Tag des Handwerks? Mehr Berufsorientierung? Hört endlich auf, die Lehrer zu überfordern! Ein Kommentar

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BERLIN. Ein „Tag des Handwerks“ für alle weiterführenden Schulen, wie ihn die bayerische Staatsregierung gerade beschlossen hat? Noch mehr Berufsorientierung in Verantwortung der Lehrkräfte, wie vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) aktuell gefordert? Hört endlich auf, der Schule alle gesellschaftlichen Probleme aufzubürden – und entlastet sie stattdessen, meint News4teachers-Herausgeber Andrej Priboschek im folgenden Kommentar.

Jedes gesellschaftliche Problem, das sich irgendwie mit Jugend verbinden lässt, wird den Schulen aufgebürdet. Illustration: Shutterstock

Es ist bezeichnend: Sobald jemand einen gesellschaftlichen Missstand feststellt, wird nach der Schule gerufen – die soll es richten. Dem Handwerk gehen die Fachkräfte aus? Es ist zweifellos misslich, wenn man wochenlang auf die Reparatur eines Wasserschadens warten oder noch im Mai mit Winterreifen herumfahren muss, weil die Werkstatt keine Kapazitäten frei hat. Aber liegt es in der Verantwortung von Lehrkräften, perspektivisch für Abhilfe zu sorgen? Die bayerische Staatsregierung beantwortet die Frage mit: ja, klar.

News4teachers-Herausgeber Andrej Priboschek, hier auf der Bildungsmesse didacta. Foto: Tina Umlauf

Sie hat entschieden: Alle weiterführenden Schulen im Freistaat sind ab dem kommenden Schuljahr verpflichtet, alljährlich einen „Tag des Handwerks“ zu veranstalten, um der Jugend die Vorteile der Branche nahezubringen. Also auch die Gymnasien, die nicht wirklich die Zielgruppe der Betriebe beschulen. Das wird sich kaum hopplahopp erledigen lassen: Die Aktion muss vorbereitet und organisiert und natürlich auch nachgehalten werden, wenn sie auch nur einen kleinen Effekt haben soll.

Zurecht, wenngleich nicht ganz ernstgemeint, fragt allerdings der Philologenverband: Warum nur einen Tag des Handwerks? Warum nicht auch einen Tag der Pflege? Schließlich fehlen auch dort die Fachkräfte. Mir fiele noch mehr ein. Ein Tag des Landarztes wäre dann ebenfalls nicht schlecht, auch davon gibt’s zu wenige. Und natürlich: ein Tag der Lehrkraft – bei dem sich gerade ins Dramatische auswachsenden Lehrkräfte-Mangel. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen: ein Tag des Flughafen-Mitarbeiters, ein Tag des IT-Ingenieurs, ein Tag der Gastronomie-Hilfkraft. Schon daran wird deutlich: Es geht so nicht.

Fangt endlich damit an, Schule wieder auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren: die Grundlagen für Bildung zu legen

Zweites Beispiel: Viele Jugendliche fühlen sich bei der Berufswahl orientierungslos, so hat eine aktuelle Studie ergeben. Der Reflex, diesmal von Gewerkschaftsseite, kommt sofort: Die Schule soll es richten. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack fordert, die Berufsorientierung müsse «dringend» verbessert werden. «Sie muss an allen Schulformen einen festen Platz im Lehrplan bekommen und möglichst früh einsetzen», meint sie.

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Mal davon abgesehen, dass die Berufsorientierung längst einen festen Platz an allen weiterführenden Schulen hat (also Frau Hannacks Prämisse, die Schulen engagieren sich nicht genug, schlicht falsch ist) – ich fordere das Gegenteil: Streicht die Berufsorientierung komplett aus den Vorgaben für die Lehrkräfte! Fangt endlich damit an, Schule wieder auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren: nämlich Kindern und Jugendlichen die Grundlagen für Bildung und damit für lebenslanges Lernen zu vermitteln!

Das bedeutet eben auch, dass die Schülerinnen und Schüler früh vermittelt bekommen, dass im Informationszeitalter Informationen am besten an der Quelle abzuholen sind – und nicht von allwissenden Lehrkräften herbeigezaubert werden. Kein einziger Lehrer, keine einzige Lehrerin in Deutschland hat „Berufsorientierung“ studiert. Es ist vermessen, von ihnen zu verlangen, sich im Dickicht von 324 Ausbildungsberufen und 20.359 (sic!) Studiengängen auszukennen, die individuellen Interessen ihrer Schützlinge in den Blick zu nehmen und ihnen – natürlich mit vorausschauendem Blick auf die zukünftigen Perspektiven – persönliche Vorschläge zu machen. Dafür gibt es aber Profis, beispielsweise bei der Bundesagentur für Arbeit. Übergebt denen die Verantwortung für die Berufsorientierung von Schülerinnen und Schülern und stellt die Lehrkräfte davon frei.

Hauptsache, die Themen sind irgendwie abgehakt und die Lehrkräfte (nicht die Politikerinnen und Politiker) sind die Doofen

Hieße konkret: Die BA veranstaltet in den achten und neunten Klassen jeweils vierwöchige Berufsorientierungscamps, in denen von allgemeiner Information bis hin zur Potenzialanalyse alles abgehandelt wird. Und die Lehrkräfte werden in der Zeit von ihrer Unterrichtsverpflichtung freigestellt, um sich mal um das zu kümmern, wofür im überbordenden Alltag allzu oft keine Zeit bleibt – sich fortzubilden zum Beispiel.

Die Schule leidet massiv an Überfrachtung. Die Lehrpläne quellen über, weil immer mehr hineingestopft wird, aber kaum jemand sich traut, Inhalte auch mal herauszunehmen. Ist ja alles superwichtig. Die absehbare Folgen: dass am Ende vor lauter Fülle bei den Schülerinnen und Schüler gar nichts mehr ankommt und – wie die IQB-Studie aktuell illustriert – die Leistungen in den Kernkompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen sinken. Zudem steigt das Frustrationsniveau bei den Lehrkräften, die in der Flut der Aufgaben ertrinken. Aber egal, Hauptsache, die Themen sind irgendwie abgehakt und die Lehrkräfte (nicht die Politikerinnen und Politiker) sind die Doofen. Und, das wohl Wichtigste: Es darf nichts kosten.

Und deshalb wird es leider auch nichts werden mit der Idee, die Berufsorientierung (und andere gesellschaftliche Wohlfühlprojekte) aus dem Unterricht „outzusourcen“, wie es im betriebswirtschaftlichen Neudeutsch heißt. Sie umzusetzen und Lehrkräfte davon zu entlasten, würde nämlich Geld kosten. Dass es langfristig sehr viel teurer sein wird, für die Folgen der Dauerüberforderung aufzukommen, interessiert an dieser Stelle wenig. Wenn die Kosten zu tragen sind, sind die Politiker, die Lehrkräften den Tag des Handwerks“ und anderen Brimborium augebrummt haben, schon längst in anderen Ämtern. News4teachers

Verpflichtender „Tag des Handwerks“ – Philologen: Hört auf, Schule zu überfrachten!

