten, bis der beste Kumpel kommt, sich gemeinsam ne schöne Zeit machen und über die Lehrkraft lachen, die so schön einfühlsam ist und einem bisschen Zeit zum Chillen gibt. Womit wir gleich beim nächsten Punkt wären: „Im Schulalltag können Entspannungszeiten etabliert werden“ – dazu fallen mir so viele Bemerkungen ein, leider alle ziemlich zynisch, was ich sonst gar nicht bin. Das passt wieder zur Schule als Lebensraum.
Ich möchte dann bitte auch mal entspannen dürfen (oder wenigstens in meiner Pause ungestört mein Brot essen dürfen, damit wäre ich schon zufrieden).
Ich glaube der Frau ja, dass sie als Lehrerin eine Menge Erfahrungen hat, aber diese sind so trivial, da muss man doch nicht gleich einen Ratgeber darüber schreiben. Für viele von uns ist der Umgang mit pubertierenden Jugendlichen doch tägliches Geschäft.

Teacher Andi
1 Jahr zuvor
Antwortet  Rike

Ein weiteres Beispiel dafür, dass Wissenschaft/Ideologie von der Realität auf den Boden geholt wird. Die Umsetzbarkeit ist von vielen Facetten abhängig, und die werden in diesen „Studien“ so gut wie nicht berücksichtigt.
Davon abgesehen: Was ist ein Kind mit fehlender Impulskontrolle? Ist das angeboren und muss therapiert werden oder ist das tatsächlich der Erziehung geschuldet? Dass Lehrer neben ihrem Unterricht und zahlreichen Nebenfunktionen nun auch noch als Therapeuten fungieren sollen, da unsere Gesellschaft so langsam am Rad dreht, das wird nicht funktionieren. Und schon gar nicht mit einer Fülle von wissenschaftlichen Studien, denen der Praxisbezug zuweilen völlig abgeht.
Es ist unglaublich, was Lehrer inzwischen alles stemmen und auffangen sollen. Das Kerngeschäft Unterrichten gerät nun wohl völlig in den Hintergrund.

Lehrerin
1 Jahr zuvor
Antwortet  Teacher Andi

„Glauben Sie an Ihre pädagogischen oder therapeutischen Fähigkeiten, gestehen Sie sich aber auch ein, wenn Ihr Handlungsspielraum an die Grenzen gerät und zusätzliche Hilfe nötig wird!
Arbeiten Sie multiprofessionell zusammen! Gemeinsam kann man mehr bewirken.“

Schön theoretisch gesagt, aber: Lehrkräfte sind keine Therapeuten, können und sollen es auch nicht sein – ihre Aufgabe ist wahrhaftig eine andere, nämlich guter Unterricht, der alle ihre Schüler zur Weiterentwicklung befähigt. Was in all diesen Berichten immer vergessen wird, das sind die Mehrheiten von „durchschnittlichen“, „normalen“ Schülern, die einfach lernen wollen und können, die einigermaßen wissen, wie man sich sozialkompetent verhält, und die oft mit ihrer Geduld sehr viel ertragen müssen. Deren Rechte auf ungestörtes Lernen, auf Weiterkommen, auf Zeit und Zuwendung der Lehrkraft werden so oft nicht gesehen, sogar torpediert durch einzelne Mitschüler, die alle Aufmerksamkeit der Lehrkraft auf sich ziehen – da sollte oder darf man nicht bis an die Grenzen des Unerträglichen gehen! Meist ist es auch so, dass sich die Eltern dieser lernwilligen Kinder eher nicht trauen, solche Probleme ihrer Kinder anzusprechen, weil sie nicht als unsolidarisch gelten wollen.
Ich denke, da müssen wir lernen, die Grenzen der Belastungsfähigkeit von Lehrern und Schülern zu sehen und wieder zu respektieren, auch wenn das bedeutet, Kinder mit extremen Verhaltensweisen in einer anderen, dafür geeigneteren Schule mit speziellen therapeutischen Möglichkeiten unterzubringen, bis sie sich in einer größeren Gruppe adäquat verhalten können. Niemand hat etwas davon, wenn am Ende alle sich kaputtmachen oder definitiv benachteiligt werden.

KARIN
1 Jahr zuvor
Antwortet  Lehrerin

Genau!

fabianBLN
1 Jahr zuvor

Das ist doch alle nicht neu. Mich würde interessieren, ob die Autorin selbst so als Lehrerin gearbeitet hat? Mich nerven die wohlfeilen Empfehlungen aus dem pädagogischen Elfenbeinturm. So kommen viele Lehramtsstudenten an die Schulen und scheitern an der Realität. Bis erfahrene Kollegen ihnen Tipps geben, wie man Schüler doch in den Griff bekommt. Ja, auch wertschätzend.

