Seiteneinsteiger unterschätzen häufig das Classroom Management – meinen Eltern

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ERFURT. Immer mehr Seiteneinsteiger arbeiten in den Schulen als Lehrer. Beispiel Thüringen: Im Schuljahr 2021/22 war dort jeder vierte neu eingestellte Lehrer ein Quereinsteiger. Elternvertretern halten das für alternativlos – trotzdem läuft nicht immer alles rund.

Die Herausforderung, mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten, wird nicht selten unterschätzt. Foto: Shutterstock

Als Reaktion auf den Lehrermangel Schulen ist nach Einschätzung der Landeselternvertretung Thüringen der Einsatz von Seiteneinsteigern weiterhin erforderlich. «Kurzfristig ist das die einzige Möglichkeit, die wir haben», sagte die Landeselternsprecherin Claudia Koch. Lehrer regulär an den Universitäten und im Referendariat auszubilden, dauere viele Jahre. Mit Nachwuchslehrern könnten die bestehenden Lücken an den Schulen nur mittel- oder sogar erst langfristig geschlossen werden.

Koch sagte, die Erfahrungen der Elternvertretung mit den Seiteneinsteigern ohne pädagogisches Studium sei allerdings sehr unterschiedlich. «Fachlich sind die meistens wirklich gut.» Viele von ihnen würden aber unterschätzen, wie sehr es im Schulalltag um das Management von Schulklassen gehe. «Speziell Leute, die von den Universitäten kommen, haben oft große Probleme, sich darauf einzustellen, dass sie ihr Wissen nun an eine fünfte Klasse vermitteln müssen.»

Trotzdem plädiere die Landeselternvertretung für die Einstellung von Seiteneinsteigern, sagte Koch. «Insbesondere in den Naturwissenschaften brauchen wir jeden, den wir bekommen können.»

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«Grundsätzlich werden Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger nur eingestellt, wenn sich für eine bestimmte Stelle keine ausgebildete Fachlehrkraft finden lässt»

Nach Angaben des Thüringer Bildungsministeriums wurden zwischen dem 1. August 2021 und dem 31. Juli 2022 insgesamt 240 Seiteneinsteiger als Lehrer in Thüringen eingestellt. Das entspreche einem Anteil von 23,1 Prozent der Neueinstellungen. Vor allem würden die Quereinsteiger aktuell an Regel- und Gemeinschaftsschulen eingesetzt. «Grundsätzlich werden Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger nur eingestellt, wenn sich für eine bestimmte Stelle keine ausgebildete Fachlehrkraft finden lässt», hieß es aus dem Ministerium – was allerdings immer häufiger der Fall ist.

Im Thüringer Landtag wird derzeit ein Antrag der oppositionellen CDU-Fraktion beraten, in dem unter anderem verbindliche Standards für die Qualifizierung und Zulassung von Seiteneinsteigern verlangt werden. Gefordert wird unter anderem eine dreimonatige Einstiegsfortbildung, bevor Quereinsteiger zum ersten Mal vor einer Klasse stehen sollen. Bisher gibt es vierwöchige Kurse. Zudem soll es für die Neulinge Mentoren geben. Das Bildungsministerium will zudem über neue Ausbildungsmodelle mit den Hochschulen diskutieren.

Seit dem Schuljahr 2017/18 gibt es die Möglichkeit für einen Quereinstieg in den Lehrerberuf in Thüringen, damals gab es laut Bildungsministerium 30 Kandidaten. News4teachers / mit Material der dpa

Studie: Seiteneinsteiger sind weniger zufrieden mit dem Job als studierte Lehrkräfte

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15 Kommentare
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Johannes
1 Jahr zuvor

Ach was?! Unterrichten ist also tatsächlich mehr als vor leuchtenden Augen wissbegieriger junger Menschen sein Fachwissen- wenn man es denn hat- oder seine Alltagskompetenz zu präsentieren? So was aber auch!

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor

Hmm, das Management von Schulklassen, classroom management, hmm, wie das klingt!
Klingt echt gut. Klingt so kompetent, so planbar, so, so wie eine Zauberformel für alles!
– Und wenn aber nur eine/r nicht will, nie, nirgends, nix?… ;o) ausgemanagt, die Herrschaften. Neue Zauberformel bitte.

Last edited 1 Jahr zuvor by Dil Uhlenspiegel
Kalila
1 Jahr zuvor

Überraschung. Einen Beruf fachlich studiert zu haben und didaktisch ausgebildet zu sein, ergibt tatsächlich Sinn. Vor lauter Erkenntnis werde ich heute kaum ein Auge zumachen können. Hammer.