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Anne
1 Jahr zuvor

Einen Tag des Handwerks finde ich sinnvoll. Er würde die Schulen auch nicht überfordern, wenn dafür anderes gestrichen würde.
Mein Vorschlag wäre: Weg mit dem „girl’s day“ und „boy’s day“!

Realist
1 Jahr zuvor
Antwortet  Anne

Ja, aber die Erfahrung zeigt: Es kommt immer nur dazu, es wird nie etwas gestrichen. Immer weniger Zeit für „normalen“ Unterricht. Und wenn dann PISA und Co. kommen, wird wieder auf die „faulen S….“ geschimpft.

Pit2020
1 Jahr zuvor
Antwortet  Realist

@Realist

„Immer weniger Zeit für „normalen“ Unterricht.“

Und krampfhaft wird immer weiter an dieser Schraube gedreht – wohlwissend, dass das nicht gut gehen kann.

Gerade habe ich das hier gefunden … und es dauert nur 4:16 Minuten. 😉
https://www.deutschlandfunkkultur.de/zeit-geld-arbeit-leben-100.html?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE
Es ist Zeit!

lehrer002
1 Jahr zuvor
Antwortet  Anne

Dann lieber Boy’s and Girl’s Day. Ich finde den Namen zwar albern, die Idee dahinter aber sehr wichtig.

Fr.M.
1 Jahr zuvor
Antwortet  lehrer002

Bei mir ist es umgekehrt. Viel lieber sähe ich einen Tag des Handwerks.

Rabe aus NRW
1 Jahr zuvor
Antwortet  lehrer002

Ja, vor allem weil es ein Mädchen und Jungen (und alle anderen) -Tag ist. Warum schon bei den Kleinen diese Englischbetonung? Soll das fächerübergreifender Unterricht sein?

Andreas
1 Jahr zuvor
Antwortet  Anne

Was erspart der Wegfall des GirlsDays an Arbeit? Meine Erfahrung ist, dass die Mädchen von den Lehrern in irgendwelche Betriebe gedrängt werden, ob es zu den Damen passt ist egal, Hauptsache „weg“. Genauso geht es bei Praktikanten. Besuch von Lehrern, Fehlanzeige.

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor
Antwortet  Andreas

Sie wissen, dass beim Girls‘ Day häufig nur 2-3 pro Klasse weg sind, d.h. man macht ganz normal seine Stunden je mit dem Rest der Klassen?

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Andreas

Ähm, der Boy’s and Girl’s Day wird nicht von den Lehrkräften begleitet.

Da werden die Anmeldungen ausgeteilt, die Kids sind weg, die anderen machen Regelunterricht (U-Fehlstunde 1) und dann wird in der kommenden Stunde berichtet, was am Boy’s and Girl‘ Day gemacht wurde (U-Fehlstunde 2).

Bei uns werden die Praktika begleitet. Da werden die Schüler:innen besucht. Aber doch nicht am BaGD!

Wie soll das denn zu schaffen sein? Und die Kids, die nicht daran teilnehmen haben frei oder DU im HO?

Realist
1 Jahr zuvor
Antwortet  Andreas

„Genauso geht es bei Praktikanten. Besuch von Lehrern, Fehlanzeige.“

„Früher“ (in der guten alten Zeit) wurde man als Lehrkraft für solche Besuche vom Unterricht freigestellt. Jetzt soll man das nachmittags nach dem Unterricht machen (natürlich neben seinen ganzen anderen dienstlichen Tätigkeiten), denn es soll ja kein Unterricht mehr ausfallen. Letztendlich eine zusätzliche, unbezahlte Tätigkeit. Besuchen Sie Ihre Kunden in ihrer Freizeit ohne vom Arbeitgeber dafür finanziell oder zeitlich entschädigt zu werden? Dazu kommt, dass es einige Schüler für nötig halten, ihren Praktikumsplatz in 20 oder mehr Kilometern Entfernung von der Schule anzutreten. Fährt man ja mal eben schnell hin (und zurück), als Ausgleich gibt es eine „Pauschale“, die heutzutage nicht einmal mehr die Spritkosten abdeckt…

Pit2020
1 Jahr zuvor
Antwortet  Realist

@Realist

„Früher“ (in der guten alten Zeit) …“
Dazu passend habe ich eben einen aktuellen (von gestern) Bericht aus einer WDR-Lokalzeit gefunden.

So einen „Früher“-Vergleich zieht auch ein gelernter Tischler, Innenarchitekt und Gutachter – jetzt folgt die traurige Konsequenz und er schließt notgedrungen seinen Betrieb, den sein Ur-Opa 1906 gegründet hat.
Auffällig ist, dass auch er da einen Zeitpunkt benennt, den – außer mir selbst – auch schon andere Leute bemerkt haben … irgendwie war schon vor 20 Jahren mal eine „Zeitenwende“ mit anschließender Talfahrt, die bis heute andauert. 🙁

„… Vor 20 Jahren war das noch so da war das supersexy Tischler zu werden. Da hatten wir Anfragen, Bewerbungen ohne Ende von Leuten. Wo Sie 20 Bewerbungen gekriegt haben hätten Sie 19 am liebsten eingestellt. Heute versuchen Sie einen Azubi zu finden, da kriegen Sie 5 Bewerbungen von denen Sie 6 nicht haben wollen. 237 unentschuldigte Fehlstunden, da weiß ich wie oft der hier erscheint.

Ab Minute 19:15 geht es los, ab Minute 22:30 bis 25:20 schließt sich ein Interview mit einer Dame von der Handwerkskammer Dortmund an.
https://www1.wdr.de/fernsehen/lokalzeit/dortmund/videos/video-lokalzeit-aus-dortmund—1688.html

eldo
1 Jahr zuvor

Das Problem ist nicht nur, dass die Schüler zu wenig über die verschiedenen Ausbildungsberufe wissen, das Problem fängt schon da an, dass ihnen von der Gesellschaft vermittelt wird, dass gesellschaftlich was wert nur diejenigen sind, die studieren gehen. Dass die feinen Akademiker ohne Handwerker in Höhlen hausen würden, ohne Landwirkte und Verkäufer keine Nahrung bekommen würden, ohne Reinigungskräfte im Siff arbeiten würden, ohne Müllwerker im Müll versinken würden, ohne Pfleger schlimmstenfalls verrecken würden – das wird gerne übersehen.

DerechteNorden
1 Jahr zuvor
Antwortet  eldo

Eltern – mehr braucht man nicht zu sagen.

Pit2020
1 Jahr zuvor
Antwortet  eldo

@eldo

Stimmt.