Pit2020
1 Jahr zuvor
Antwortet  fabianBLN

@fabianBLN

Und wie passt das jetzt zu Ihrem Post weiter oben, den ich als Zitat noch einmal am Schluss einfüge? (Ernst gemeinte Frage.)

„So kommen viele Lehramtsstudenten an die Schulen und scheitern an der Realität. Bis erfahrene Kollegen ihnen Tipps geben, wie man Schüler doch in den Griff bekommt.“
UND vgl. unten:
„Ich erlebe vor allem, dass kein Lehrer Lust hat, sich mit den tausend täglichen Streitfällen und Störungen zu beschäftigen.“

„fabianBLN
10 Stunden zuvor
Antwortet  Küstenfuchs
Ich erlebe vor allem, dass kein Lehrer Lust hat, sich mit den tausend täglichen Streitfällen und Störungen zu beschäftigen. Das wird bestenfalls an Klassenlehrer oder Schulleitung „weiterdelegiert“. Die sollen machen, dass sich das Kind in meinem Unterricht benimmt und nicht nervt.
DIESE Haltung nehme ich ganz massiv wahr. DIE ist meiner Meinung nach der Hauptgrund, wenn Lehrer mit Kindern nicht klarkommen.“

Andre Hog
1 Jahr zuvor

Erinnert mich doch bzgl der Zielsetzung und der Handlungs- bzw Kognitionsschritte sehr stark an das „Trainingsraumprogramm“, das ich mit Stefan Balke bereits 1996 entwickelt habe und das wir dann in den Folgejahren an zahlreichen Schulen in Deutschland implementiert haben.
Ein entscheidender Unterschied ist tatsächlich die Programmhaftigkeit, die einen organisatorischen Rahmen zum Umgang mit Unterrichtsstörungen gesetzt hat.

Gerne mal ergooglen und sich nen Eindruck verschaffen, wenn gewünscht.

Last edited 1 Jahr zuvor by Andre Hog
Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor
Antwortet  Andre Hog

TR-Methode fiel mir auch gleich ein. Habe das in ähnlicher Weise im Ausland mal als feste Institution innerhalb der Schule erlebt (in school suspension room), wenn da auch nicht unbedingt die Selbstreflexion immerzu an oberster Stelle stand. Aber beide m.E. recht solide Ansätze verlangen eine Struktur und Planung in der Schule, einen Raum und Geld und Stunden usw. und, man merkt es schon, ja das merken wir doch gleich (!), das geht doch billiger, haha, z.B. durch den Suuuuuperlehrer, der es nebenbei erledigt, vgl. diverse Theoretiker-Studien, Fobi-Vagabunden und Wagenladungen von Selbsthilfe-Büchern aus der Pädagokitsch.

Alla
1 Jahr zuvor

Als GS Lehrerin mit 42 Jahren Berufserfahrung lehne ich mich jetzt mal gaaanz weit aus dem Fenster.

Mangelnde Impulskontrolle kann etwas damit zu tun haben, dass dem Kind zu Hause fast jeder Wunsch erfüllt wird. Der DU, besonders die Videokonferenzen, ermöglichten mir sehr interessante Einblicke in das Familienleben…. Aber hier geht es eher darum, Resilienz aufzubauen, also „geschenkt“!

Ich sehe allerdings 4 Gruppen von SuS, deren fehlende Impulskontrolle den Mitschülern und Lehrern das Leben schwer machen:

1. Autistische Kinder: diese brauchen viel Ruhe und eine verlässliche Umgebung. Sie sind mit der Enge, den vielen Menschen und den vielen Störungen in dem Klassenraum (hier quatscht einer mit dem Nachbarn, dort fällt etwas auf den Boden, dann redet auch noch ein Lehrer oder geht herum, verschiedene Gerüche usw) einfach komplett überfordert.

2. Pflegekinder: haben oft traumatische Erfahrungen gemacht, trauen niemandem, fühlen sich schnell angegriffen und „wehren“ sich dann.Hier braucht es viel Nachsicht der Klassenkameraden, was man als Lehrkraft möglicherweise beeinflussen kann.

