„Wer seine Schulkarriere abbricht, wird möglicherweise jahrelang nicht darauf angesprochen“

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KIEL. Rund 50.000 Jugendliche verlassen in Deutschland alljährlich die Schule ohne Abschluss. Diese Mädchen und Jungen haben es auf dem Arbeitsmarkt besonders schwer. Mit einem flächendeckenden Ausbau von  Jugendberufsagenturen will die SPD in Schleswig-Holstein gegensteuern.

Wer ohne Abschluss bleibt, hat praktisch keine Chance auf eine Ausbildung. Foto: Shutterstock
Wer ohne Abschluss bleibt, hat praktisch keine Chance auf eine Ausbildung. Foto: Shutterstock

Die SPD im Kieler Landtag fordert Konsequenzen aus der anhaltend hohen Zahl von Mädchen und Jungen ohne Schulabschluss. In einem Antrag an das Parlament verlangt die Fraktion, flächendeckend Jugendberufsagenturen einzurichten. Diese sollen verbindlich alle Schülerinnen und Schüler ab Klasse 8 im Blick behalten und sicherstellen, dass niemand nach Verlassen der Schule ohne ein konkretes Anschlussangebot bleibt.

Die Agenturen helfen beim Übergang von der Schule in das Berufsleben mit Beratung und Vermittlungsangeboten. Im Jahr 2021 hatten 2.012 junge Menschen die Schulen in Schleswig-Holstein ohne Abschluss verlassen. Das waren etwas weniger als 2020 (2.283) und 2019 (2.673). In den vergangenen Jahren lag der Norden aber über dem Bundesdurchschnitt. 2019 zum Beispiel hatten hier 9,2 Prozent der Schüler keinen Abschluss, während es bundesweit 7 Prozent waren.

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«Generell gilt: Es ist nicht hinnehmbar, dass so viele junge Menschen durchs Raster fallen»

Dabei variieren die Zahlen von Kreis zu Kreis. «So ist die Wahrscheinlichkeit, die Schule ohne Abschluss zu verlassen, im Kreis Ostholstein doppelt so hoch wie im benachbarten Kreis Stormarn», sagte der SPD-Bildungspolitiker Martin Habersaat. «Generell gilt: Es ist nicht hinnehmbar, dass so viele junge Menschen durchs Raster fallen.»

Viele Anschlussperspektiven und Bildungsverläufe ließen sich statistisch nicht verfolgen. «Wir wissen nicht, was aus diesen jungen Menschen wird», kritisierte Habersaat. «Wer seine Schulkarriere abbricht, wird möglicherweise jahrelang nicht darauf angesprochen.» Mehr Jugendberufsagenturen im Land könnten nach Ansicht Habersaats wichtige Beiträge leisten, solche Defizite abzubauen. Die SPD will mit ihrem Antrag daher die Landesregierung beauftragen, mit den kommunalen Spitzenverbänden die landesweite Einrichtung solcher Agenturen herbeizuführen. Diese gibt es laut Bildungsministerium derzeit in elf Kreisen und kreisfreien Städten mit insgesamt 20 Standorten. In den Kreisen Rendsburg-Eckernförde, Steinburg und Ostholstein sind sie seit längerem geplant.

CDU und Grüne hätten im Koalitionsvertrag vereinbart, in allen Regionen des Landes Jugendberufsagenturen als effizientes Unterstützungssystem einzurichten, erklärte der CDU-Abgeordnete Peter Knöfler zur SPD-Forderung. Sie sollten flächendeckend in allen Kreisen und kreisfreien Städten eingerichtet werden. News4teachers / mit Material der dpa

Akademisierungswahn? Von wegen – wenn Fachkräfte gesucht werden, kümmert euch doch mal um die (zu vielen) Schulabbrecher

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3 Kommentare
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vhh
1 Jahr zuvor

Die bestehenden Agenturen haben bisher genau was geleistet/verbessert? Da wird ein dramatischer Mangel an statistischen Daten beklagt, aber welche konkreten Maßnahmen für die Jugendlichen, (nicht gegen mangelnde Informationen) sind denn geplant? Wo liegt das Problem, „zu viele ohne Abschluss“ oder „wir können nicht dokumentieren, dass wir nicht schuld sind“? Was tut eine „Jugendberufsagentur“, wenn Paula nach Klasse 9 keine Lust mehr hat oder, noch besser,da volljährig, Finn mit 18 nach der verpassten Abizulassung die Schule frustriert beendet, da helfen „Angebote“ zunächst mal nicht viel.
Am Ende ein bürokratisches Monster, das wieder mal aus den Schulen mit nutzlosen „Dokumentationen“ (= unpassenden Formularen) gefüttert werden will. Auch wenn ihr es nicht glaubt, liebe Politiker (egal welcher Partei), nach zehn Jahren Dokumentation werdet ihr nur herausfinden, dass man (viele) kompetente, engagierte, frustrationstolerante Menschen zur intensiven Betreuung der schwierigen Fälle braucht. Etwas unglücklich, wenn die Arbeit in diesem Bereich als wenig prestigeträchtig, mäßig bezahlt ist und im Zweifelsfall als passender Sündenbock gilt. Etwas Geduld bis zur Einsicht der Schützlinge hilft übrigens auch manchmal, dann dürfte man die „gescheiterten Fälle“ allerdings nicht nach drei Jahren abschreiben.

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  vhh

Wer kurz vor dem Abitur die Schule abbricht, hat immerhin den schulischen Teil der Fachhochschulreife. Nur ein einjähriges Praktikum fehlt noch, das auch durch ein soziales oder ökologisches Jahr oder den Wehrdienst abgeleistet werden kann. Und der MSA sollte ja wohl in solchem Fall auch anerkannt werden, weil die Versetzung in die Oberstufe vorliegt. Da kann man wohl nicht jammern, dass solche Leute sozusagen ins Bodenlose fallen.

Angelika Mauel
1 Jahr zuvor

„Wer seine Schulkarriere abbricht“ – Hätte es nicht gereicht, in der Überschrift zu schreiben, „Wer seine Schule ohne Abschluss abbricht…“

Sonst kommen die Jugendberufsagenturen am Ende noch an und bewirken, dass die Erarbeitung von Karriereplänen und Karrierezielen in jeder Schulform „zu verschriftlichen ist“.

„Schreiben“ ist ja nur noch was für I… äh – Erstklässler 😉