Ein weiteres Problem ist aber, dass man sich da als LK die Lippen fusselig reden könnte (!), wenn genug Zeit dafür übrig wäre …

Aber ernsthaft: Im Rahmen des Machbaren und bei jeder sich bietenden Gelegenheit kann man sich als LK richtig reinhängen – leider kommt man nicht so gut an gegen die Übermacht von anderweitig – ich unterstelle tatsächlich in der Mehrheit – wohlwollenden Ratschläge (Familie, Kumpels, … Internet/Influencern).
Schade!
Viele ehemalige SuS, die mal „auf Besuch“ an ihrer alten Schule vorbeischauen und im Studium „hängen“ bedauern tatsächlich auf einem Weg gelandet zu sein den sie für sich selbst jetzt schon (so Mitte 20) als unpassend empfinden. Leider haben dann die wenigsten den Mut (und auch nicht unbedingt die finanziellen Mittel) noch eine z.B. gewerbliche Ausbildung zu starten, obwohl sie schon lange darüber nachdenken, sich informiert haben usw.
Außerdem ist das in der Praxis offensichtlich nicht ganz einfach: Es sind ja tatsächlich nicht alle Betriebe versessen darauf, einen Azubi Mitte 20 in die Ausbildung zu nehmen, da muss die spontane Symphatie schon sehr groß sein. Besonders für Mädchen wird es dann schwierig, die werden dann tatsächlich darauf angesprochen „ob da nicht bald Nachwuchs geplant ist“. (Ja, die jungen Damen wissen schon, dass sie darauf einfach mit „Nein.“ antworten können – den Ausbildungsplatz bekommen sie trotzdem oft nicht.) AUCH DA muss sich noch einiges ändern.
Allerdings sind auffällig viele SuS, die sich entgegen aller (bescheuerten) Trends direkt nach dem Schulabschluss eine klassische Handwerksausbildung (z.B. die oft mitleidig belächelte „Gas, Wasser, Sch****“-Ausbildung) gegönnt haben extrem zufrieden und haben das Gefühl das richtige getan zu haben.

Sissi
1 Jahr zuvor
Antwortet  Pit2020

Vom eigentlichen Beruf her ist das bei den meisten meiner Schüler so. Leider sorgen Gesellschaft und Politik dafür, dass sich etwa die Hälfte schon vor der Prüfung mit Erfolg nach etwas anderem umgeschaut hat.

„Fangt endlich damit an, Schule wieder auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren: die Grundlagen für Bildung zu legen“
Dankeschön H. Priboschek, ein wirklicher Kernsatz, den ich gegenüber den Refendaren vertrete, der aber im HS gar nicht so gut ankommt, denn was ist daran innovativ, evaluationswürdig, medienattraktiv ?
Die Schlagzeile : >Handwerk und Industrie erfreut über Auszubildende mit Lese- Schreib- und Rechenkompetenz< wird nicht kommen. Warum über grundsätzlich Vorhandenes, Unumstrittenes berichten, die Kartoffeln von vor 20 Jahren aufwärmen? (Ironie)
…..vlt. weil es nach Gesprächen mit Ausbildern nötig erscheint?
weil diese nach Einstellungstests entsetzt über Grundkenntnisse sind?
weil diese verwiesen auf KMvorgaben nur noch den Kopf schütteln
und z.B. ein ein wirklich patenter Gas-Wasser-Schxxxxmeister meinte: beim Schrauben üben wir dann Einmaleins, könntest Du bitte schauen, dass die die wichtigsten Begriffe auf dem Regiezettel hinkriegen…..

Pit2020
1 Jahr zuvor
Antwortet  Sissi

@Sissi

„Leider sorgen Gesellschaft und Politik dafür, dass sich etwa die Hälfte schon vor der Prüfung mit Erfolg nach etwas anderem umgeschaut hat.“

Auch dazu äußert sich der Tischler ab Minute 19:15 aus dem Beitrag in der WDR-Lokalzeit.
https://www1.wdr.de/fernsehen/lokalzeit/dortmund/videos/video-lokalzeit-aus-dortmund—1688.html

Pit2020
1 Jahr zuvor
Antwortet  Pit2020

@Klaus

Genau so.

Aber der von mir an entscheidender Stelle verfremdete Ausdruck ist nun mal immer noch „in aller Munde“ und damit auch in den dazu passenden Köpfen.
Das solche Berufe extrem abwechslungsreich sind, weil man sich (um im Beispiel zu bleiben) bei jedem Bad mit neuen räumlichen Bedingungen vor Ort und speziellen Kundenwünschen beschäftigen muss/darf wird oft nicht gesehen. Und dass man sich in solchen Berufen eben oft auch kreativ betätigen kann wird ebenso wenig bemerkt.
Schade.
(Ansonsten vgl. meinen letzten Post gegen Ende: „Allerdings sind auffällig viele SuS, die sich entgegen …“)

Und der Kampf gegen den Klimawandel … nun ja, der ist nicht bei allen, aber bei vielen Menschen – egal welchen Alters – so lange „chic“, wie es
– keinerlei Verzicht im eigenen Alltag
– keinerlei eigene Anstrengung verursacht.
Isso.

Also gilt für viele (ebenfalls alle Altersklassen) immer noch:
Besser keinen Beruf wählen, bei dem man sich die Fingerchen schmutzig macht! (Auch, wenn das bei den heutigen Berufsbildern im Handwerk nicht mehr unbedingt von morgens bis abends so ist und man sich ja notfalls 😉 nach der Arbeit waschen könnte.)
Und bitte auch nichts, was in körperliche Anstrengung ausarten könnte.
Da wird man dann schon treuherzig aus den „Kinderaugen“ angeschaut und es kommen (ernst gemeint!!!) Äußerungen wie „Aber ich war doch schon mal bei Fridays for Future!“ oder auch „Nä, ich geh lieber Muckibude!“.

Nun denn …

Sissi
1 Jahr zuvor
Antwortet  Pit2020

@ Klaus
Die Anlagenmechaniker darf ich ab und zu in Deutsch undoder Sozialkunde bedienen; total interessant, alles da vom gerade noch die 9tegeschafft über Meisterssöhne mit Abitur bis zum Studienabbrecher, – für die Referendare höchst anspruchsvoll.
Absolut ein Beruf mit Zukunft, was die Wärmepumpentechnik angeht und weitere komplexe Klimawandelmaßnahmen, die Chance für einige. ( die anderen im „alten“ GaWasserSchxxxxbereich haben zumindest einen sicheren Job.

eldo
1 Jahr zuvor
Antwortet  eldo

@DerechteNorden @Pit2020
Ich sehe da nicht nur Eltern als Ursache. Ich sehe da z.B. auch die Politik, die lieber von Gymnasien redet, als von Realschulen. Und leider gibt es auch an den Gymnasien Lehrer, die den Schülern beibringen, dass sie was besseres sind als Realschüler und die lassen dann wiederum die Angeber gegenüber den Realschülern raushängen.
Ich sage auch nicht, dass alle Gymnasiallehrer so ticken, aber es reichen ja schon 4-5 solche Lehrer an einer Schule aus, um in den 8-9 Jahren Schulzeit fast alle Schüler mit dieser Meinung zu erreichen.