Carsten60
1 Jahr zuvor

Welche Probleme in der Wirklichkeit sollen jetzt mit dem hochtrabenden Ausdruck „Classroom-Management“ beschönigt werden? Ohne Anglizismen können wir rein gar nichts mehr formulieren? Geht’s vielleicht auch um das hier:
https://www.unterschwellige-rangordnung.com/rangordnung-und-mobbing-in-der-schule/

447
1 Jahr zuvor

Ach was, „Lehrer“… das kann doch jeder! Und wieso verdienen die soooooo viel? Kann echt jeder! Schule, gelle, kennt man halt!

Außer wenn Kinder nicht lernen wollen.
Oder „Pandemie“ ist.
Oder es heiß draußen ist.
Oder kalt.
Oder (ganz ausnahmsweise mal) die Bücher veraltet.
Oder sie was nicht sofort verstehen.
Oder üben sollen.
Oder…

Ich werde dann demnächst Arzt. Ich meine, yo, Arzt halt gelle, so, „Wie geht es ihnen heute?“, Machen sie mal aaaaaaa, „Paracetamol“,“Krankschreibung“, Privatpatienten zuerst dran nehmen … Nachmittag frei, da ist die Praxis ja zu.

Dr.Kerie
1 Jahr zuvor

Na, hier purzeln alle Begrifflichkeiten ja fröhlich durcheinander. Seiten- und Quereinstieg ist ein Unterschied, wenigstens ist das in Niedersachsen der Fall. Hier habe ich, als Quereinsteiger, meinen Abschluss als promovierte Biologin zwei Fächern zuordnen müssen, und das war schon mit einem irre bürokratischen Aufwand verbunden, ist allerdings auch schon 10 Jahre her. Dann habe ich, gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Referendariat, die drei Gym-Seminare besuchen müssen – zwei Fach-, und das Pädagogikseminar, mit Unterrichtsbesuchen der Fachleiter plus Einschätzungsberichten der Schulleitung. Dann hatte ich noch ein Jahr Probezeit. Und DANN ist man fertig, nach erfolgter Abschlussbegutachtung. Ach so, das ganze bei vollem, eigenverantwortlichem Unterricht, lediglich 4 Stunden wurden für das Seminar abgezogen. Klassenlehrerin war ich auch, mit einem Kollegen zusammen, das ist an einer Gesamtschule so üblich.
Seiteneinsteiger sind in Niedersachsen Kolleginnen und Kollegen, die diese Quereinstiegsausbildung nicht durchlaufen haben, sondern vom Fleck weg angestellt werden. So kann z.B. auch ein Tischlermeister bei uns an der Schule im Fachbereich AWT (Arbeit, Wirtschaft, Technik) unterrichten, und der macht das super.
Wir sollten, wieder mal, Menschen nicht in Schubladen stopfen, sondern differenzieren. Ich habe tolle Lehrer kennengelernt, die auf Lehramt studiert haben und von denen ich viel mitnehmen konnte. Und ich habe auch das Gegenteil getroffen, völlig überforderte junge Menschen, denen alles über den Kopf wächst und die erschrocken mitten in einer tobenden Klasse sitzen. Und ich habe tolle Lehrer aus dem Quereinstieg, die mit Herzblut und Fantasie ihren Unterricht wuppen, aber auch hier das Gegenteil, getroffen. Ich leite an meiner Schule den naturwissenschaftlichen Fachbereich, und mein Team besteht aus studierten Lehrämtern sowie Quereinstiegskolleginnen und -Kollegen. Und wir machen das alle zusammen topp.
In einer „normalen“ Firma gibt es doch auch Flachpfeifen, Drückeberger, Zugpferde, Schleimer, Großmäuler und kompetente Menschen. An einer Schule ist das nicht anders. Große Überraschung.

C. Bauer
10 Monate zuvor
Antwortet  Dr.Kerie

Da muss ich leider widersprechen. Drückeberger gibt es unter den ve4beamteten LuL immer mehr. Sie sind eine Belastung fürs Kollegium und für SuS. Sie haben unendlich viel Fehlzeiten, und „man kann nix machen“ (Kommentar meines Schulleiters). In jeder anderen Einrichtung hätten sie schon die fristlose Kündigung.

