Corona-Rückstand in der Lehrerausbildung: Es hapert an fachlichem Selbstvertrauen

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KÖLN. Die Corona-Pandemie hat die praktischen Lernmöglichkeiten von angehenden Lehrerinnen und Lehrern signifikant reduziert. Das hat Auswirkungen auf ihr fachliches Selbstvertrauen, zeigt eine Studie der Universität zu Köln.

Lehramtsstudierende und ReferendarInnen haben unter den Einschränktungen im Präsenzbetrieb gelitten. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Lehramtsstudierende, die während der Corona-Pandemie studiert haben, entwickelten ein geringeres Vertrauen in die eigene fachliche Kompetenz als ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen, die davor studiert haben. Dies ist das Ergebnis einer Studie von Forscherinnen und Forschern der Universität zu Köln. Gemeinsam hatten Johannes König, Kristina Gerhard und Daniela Jäger-Biela untersucht, wie sich die Selbstwirksamkeitsüberzeugungen (SEB) von Lehramtsstudierenden während ihres dreijährigen Bachelorstudiums verändern und wie diese Veränderungen durch praktische Lernangebote erklärt werden könnten.

Theoretisch handele es sich bei der ersten Phase der Lehrerausbildung um die „persönliche Transformation vom Studierenden zum Lehrer“, so die Studie. Die Selbstwirksamkeit von Lehrkräften sei dabei zentral für die Beschreibung und Analyse der Motivation von Lehrkräften und die Reflexion ihrer Fähigkeiten.

In ihrer Studie nahmen die Wissenschaftler zwei Gruppen aus dem Lehramtsstudium der Universität in den Blick: Die erste Gruppe hatte ihr Bachelorstudium im Wintersemester 2015/2016 begonnen, also deutlich vor Beginn der Coronapandemie. Die zweite Gruppe startete drei Jahre später ins Studium (Wintersemester 2018/2019). Hatten die meisten Studentinnen und Studenten der ersten Gruppe ihr Studium Anfang des Jahres 2020 bereits beendet, wurde die zweite Gruppe im März 2020 mit der Pandemie konfrontiert, also bevor sie in das vierte Semester eintrat. Alle Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer wurden zu jeweils drei Zeitpunkten befragt.

Studentinnen und Studenten, die während der Pandemie ihr Bachelor-Studium durchliefen, haben systematisch weniger praktische Lernmöglichkeiten erhalten

Entgegen den Erwartungen der Forscher konnte bei beiden Gruppen kein Anstieg der SEBs, also der Überzeugung, aufgrund der eigenen Kompetenzen den Unterricht und das Lernen der Schülerinnen und Schüler erfolgreich gestalten zu können, festgestellt werden. Bei beiden Gruppen zeigte sich vielmehr am Ende des dreijährigen Bachelorstudiums ein signifikanter Rückgang. Dieser sei möglicherweise damit zu erklären, so die Wissenschaftler, dass sich durch vorhergehende Unterrichtsbeobachtung in Praktika die Reflexion der Studentinnen und Studenten über den Lehrerberuf negativ auf ihre SEBs auswirkten.

Für die Gruppe, die unter Pandemie-Bedingungen studieren musste, fiel der Rückgang der SEBs dabei noch einmal signifikant stärker aus als für ihre Vorgängerinnen und Vorgänger. Als Folge hatten angehende Lehrerinnen und Lehrer, die vor der Pandemie studiert hatten, am Ende ihres Bachelorstudiums etwas höhere SEBs, als diejenigen, die während der Pandemie studieren mussten. Konkret war zum Beispiel das Vertrauen in die eigene Fähigkeit, Störungen im Unterricht zu unterbinden, unterschiedlich hoch, ebenso wie die Erwartung, solche Schülerinnen und Schüler motivieren zu können, die in der Schule häufig Misserfolge erzielen.

König, Gerhard und Jäger-Biela vermuten als zentrale Erklärung für diese unterschiedlichen Entwicklungen die wenigen Möglichkeiten, im schulpraktischen Alltag zu lernen, da aufgrund der Corona-Pandemie in Nordrhein-Westfalen wiederholt die Schulen geschlossen waren. Fehlende oder reduzierte praktische Lerngelegenheiten würden in diesem Sinne auch die unterrichtspraktischen „Meisterungserfahrungen“ deutlich reduzieren, die mit „stellvertretenden Erfahrungen“ aus der Lehrerbeobachtung als Quellen von SEB nicht ersetzt werden könnten.

Tatsächlich hätten die Studentinnen und Studenten, die während der Pandemie ihr Bachelor-Studium durchliefen, berichtet, systematisch weniger praktische Lernmöglichkeiten erhalten zu haben. Dies wirkte sich nun beispielsweise auf die Planung und Durchführung erster Unterrichtsversuche als angehende Lehrperson aus.

Auf Basis der Ergebnisse ihrer Untersuchung betonen die Forscher, dass die Rückkehr zu uneingeschränkten praktischen Lernmöglichkeiten für Lehramtsstudierende von entscheidender Bedeutung sei und weiterhin – auch unter Bedingungen der Pandemie – hohe Priorität haben sollte. Überdies dürften die Nachteile, die angehende Lehrpersonen in ihrer Ausbildung durch die veränderten Rahmenbedingungen der Pandemie, vor allem in Form der Schulschließungen, erleben mussten von der Politik nicht aus den Augen verloren werden. Die von den Kürzungen der COVID-19-Pandemie betroffenen Lehramtsstudierendenkohorten hätten wichtige Gelegenheiten zur Entwicklung ihrer Kompetenzen während ihrer Erstausbildung verpasst und bräuchten im Zweifelsfall Unterstützung. News4teachers (zab, pm)

Perspektiven der Lehrerausbildung: Wie bringen angehende Lehrkräfte das, was sie an den Unis lernen, in den Unterricht?

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3 Kommentare
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Ron
1 Jahr zuvor

Immer mehr Studien, Konzepte und Initiativen zu immer mehr Themen, oft banal in der Aussage und teils im Ergebnis bereits vorhersehbar. Wer gibt sowas in Auftrag und bezahlt es dann auch noch? Ich dachte, wir hätten Fachkräftemangel und bräuchten jeden aktiv im Klassenzimmer.

Biene
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Es wird jeder gebraucht, aber trotzdem möchte man gerne Rosinen picken.

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor

Deswegen vertraue ich grundsätzlich auf mein fachliches Selbsthapern, was sich ergab aus meiner Studie über die Selbstwirksamkeit der ichbezogenen Arbeitshaltung im personalen Kontext.

Gähn … schon ganz schön zu spät jetzt. Kinder, wie die Zeit gerinnt, wenn man sich mit Sinnleichem beschädigt.

Last edited 1 Jahr zuvor by Dil Uhlenspiegel