Pit2020
1 Jahr zuvor
Antwortet  eldo

@eldo

„Ich sehe da nicht nur Eltern als Ursache.“

Wichtig ist „nicht nur“.
Aber letztlich ist es für die Kids doch schön, wenn sie möglichst viele „Fliegen mit einer Klappe“ erwischen (wegen einer Vielzahl von Ursachen lieber Schule bis es nicht mehr geht, die Eltern freuen sich auch über einen möglichen? „Aufstieg“ usw.) … oder sich das wenigstens einreden können, so lange bis der Traum zerplatzt.
Und leider, leider sind es tatsächlich viele Köche (ja, natürlich! auch die Politik), die seit vielen Jahren (so etwa 20) den sprichwörtlichen Brei gewissenhaft und systematisch verderben.

Btw: Die von Ihnen beschriebenen Verhaltensweisen von Gymnasial-LK finden sich auch an anderen Schulformen, dann wird es richtig „albern“. Wer mehrere Schulformen „von innen“ kennt, kann das bestätigen.
„Solche & Solche“ gibt es halt überall. Darüber tiefgehend zu diskutieren wird leider gar nichts ändern, weil im günstigsten Fall jeder selbst Verantwortung für sein eigenes Handeln zeigt – oder eben nicht. Wieder: „Isso“.
Und auch hier verweise ich noch einmal auf meinen ersten Post, hier ziemlich weit oben beginnend mit „Aber ernsthaft: Im Rahmen des Machbaren …“

Sissi
1 Jahr zuvor
Antwortet  Pit2020

Im Rahmen des Machbaren …..könnte man, wenn von den Glorreichen und idF auch den Unterbehörden DAS WESENTLICHE gesehen würde, ganz viel Machbares erreichen…..
Danke @ Pit 2020

DerechteNorden
1 Jahr zuvor
Antwortet  eldo

Ich arbeite an einer GemS mit Oberstufe. Im 8. und 9. ist Berufsorientierung ein Schwerpunkt, da müssen also alle – von Förder- bis zu Gymnasialschüler*innen – „durch“. Wir Lehrkräfte freuen uns immer wie Bolle, wenn jemand nach 9 oder 10 eine Ausbildung beginnt. Und trotzdem gehen sogar Kids, die schon einen Ausbildungsplatz haben, dann, falls es ihr Zeugnis doch plötzlich hergibt, noch in die Oberstufe. Die Eltern wollen das so und die Politik, die auf die Wiederwahl hofft, ermöglicht es.
Denken Sie an G8 an Gymnasien – im Osten kein Problem, im Westen sind die ambitionierten Eltern von eigentlichen Realschüler*innen Sturm gelaufen. Jetzt gibt es wieder G9. Noch Fragen?

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  eldo

Ich sehe noch eine andere Ursachen

  • bei uns wollen sehr viele Influencer werden. Sieht leicht aus, man muss nicht viel tun (ha!), nicht viel können (ha!ha!), wird reich (hhhh) und kann komplett über seine Zeit verfügen.
  • die anderen haben vor, Spieletester zu werden. Begründung s.o.
  • der Rest träumt von einer akademischen Laufbahn, hat kaum den MSA geschafft, von Selbstständigkeit und Eigeninitiative keine Spur, aber studieren.
  • andere haben schlicht und ergreifend keinen Bock.
  • die Arbeitsbedingungen passen nicht, zu wenig Freizeit.
  • zu wenig Kohle.

Wir haben Berufsorientierung, wir haben zwei mal zwei Wochen Praktikum, wir haben Berufsberatung an der Schule.

Die Bewerbungen werden in Deutsch bzw. WiPo gemeinsam gemacht – sonst hat die Hälfte einen Tag vor Praktikumsbeginn immer noch keinen Platz.

Die Kids sind einfach mega verwöhnt oder mega vernachlässigt!

Die Verwöhnten erwarten, dass ihnen alles hinterher getragen wird oder man selbst die Bewerbung frankiert und zur Post bringt oder beim Betrieb in den Kasten schmeißt.

Die Vernachlässigten hängen durch. Von ihnen werden Dinge erwartet, die sie erschrecken und ängstigen.

Unselbstständig sind beide Gruppen. Beiden fehlen die Kernkompetenzen.

Alleine Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit, angemessene Kleidung, „guten Tag“ und „bis morgen“, ständig am Handy, keinerlei Nachfragen (nicht immer aus Schüchternheit…)….

Viele Rückmeldung der Betriebe sind durchaus sehr gut. Wir sind positiv von unseren Schüler:innen überrascht. Einige bekommen sogar einen Ausbildungsvertrag angeboten – wenn sie den Abschluss schaffen.

Leider hören da viele: „Ich haben den Vertrag, ich habe den Ausbildungsplatz!“ und ruhen sich noch mehr aus.

Ohne Anschieben, Schubsen und Tragen und Schleppen von uns Lehrkräften wäre das mit dem Praktikum und später einem Ausbildungsplatz ….. nichts.

Fr.M.
1 Jahr zuvor
Antwortet  eldo

Große Zustimmung, eldo!
Darum wäre mir ein „Tag des Handwerks“ auch viel lieber als geschlechterspezifische
Tage für Mädchen und Jungen!

Einer
1 Jahr zuvor

Ich bin es wirklich leid! Immer nur noch mehr Aufgaben ohne auch nur ein kleines bißchen Wertschätzung oder Erleichterung. Mein Plan steht fest: Für mich nur noch Dienst nach Vorschrift und jeden Schnupfen werde ich daheim kurieren. Ich werde nicht mit der Maske und vernupfter Nase oder Halsweh unterrichten. Entweder ich bin zu 100 % gesund oder ich bin krank. Und Krank bin ich zuhause! Von freiwillige Arbeitsgruppen mit Kollegen habe ich mich schon abgemeldet. Neue Projekte nehme ich nicht an. Für meinen Geschmack wurde ich lange genug verarscht und für dumm verkauft. Schüler werden in Watte gepackt und kommen mit jedem Blödsinn bei der Bezirksregierung durch. Wir müssen uns noch dafür rechtfertigen, dass wir nur in 80 Prozent aller Stunden eine mündliche Leistung notiert haben. Entschuldigungen müssen wir noch annehmen, wenn sie am Tag der Zeugnisausgabe mit einem Attest ankommen, auch wenn laut Schulordnung nur 14 Tage lang Entschuldigungen akzeptiert werden. „Nein, das geht nicht. Wenn er damit dann zur BR geht.“ Und wir hatten diese Fälle schon mehrfach. Der Lehrerberuf ist in vielen Teilen (genauso wie die Pflegeberufe) eine Berufung und diese nimmt man nur an, wenn man mit den Job zufrieden ist. Diese Zufriedenheit geht bei vielen Kollegen immer weiter verloren. Dann es ist nur ein Job, den ich mache von 8 bis 17 Uhr und ohne Engagement. Das wirkt sich (genau wie in der Pflege auch) dann in der Unzufriedenheit der Angestellten und auch der Schüler aus. Nur stirbt bei uns niemand.