Ron
1 Jahr zuvor

Der Schreiber hat ja nicht unrecht. Auch bei uns sind vermutlich 50 Prozent der Quereinsteiger quasi pädagogische Komplettausfälle. Aber warum heißt das jetzt classroom Management? Erstens ist „classroom“ ein völlig überflüssiger und sinnbefreiter Anglizismus – und zweitens vernebelt der Begriff Management die pädagogische Aufgabenstellung einer Lehrkraft vor der Klasse wohl eher als dass sie sie erklärt. Nur mal so als Annotation von einem Forum-Message-Whriting Manager.

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Dazu werden jede Menge Hilfen und Unterrichtsmaterialien angeboten – jeder Verlag hat da ein Riesenangebot!

Hört sich auch besser und vor allem optimistischer an als: „Hilfe, sie toben mir auf der Nase rum, streiten sich ständig und lernen tun sie auch nicht!“ 😉

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Was wissen eigentlich „die Eltern“ vom Classroom-Management? Wer hat ihnen zu welchem Zweck was davon erzählt? Kann denn die dreimonatige Einstiegsausbildung dieses „Classroom-Management“ effizient lehren? Ist das dann so wie mit Kursen für „Projekt-Management“ ?

Fräulein Rottenmeier
1 Jahr zuvor

Ich behaupte, seit wir unser Konzept zum Classroom Management erarbeitet und eingeführt haben, ist sehr viel Ruhe in unsere Schule eingekehrt. Unser Konzept beinhaltet sowohl mit allen Lehrern und OGS Mitarbeitern konsensierte Regeln und Rituale. Zu den Regeln gehören die drei (recht allgemeinen) Schulregeln und dann weitere ausdifferenzierte Regeln für viele Bereiche des Schullebens. Diese Regeln gelten für alle Kinder und Erwachsenen immer und überall. Ausnahmen gibt es keine und das macht es so gut. Kein Lehrer muss sich in einer ihm fremden Klasse mehr anhören, dass das hier so oder so gehandhabt wird…..es ist verbindlich immer gleich und nimmt enorm Stress weg, da Diskussionen entfallen. Auch verbindliche Rituale (z.B. der Morgenkreis) sind festgelegt. Kennt man einen Morgenkreis, kennt man alle :).
Der andere Teil des Classroom Management sind die Konsequenzen. Auch hier gibt es gemeinsame Vereinbarungen, an die sich alle LuL halten. Dazu haben wir eine super Fortbildung mit Rudi Rhode gehabt , das nur nebenbei.
Alles ist natürlich auch verschriftlicht und jeder neue Kollege kann alles gut nachlesen.
Also ja, ist bin ein sehr großer Fan von diesem Classroom Management…..gibt übrigens auch eine tolle Zeitschrift dazu ….heißt „klasse leiten“….und enthält immer wieder gute Anregungen dazu….

Last edited 1 Jahr zuvor by Fräulein Rottenmeier
DieHoffnungistfastgestorben
1 Jahr zuvor

Und ich behaupte sie leben wohl auf der Insel der Glückseligen. Ich habe schon an vielen Schule gearbeitet, einheitliche Regeln gab bzw. gibt es an jeder Schule…nur leider menschelt es auch in jeder Schule, in der einen mehr in der anderen weniger. Aber ich habe noch NIE erlebt, das Kollege X, die Regeln genau so wie Kollege Y auslegt…und sich alle wenigstens an eine keine, verbindliche Liste halten. Und aus dieser Freiheit der vielen Individualisten, angeführt von oft systemgeliebten Funktionsträgern, die nicht so gerne maßregeln, entsteht eine Gemengenlage, die zumindest in meiner Schulart (der Mittelschule in Bayern) sehr sehr viele Kollegen an den Rand der Belastbarkeit drängen…aber es freut mich zu hören, dass es diese Lerninseln mit gleichen Regeln für Alle irgendwo da draußen gibt…

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor

Nein. Die Zauberworte sind: .. an die sich alle LuL halten.

Dann kann das gut funktionieren.

Bei uns klappt das nicht. Da ist es so, wie Sie das beschreiben – die Regeln werden von Lehry zu Lehry anders ausgelegt, der eine guckt hin, wer anders guckt weg.

Diese Probleme sind hausgemacht!

Dagegen hilft nur Einigkeit.

Anamor
10 Monate zuvor

Wir nannten das früher „einheitlich handelndes Pädagogenkollektiv“. Wieder mal ein neu erfundenes Fahrrad…