Für Kinder dieser beiden Gruppen gibt es meist Schulbegleiter/Integrationshelfer, die sich ausschließlich um die Bedürfnisse dieses einen Kindes kümmern. Mein autistischer Schüler konnte im ersten Schuljahr keine 5 Minuten im Unterricht bleiben und nicht mit „Fremden“ sprechen. Während des Unterrichts ging er dann mit der Schulbegleitung auf den Flur, wo er sich in einem großen Umzugskarton verstecken konnte oder auf den Hof. In den Pausen blieb er in der Klasse. Er war 5 Jahre an der Schule und in Klasse 4 konnte er manchmal schon eine ganze Unterrichtsstunde in der Klasse verbringen und verständlich mit einigen Kindern reden. Selbst etwas lesen, schreiben und rechnen hat er gelernt!
Meine beiden Pflegekinder konnten nach 5 Jahren Hilfe durch gute Schulbegleiter sogar mit auf die Klassenfahrt, obwohl der Schulbegleiter nur 4 Stunden am Tag vor Ort war.

3. Kinder mit ADHS: für diese ist es wichtig, in eine ruhige, akzeptierende Klasse zu kommen. Eine Schulbegleitung wird nur selten bewilligt. Die übrigen SuS müssen stark gemacht werden, herausforderndes Verhalten dieser Kinder zu übersehen. Dazu müssen sie verstehen, dass diese Kinder oft nicht „filtern“ oder einordnen können und ihr Verhalten darauf einstellen.

4. Kinder mit schwierigen Familienverhältnissen : meist geht es um sog. „Rosenkriege“, also extrem schwierige Scheidungsdramen (die Eltern machen sich gegenseitig schlecht, kommunizieren nur noch über Anwälte, die Kinder werden alle paar Monate durch Familiengerichte befragt): Diese bräuchten einfach mal Ruhe und jemanden, der ihnen zuhört, sie nicht manipuliert und unter Druck setzt. Da wären Psychologen hilfreich, möglichst auch eine Familientherapie.

Im Schulalltag kommt natürlich auch das hinzu, was TaMu schon so gut beschrieben hat und selbst „Lämmchen“ zu „Löwen“ mutieren lässt: Eiseskälte oder Gluthitze im Klassenraum (NEIN, hitzefrei gibt es an Grundschulen nicht, Stichwort „Verlässlichkeit“). Enge, Lärm, Leistungsdruck, ständige Rücksichtnahme auf verhaltensoriginelle Mitschüler, oft nicht genügend Aufmerksamkeit zu bekommen, da die verhaltensoriginellen SuS sehr viel Lehrerzeit brauchen, die Einsicht, dass man sich der Situation nicht entziehen kann und dass sich viele SuS nicht an Regeln halten (müssen), ohne das diese deswegen außer Kraft gesetzt werden.

Cornelia
1 Jahr zuvor
Antwortet  Alla

Danke für diesen sehr klugen und differenzierten Beitrag!

Sowahr
1 Jahr zuvor
Antwortet  Alla

„Mangelnde Impulskontrolle kann etwas damit zu tun haben, …“
Da sehe ich eine weitere Gruppe von SuS, die vom Elternhaus nicht gelernt haben Rück-Sicht auf Mitmenschen und Regeln zu nehmen, weil die Eltern das schlichtweg nicht vorleben:
Familien mit Kinderwagen und Kindern gehen nebeneinander auf dem gesamten Gehweg,.so dass sich andere „verdünnisieren“ müssen? In den Öffis sitzen kleinere Kinder auf den Behindertenplätze und die Eltern schauen einen entgeistert an, wenn man diese auffordert Platz zu machen? An Haltestellen nehmen Teens die Sitzbank ein und schauen nur auf ihre Handys während die Eltern und ältere Personen daneben stehen? Eine Mutter mit Kinderwagen sitzt oder steht auf dem Behindertenplatz und kann einer alten gehbehinderten Person mit Rollator keinen Platz machen, so dass man befürchten muss, bei einem Bremsmanöver wird die Person hinfallen und einen schwerverheilenden Knochenbruch erleiden? Erlebe im Ausland immer wieder, dass es auch anders geht und bin angenehm überrascht, wenn Eltern ihre Kinder auffordern aufzustehen, damit eine ältere oder auch grauhaarige Person sitzen kann etc.
Anekdoten, ja, ebenso wie die vielen Elterntaxis, die auf dem Lehrerparkplatz oder im Halteverbot halten und parken, obwohl dort ein entsprechendes Schild steht oder sogar ein Polizist, der den Eltern ihr „Missverständnis“ erklären muss?
Wenn manche Eltern ihren „Impuls“ beherrschen würden, alles mögliche für sich und ihre Kids in Anspruch zu nehmen, würde es für manche SuS einfacher werden sozial verträgliche Lösungen zu finden.