GriasDi
1 Jahr zuvor
Antwortet  Einer

Geht mir genauso. In Arbeitskreisen arbeite ich schon lange nicht mehr mit. Wozu Gedanken machen, wenn alles was ein wenig Geld kostet abgelehnt wird. Auf Fahrten mitfahren? Wozu? Als Lehrkraft wirst du von den Eltern ja nicht mal angesehen, wenn sie ihre Hochbegabten nach einer Klassenfahrt vom Bus abholen. Ein Dankeschön habe ich bei ca. 20 Klassenfahrten bisher gerade mal von 1 Mutter bekommen.

Klugscheisser
1 Jahr zuvor
Antwortet  Einer

Ja, so isses.
In jeder Unterrichtsstunde muss man als Lehrkraft allen Schülern gleichermassen gerecht werden, damit alle die gleichen Bildungschancen haben. Das ist mit einer seiner Kernaufgaben, den Unterricht so zu gestalten, dass alle einbezogen sind und keiner zurück bleibt. Das allein ist eine Mammutaufgabe und, ganz ehrlich, an unserem Berufskolleg zum Scheitern verurteilt. (Stichwort verhaltensauffällige Schüler)
Zeitgleich erfolgen weitere Überfrachtungen durch diverse Verwaltungsaufgaben. Allein Klassenbuchführung und Fehlzeitenverwaltung kostet mich wöchentlich zwischen 2 bis 3 Stunden. Entschuldungen annehmen, entziffern, eintragen, zusammenrechnen. Schülern über die Fehlzeiten informieren, Attestpflichten ausstellen, Nachschreiber einsammeln, wenn man sie mal zu greifen bekommt. Ich habe teils um die drei Nachschreibtermine pro Klassenarbeit. In den letzten zwei Jahren ist das der Normalfall. Ich bin in ca. 12 Klassen eingesetzt;in einigen mit zwei Fächern.
Daneben ist mein zweiter Hauptaufgabenbereich Listen und Formulare auszufüllen, wie Berichte über Schüler zu schreiben (Inklusion), KAoA Massnahmen zu dokumentieren, Bafög Amt über Fehltage bestimmter Schüler zu informieren, usw.

Alle Kollegen ducken sich immer mehr weg, wenn es um neue Aufgaben geht oder alte neu besetzt werden müssen. Beratung, Werbung/ Vorstellung bei weiterführenden Schulen für das Berufskolleg, Organisation von Berufsorientierungswochen, etc.
Keiner hat mehr Zeit oder will sich nicht mehr für einen feuchten Händedruck verausgaben.

Wir kriechen auf dem Zahnfleisch, die Personaldecke wird dünner und dünner, die Aussichten sind weiterhin düster. Vertretungen für mehrere Klassen gleichzeitig wird auch immer normaler.

Wenigsten ist für die Berufsberatung jemand vom Arbeitsamt wöchentlich da und es gibt jemanden für den Übergang vom BK in die Ausbildung, der Schüler bei akuten Bewerbungen unterstützt und Unterlagen ausdruckt.
Schulsozialarbeiterin ging klar mit Lehrerstellenverzicht. Auch nicht schlimm, haben wie gesagt sowieso zu wenige Lehrer. Zwei weitere sind auch schon abmarschbereit.
Einmal wurde gestrichen, da sich jemand aus dem Bildungsministerium angekündigt hatte und es schick sein musste. Natürlich nur die Flure, durch die diese Person gegangen wäre.

Schöne neue Schul-Normaltät garniert mit politischen Versagen im Bereich Schule, Bildung und Gesundheitsschutz.

Das Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Schülerschaft hält uns Lehrkräfte bei der Stange. Gut für die Kultusministerien. Aber neue werden so nicht gewonnen.

Ach ja, jedes Mal, wenn ich eine Umfrage zur Lehrergesundheit und Stresspegel sehe, lache ich nur müde. Erstens kostet es Zeit, diese auszufüllen, zweitens hat das Ergebnis keinerlei Auswirkungen auf den Lehreralltag. Massnahmen würden nämlich Geld kosten.
Da investiert man lieber die Zeit in ein psycho-soziales Gespräch mit einer Ritzerin oder einem gemobbten Schüler. Da hat man eine höhere Wahrscheinlichkeit, Änderungen herbeiführen zu können.

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor
Antwortet  Klugscheisser

Die reine Wahrheit.

Monika
1 Jahr zuvor

Das Problem liegt doch gar nicht bei der mangelnden Berufsorientierung in der Schule. Meines Erachtens liegt es daran, dass Schülerinnen und Schülern nach einem SEK1-Abschluss so viele schulische Angebote zur Verfügung stehen, dass die wirklich ausreichend angebotenen schulischen Berufsorientierungsmaßnahmen ins eine Ohr rein und ins andere wieder rausgehen. Abgesehen von den vielen Schüler/innen, die sich (ohne Grund) völlig sicher sind, einen erweiterten Realschulabschluss zu schaffen um dann aufs Gymnasium gehen und die dann an eben diesem Abschluss scheitern, gibt es auch häufig die Angst vor Neuem. Auf die Frage, was die Schüler/innen denn so vor haben, nachdem an sie umfassend informiert hat: „Ich geh BBS“. Auf die Frage, in welchen Zweig, kommt meist nur ein Schulterzucken. Egal, das ist Schule und Schule ist warm und trocken. Und meist halbtags. Und Schule kennen sie. Ausbildung ist unbekanntes Terrain, trotz der vielfältigen Berufs-und Praxistage. Warum sollte man sich dann Gedanken machen über Ausbildung?

Realist
1 Jahr zuvor
Antwortet  Monika

Ja, „Ich geh BBS“. Denn ist der Schule ist man für nichts verantwortlich als Schüler, im Zweifel hat immer der „faule S…“ da vorne Schuld. Und man ist am Nachmittag wieder zu Hause. Hausaufgaben braucht man ja nicht machen, denn der Lehrer hat es ja nicht richtig erklärt. In einer Ausbildung würde man mit dieser Einstellung grandios scheitern, d.h. aus dem Job fliegen. Dann lieber noch zwei bis drei Jahre in der Schule chillen.

Mariechen
1 Jahr zuvor

Vielen Dank für diesen tollen Artikel. Er fasst das zusammen, was ich tagtäglich bei meiner Arbeit mit Grundschulkindern denke. Wir machen tollen Sachen, täglich kommt irgendein neues superwichtiges Projekt rein, wo man auch noch mitmachen soll. Zuviel Material, zu viele Arbeitshefte, unübersichtliche Aufgaben, ständige Selbstreflexion der Kinder, Leistungserhebungen, neue Medien… die Liste lässt sich endlos fortsetzen. Alles ist durchaus sinnvoll, aber in Summe nicht zu schaffen. Es setzt Lehrer unter Stress und auch das merken die Kinder. Man hat kaum noch Zeit ( es sei denn, man ignoriert vieles und macht einfach sein Ding) tief in die Materie einzusteigen. Dünn drüber ist die Devise oder auch Masse statt Klasse. Weniger ist mehr und es wäre wünschenswert, dass dies erkannt und Unnötiges rausgenommen wird. Aber ich befürchte damit kann man sich nicht gut profilieren. Wir müssen uns wieder auf die Grundlagen konzentrieren! So wird das nix!

Gabriele
1 Jahr zuvor
Antwortet  Mariechen

Qualität, nicht Quantität, ist sehr oft, meistens, entscheidend.

Letztlich doch ausschlaggebend!

Binsenweisheit. Gilt für alle Lebensbereiche, was man immer klarer erkennt, um so mehr Lebenserfahrung über lange Zeit man angesammelt hat.

„Hans Dampf in allen Gassen“ ist out! Nicht zielführend!

Ständige Jagd nach immer neuem – auch didaktischem – „Chichi“ als „dem“ Allerheil- und Wundermittel bringt letztlich nichts.
Außer für den, der sich damit auf Teufel komm raus für Höheres profilieren will.

Rückkehr zu Altbewährtem, lange verpönt, muss „neu gedacht“ und angegangen werden:
also absolute Priorität von ruhigem, intensivem, in die Tiefe gehendem Erarbeiten der Kernkompetenzen und Kerninhalte, Konzentration auf das e i g e n t l i c h e Kerngeschäft.

Denn erst u.a. z.B. Inklusion, Integration von Syrern et alii, dann Pandemie, nun Integration von den geflüchteten ukrainischen Kindern, … .
Und jetzt noch – angesichts Fachkräftemangel, fehlenden Handwerkern – wieder eine weitere, neue Baustelle. …

Man muss endlich weg vom ständigem Dazukommen zusätzlicher Aufgabenfelder!

Schule ist schon jetzt, in der Tat, wirklich völlig überfordert, d.h. die LehrerInnen, und auch Schulleitungen, brechen unter der immer noch weiter wachsenden Aufgaben- und Arbeitslast zusammen!

Doch die Erwartungen der Gesellschaft an die Schule werden von vielen PolitikerInnen leichtfertig, wohl in völliger Unkenntnis über oder Verkennung der aktuellen Schulrealität, noch immer weiter und immer höher befeuert.

Schule kann nicht überall alles richten – und auch noch gesellschaftspolitische Versäumnisse und Defizite im Elternhaus auffangen.

Zeit und Energie sind doch begrenzt – und Lebenszeit ist endlich.

kanndochnichtwahrsein
1 Jahr zuvor

Kerngeschäft heißt doch erstmal Grundlagen legen: lesen, schreiben, rechnen lernen auf einem Niveau, auf dem aufgebaut werden kann.
Dazu brauchen Grundschulen Zeit und Personal, dann auch die Lehrer der unteren Klassen der weiterführenden Schulen.

Was wollen wir mit Berufsorientierung und noch mehr Praktika, wenn bei vielen SuS vorprogrammiert ist, dass jeder Chef die aus dem Internet kopierte, vollkommen unpassende und unangemessene Bewerbung auf Anhieb als solche identifiziert und gar nicht mehr erst einlädt, dem Schüler gar nicht mehr erst eine Chance gibt.
Der versteht es natürlich nicht und macht statt dessen Abi.
In der Uni muss man sich i.d.R. nicht mit einem aussagekräftigen Schreiben incl. korrekter Rechtschreibung bewerben.

SuS, die lesen, schreiben, rechnen und verstehen gelernt haben, können sich durchaus irgendwann selbst – und aus eigenem, informierten Interesse, weil sie nämlich dann verstehen, was sie lesen, hören und erfahren – um ihre Zukunft kümmern, ihre Fähigkeiten Interessen erkennen, sich ein Praktikum organisieren, eine Bewerbung schreiben.

Als viel zu sehr vernachlässigten Aspekt sehe ich auch das Thema (fehlende) „Freizeit“.
Schule ist heute durchorganisiert, Freizeit nicht vorhanden oder eben auch durchorganisiert, alternativ mit Chillen und mehr oder weniger verdummendem Medienkonsum angefüllt.
Die Kids haben kaum noch Möglichkeiten, sich selbst, die eigenen Fähigkeiten und Interessen zu erkunden, Hobbys auszuprobieren oder auch nur die Berufe ihrer Eltern kennenzulernen.
Sie sehen nie, wenn der Klempner kommt, denn dann sind sie in der Schule.
Sie erleben nicht, wie der Vater/die Mutter arbeitet, denn dann sind sie in der Schule.
Sie kennen womöglich nicht mal den Teil des Alltags, der zur Versorgung der Familien dient, dann dann sind sie in der Schule.
Sie gehen zwar shoppen, aber nicht einkaufen, kennen keine Preise für Lebensmittel etc., können sie nicht ins Verhältnis zu einem Arbeitslohn setzen.

Wie sollen sie unter diesen Vorausetzungen eine kompetente Entscheidung über ihre eigene berufliche Zukunft treffen?

Solange Schule nicht ausreichend Lehrer hat, um sichere Grundlagen zu legen, um Ganztag sicher abzudecken – solange brauchen wir keine weiteren Säue, die durch die Schulen getrieben werden!
Als Lehrkraft vermittele ich meinen Schülern gern im Rahmen meines Unterrichts, was das Leben so bietet, welche Möglichkeiten es gibt – so wie es sich anbietet und die SuS es abrufen, sich interessieren, aus der Situation heraus interessiert werden können. Soweit kann und sollte Alltags- und Berufsorientierung in den Schulen sicherlich gehen.

Wir brauchen aber keine Zusatzarbeit mehr für weitere „Tage des/der…“

Schule ist längst mit Aufgaben und Arbeit überfrachtet – und andererseits absolut verarmt an Beziehung, an Freunde am Lernen, an Motivation, Einsehen, Interesse, Konsequenz, Frustrationstoleranz, Offenheit für Neues, Spontaneität…

Wir Lehrer könnten den SuS mehr bieten als wir es derzeit können – wenn man uns nicht weiter einschränkt, sondern uns Freiheiten im Rahmen unserer (auch individuellen) Möglichkeiten gibt und den SuS Freiheiten für die eigene, ganz persönliche Entwicklung, die sich m.E. nie NUR in der Schule vollziehen kann.

Realist
1 Jahr zuvor

Schöner Artikel, wird aber leider nichts bewirken. Die Gesellschaft ist mittlerweile voll von Personen, deren einzige Existenzberechtigung ist, von anderen etwas zu fordern, um irgendwelche Probleme (die diese „Forderer“ selbst verursacht haben) zu lösen.

Das Paradebeispiel dafür sind Politiker, unsere aktuelle Regierung geht dabei „mit gutem Beispiel“ voran. Mittlerweile hat sich auch der DGB in die Reihe dieser „Forderer“ eingereiht. Dass der DGB eine gehörige Portion mitschuld an der Misere träge, ignoriert er geflissentlich: Wer ist denn für die miese Entlohnung der angestellten Handwerker und ihrer Arbeitsbedingungen mitverantwortlich: Die Lehrer oder die Tarifpartner (= DGB + Arbeitgeber). Verbessert Entlohnung und Arbeitsbedingungen angestellter Handwerker (im Vergleich zu „Sesselfurzer“-Jobs), dann gibt es auch genügend Nachwuchs. Gilt genauso für Pfeger, Erzieher, Lehrer usw.