Last edited 1 Jahr zuvor by Sowahr
Cornelia
1 Jahr zuvor
Antwortet  Sowahr

Das ist nun aber kein echtes Problem mit der Impulskontrolle, sondern Rücksichtslosigkeit, Gedankenlosigkeit oder Egoismus, je nachdem, wie man es nennen will.
Da hat jemand kein Problem mit dem Regellernen, sondern will diese nicht anwenden.
Vergleichbar mit Leuten, die gut rechtschreiben können, wenn sie wollen, aber es nicht für nötig halten nach dem Motto, „das ist ja nicht so wichtig“. Ärgerlich für die, die sich Mühe geben , obwohl ihnen das Regellernen schwer fällt.

Sowahr
1 Jahr zuvor
Antwortet  Cornelia

Impulskontrolle bedeutet „Emotionen und Handlungen zu steuern und die kurzfristige Befriedigung längerfristigen Ziele unterzuordnen.“
Rücksichtnahme und planvolles, sozialverträgliches Handeln inkl. die Einhaltung von „ungeschriebenen“ oder tatsächlichen Regeln zeigen, dass man Impulskontrolle gelernt hat. Eltern haben hier eine Vorbildfunktion und Kids können sie durch Nachahmung lernen oder auch nicht. Die genannten Verhaltensweisen sind nicht pathologisch, stimmt, aber symptomatisch.

Last edited 1 Jahr zuvor by Sowahr
Cornelia
1 Jahr zuvor
Antwortet  Sowahr

Trotzdem sind Kinder grundverschieden. Wer mehrere hat, weiß das. Was das eine Kind blitzschnell lernt, lernt das andere noch lange nicht. Und dafür muss es noch nicht einmal behindert sein. Ich möchte noch hinzufügen, dass viele Menschen mit chronischen Erkrankungen, auch Kinder, damit größere Probleme haben können.
Ich habe Sie auch gar nicht kritisiert. Mir ist aber einfach an dieser Stelle eine genaue Unterscheidung wichtig.

potschemutschka
1 Jahr zuvor
Antwortet  Sowahr

Mir sagte mal ein Psychologe: „Erziehung findet im Alter bis zu 5 Jahren statt. Danach wird es zur Umerziehung und das ist viel schwerer.“ Ich glaube, da ist etwas dran. Es gibt ja auch das alte deutsche Sprichwort: „Was Hänschen nicht lernt …“

Einer
1 Jahr zuvor

Manchmal hilft auch einfach der Gedanke, dass es anderer Leute Blagen sind und die Hoffnung, dass die eigenen Kinder „normal“ sind. Abgesehen von ihrem Status als Lehrerkinder.

Minna
1 Jahr zuvor

Autismus und Aufmerksamkeitsdefizite äußern sich bei Mädchen gerne anders, da finde ich es überhaupt nicht hilfreich, dass hier zwar von Schüler*innen, aber im Singular nur von dem „Schüler“ gesprochen wird.
Mädchen haben dabei scheinbar genauso große Schwierigkeiten sich auf den Unterricht zu konzentrieren, stören jedoch tendenziell weniger. Vom Unterricht haben sie allerdings auch wenig.
Damit scheint der Lehrbetrieb allerdings weniger Probleme zu haben als mit der Störung, obwohl das Unvermögen mit lebenslangen Nachteilen im Leben einhergeht und die Störung ja auch als ein Symptom gewertet werden könnte, dass am Bedürfnis einiger Schüler*innen vorbei unterrichtet wird.
Für die Kinder, die gerade im sozialen Miteinander zu kämpfen haben, sind die Pausen übrigens keine, sondern im Gegenteil Schwerstarbeit. Wenn sie dann auch im Unterricht nicht klarkommen, sind sie natürlich überlastet.

KARIN
1 Jahr zuvor

Bis zu 30 Jugendliche in einem Raum, lauter Einzelkämpfer , jeder mit seinen eigenen Problemen, teilweise Ticks, Essstörungen, Egoisten, manche im Trotzalter hängengeblieben, mit Rechen – oder Leseschwäche, Panikattacken , Allergien o.Ä. und, und, und!
Dann soll noch Unterricht gemacht werden und jeder individuell gefördert und dort
abgeholt werden, wo er gerade steht!!!
Unsere Jugendlichen kommen größtenteils ohne Rucksack, Mäppchen und Papier in die Schule!
Fragen bei angekündigten Klassenarbeiten ob sie Papier brauchen?????? Und es gibt leider immer eine Person in der Klasse, welche dann ihren Block opfert um diesen Trantüten auszuhelfen.
Von mir bekommt niemand mehr Papier oder Stift geliehen!