Bla
1 Jahr zuvor

Was heißt „Berufsorientierung studiert“?
Habe in Bayern auch AWT (Arbeit Wirtschaft Technik) – neuer LP+ WiB (Wirtschaft und Beruf) auf Lehramt Haupt-/Mittelschule studiert.
Berufsorientierung ist dort ein wichtiges Themenfeld im Lehrplan und Studium.
Dort sind auch die Praktika verankert. Ebenfalls die Zusammenarbeit mit BFZ und der Bundesagentur für Arbeit. Eben auch mit Potentialanalyse und individuellen Gesprächen und spezifischen Materialien wie „Berufe aktuell“. Dementsprechend auch mit der betrieblichen Zusammenarbeit. Bspw. durch Berufsmessen und Vorstellungen (welche man anfragen kann oder selbst sogar anfragen).

Dazu kommen die BoZ-Fächer (WiK, ES, Technik), welche eben auch mehr Praxis bringen.
In Bayern gibt es auch die Projektarbeit (mit Leittextmethode) als „Qualifach“.

Ebenfalls sollten die SuS lernen, selbst weitere Berufe zu recherchieren und sich mit den eigenen Interessen und Fähigkeiten auseinanderzusetzen.

Ich sehe hier definitiv keinen Mangel am Angebot aus meiner Sicht.
Den Lehrplan sollte man aber mal realistischer gestalten … Der ist doch etwas zu überfüllt, wenn man wirklich Qualität einbringen will und sich auch mal etwas vertiefter mit der Materie auseinandersetzen will.

Einfach so den Schulen die Berufsorientierung aufzudrücken finde ich auch fragwürdig … Das könnten viele KuK einfach nicht leisten… Dazu sind sie nicht ausgebildet. Auch das sollte man halt mal bedenken „da oben“.

Friedrich der Kleine
1 Jahr zuvor

Ich rede mir den Mund fusselig mit meinen Appellen an meine Klientel (Gymnasiasten) einen Lehrberuf – insbesondere im Handwerk – nicht von vornherein auszuschließen. Ich zeige ihnen die Vorteile auf, weise auf eine duale Ausbildung hin. Aber eigentlich kann man sich das sparen. Die Blicke sind verständnislos bis belustigt, Äußerungen selten und wenn, dann ablehnend. Es wird wohl weitergehen mit Abiturienten mit mäßigen Noten, die die Unis verstopfen und andererseits fehlenden Handwerkern. Schade!
Insofern stellt sich in der Tat die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines solchen zusätzlichen Tages, der Unterrichtszeit kostet, aber ansonsten eher erfolglos bleiben wird. Wobei die Verzweiflung der Handwerksbetriebe verständlich ist.
Das Problem ist eben ein gesellschaftliches, kein schulisches.

Last edited 1 Jahr zuvor by Friedrich der Kleine
Pit2020
1 Jahr zuvor

@Friedrich der Kleine

„Das Problem ist eben ein gesellschaftliches, kein schulisches.“

Genau DAS ist der Punkt.

Pit2020
1 Jahr zuvor
Antwortet  Pit2020

Und auch hier noch einmal der Hinweis auf nur 4:16 Minuten, die das ganze gesellschaftliche Problem und den absurden Umgang damit treffend skizzieren:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/zeit-geld-arbeit-leben-100.html?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE

Thomas
1 Jahr zuvor

Bravo! Genau die Sache mit der Überfrachtung und den immer neuen Aufgaben, die wir übernehmen sollen, ohne dass deswegen irgend eine andere Belastung wegfallen würde, habe ich gestern in die Umfrage zur psychischen Belastung bei Lehrkräften geschrieben. Das Gefühl der immer weiter steigenden Überforderung gepaart mit dem Gefühl, nicht genug Zeit und Energie zu haben, um seine Arbeit gut zu erledigen, und dem Wissen, dass Vieles auf der Strecke bleibt und längst nicht mehr gut bewältigt werden kann, ist für mich der größte Belastungsfaktor.

Rike
1 Jahr zuvor

Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole:
Wir machen das alles schon an der Gesamtschule. Jedes Jahr ein Praktikum, jedes Mal andere Branche, damit sie sich nicht bei Mami/ Papi/Onkel usw im Büro verstecken. Dazu ausführlich Berufsfelder erforschen in WAT, enge Zusammenarbeit mit BIZ und Jugendarbeitsagentur, Potentialanalyse….
allein das Interesse fehlt. „Betrifft mich nicht, ich mache sowieso Abi/ Fachabi“. Vom Elternhaus keinerlei Interesse geschweige denn Unterstützung.
SuS freuen sich, wenn Unterricht ausfällt für diese Sonderaktivitäten, stellen den Bezug zu ihrer eigenen Zukunft nicht her.
An zu wenig Engagement von Seiten der Lehrkräfte liegt es bei uns jedenfalls nicht.
Das Thema „Ganztagsbetreuung“ von klein auf hat viel größere gesamtgesellschaftliche Konsequenzen als gemeinhin angenommen. Viele kleine Selbstverständlichkeiten, die früher zu Hause wie nebenbei abgeschaut/ erlernt wurden, und bei denen dann Interesse erwachte, müssten eigentlich jetzt in der Kita/ Schule unterrichtet werden. Das ist schlichtweg nicht möglich und dafür sind diese gar nicht ausgestattet. Ich z.B. würde zu gern mit meinen SuS einkaufen gehen oder besser noch das Gemüse selbst anbauen und dann zusammen was Gesundes kochen, was sie dann auch wirklich essen. Allein da führt kein Weg hin, keine Möglichkeiten. Dafür dann lieber nochmal 90 min HA Betreuung.
Die Kids tun mir einfach leid.

Pit2020
1 Jahr zuvor
Antwortet  Rike

@Rike

Auch hier volle Zustimmung.

Besonders bekannt kommt mir das hier vor:
„damit sie sich nicht bei Mami/ Papi/Onkel usw im Büro verstecken.“
Machen sie aber dann doch, Mami/ Papi/Onkel usw. finden das ja auch ganz fein. Ist ja auch nix Verbotenes. Also dann …
Und am nächsten Tag wird dann gemöppert „Voooooolllllllll laaaaaangweilig!“.
Oder auch „Ich durfte da GAR NICHTS machen!“

So so … 😉

DerechteNorden
1 Jahr zuvor
Antwortet  Rike

Es ist nicht die Ganztagsbetreuung, die hier verantwortlich ist, sondern der Wandel der Gesellschaft.

Rike
1 Jahr zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Das eine geht mit dem anderen einher. Ich bin Natur- und nicht Gesellschaftswissenschaftlerin, da sei es mit verziehen…

Küstenfuchs
1 Jahr zuvor

Das Problem des Handwerks ist nicht mangelnde Berufsorientierung, sondern die Verramschung des Abiturs. Heute soll jeder, der nach der Grundschule halbwegs sicher das kleine Einmaleins kann, Abitur machen und wird dahin getragen. Heraus kommt ein Abitur mit 3,7 und das Studium „Irgendwas mit Medien“, was nach 3 Jahren abgebrochen wird.

Pit2020
1 Jahr zuvor
Antwortet  Küstenfuchs

@ Küstenfuchs

„… Abitur mit 3,7 und das Studium „Irgendwas mit Medien“, was nach 3 Jahren abgebrochen wird.“

Wir finden das schlimm, weil wir mit ein wenig Lebenserfahrung ahnen wo das alles hinführen wird.

Und unsere lieben „Kleinen“ so oder so ähnlich:
„Egaaaal. Aba dann werdisch ebn krass wischtisch Influenza oder so.“ 😉
(Sorry, aber wenn es mir zuviel Irrsinn da draußen wird, schalte ich automatisch in den Giggel-Modus. Hilft wenigstens vorübergehend …)

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor

„Und natürlich: ein Tag der Lehrkraft – bei dem sich gerade ins Dramatische auswachsenden Lehrkräfte-Mangel.“

Grins – abschreckender ginge es nicht mehr! Da wäre alles rausgeholt, selbst an einem „entspannten“ Tag. 😉

Ich würde mir jede Menge Eltern zu dringend notwendigen Gesprächen einladen (auf die Verschwiegenheitspflicht verweisen und mir das unterschreiben lassen ;)).

Und natürlich nur an einem Tag mit sieben Stunden, verhaltenskreatiefen Klassen, die sich auch in Klassenstufe acht mit dem Schreiben extrem abmühen – vielleicht sogar in der schülereigenen Klasse 🙂

Dann mit nach Hause, Klassenarbeiten korrigieren, Unterricht vorbereiten, Unterricht nachbereiten.

Gerne auch am Wochenende, dann weiß das nicht mehr angehende Lehrerleinchen gleich, wie der Hase läuft.

Ironie-Sarkasmus-jepp

Palim
1 Jahr zuvor
Antwortet  Riesenzwerg

Es wird ein „Tag der Lehrkraft“ eingeführt, wo andere den Unterricht, die Aufsichten und anderes in den Schulen übernehmen, ohne dass Lehrkräfte vorab die Planung hinlegen?
Geht auch gleich eine ganze Woche?
Oder zumindest die 3 Tage vor Himmelfahrt oder nach Pfingsten? Die nehme ich dann fürs Schreiben der Zeugnisse.

Bisher sollte häufig die Schule die Gesellschaft retten, in Zukunft wird das sicher häufiger anders herum sein, wenn die Gesellschaft die Aufsicht in den Schulen übernehmen muss, weil Lehrkräfte fehlen. Unbezahlte Mehrarbeit, die seit Jahren die Lehrkräfte leisten, wird dann auf mehr Schultern verteilt.

Gabriele
1 Jahr zuvor
Antwortet  Riesenzwerg

Meine Söhne habe mich als Jugendliche, als sie ‚mal spätnachts bzw. gegen 4 Uhr frühmorgens heimkamen – damals während meiner Abikorrektur- „Hochzeit“ – und mich am Schreibtisch vorfanden, gefragt: „Korrigierst du noch, oder schon wieder?“

Als ich dann (sinngemäß) sagte: „Schon wieder. Bin um 10 Uhr erschöpft ins Bett gekippt, hab nix mehr aufgenommen. Hab mir den Wecker auf 3.30 Uhr gestellt, mit Kaffee geht’s jetzt wieder. Immenser Termindruck! Hab heute erste Stunde und bis 15.30 Uhr Unterricht. Dann wieder weiter Abikorrektur.“

Kam als Antwort: „Lehrer werd ich nie! Die Leut‘ soll’n mal nachts Mäuschen bei uns spielen. Von wegen „Halbtagsjob!“.

Gabriele
1 Jahr zuvor
Antwortet  Riesenzwerg

Vor Jahren, als ich noch im aktiven Dienst am Gymnasium war, durfte mich einmal eine Woche lang ein etwas älterer, sehr interessierter potenzieller Quereinsteiger aus der Wirtschaft in alle Unterrichtsstunden (Englisch, Geschichte, Sozialkunde (= Politikunterricht)) begleiten.

Er plante eine Zäsur in seiner zweiten Lebenshälfte, wollte seinen „zu stressigen“ Job an den Nagel hängen:
die Realisierung seines ursprünglichen Berufswunsches „Lehrer“ sollte bald den ersehnten Paradigmenwechsel, Ausübung seines einstigen „Traumberufes“, geregelte Arbeitszeit, weniger Termindruck und Stress, aber auch mehr Freizeit und Muße bringen.

Ich hatte ihn also ununterbrochen, wirklich ständig, im Schlepptau. In den 5- minütigen Zwischenpausen auf dem Weg in die nächste Klasse bzw. die nächsten Kurse (LK, GKe) beantwortete ich seine Fragen oder kommentierte kurz das Unterrichtsgeschehen.

Bei der Schlussbesprechung fragte er mich dann, ob eine typische Unterrichtswoche bei mir immer so abliefe, oder ob ich wegen ihm eine „Extrawurst“ gemachte hätte.
In einer Freistunde hatte ich überraschend eine Vertretung bekommen, also nicht nur Aufsicht, an zwei Tagen hatte ich in der 1.Großen Pause reguläre Pausenaufsicht. In anderen Großen Pausen stand ich mit meinem Kaffeebecher in der Schlange vorm Kopierer, der plötzlich streikte: Papierstau, der mit vereinten Kräften der anstehenden KollegInnen jedoch recht schnell behoben werden konnte. Oder der Toner fehlte, d.h. Warten bis Hausmeister Zeit hatte – und im Unterricht Zeigen von Improvisationstalent.

Ob ich es denn mal auf die Toilette geschafft hätte, wollte er auch wissen, denn er hätte nichts bemerkt. Ich bejahte: z.B. während Stillarbeitsphase im Leistungskurs sei ich kurz ins Klo gegenüber Kursraum gehuscht.
Und er fragte mich, ob etwas längere Kaffeepausen im Sitzen (!) zur Erholung mit Gespräch(en) auch vorkämen. Ich bestätigte, betonte jedoch, die seien aber eher selten und dann Gespräche recht kurz und knapp, meist auch über Dienstliches oder Organisatorisches.

Sein Fazit:
nur diese einwöchigen Beobachtungen und Erfahrungen, und meine ehrlichen Schilderungen des Lehreralltags, der Korrekturmarathons auch an den Wochenenden, nachts und in den Ferien, brachten ihn davon ab, einen Jobwechsel an die Schule ernsthaft anzugehen.

Die (damalige) Schulrealität war doch anstrengender (geworden), viel stressiger als er es sich vorgestellt hatte.

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Gabriele

Der Praxisschock! Die Realität!

Ja, so sieht unser Job aus.

Dabei fehlen ja noch die end- und sinnlosen Elterngespräche