„Die Digitalisierung bricht klassische Lernsettings auf – herausfordernd für Lehrkräfte“

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MAINZ. Textroboter ChatGPT und andere Instrumente der Künstlichen Intelligenz (KI) ziehen mit Rasanz in die Schulen ein. «Aktuell liegt die Last, dieses Themenfeld gewinnbringend in den schulischen Alltag zu integrieren, bei den einzelnen Lehrkräften, die sich selbstständig in die Materie einarbeiten», stellt Matthias Fehl vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) fest. Mehr Unterstützung sei gefordert.

Die Digitalisierung verändert die Lernformate – und fordert so die Schulen heraus. Illustration: Shutterstock

Landesbildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) sieht die Schulen in Rheinland-Pfalz gut auf den Umgang mit ChatGPT und Co. vorbereitet – das erklärte sie jedenfalls unlängst im Mainzer Landtag. Sie räumte dabei aber ein: «Wir brauchen Wissen im Umgang mit KI», auch über die Funktionsweisen. Gebraucht würden auch neue Lern- und Prüfformate zu der Frage, «wie setzt man KI im Unterricht und zu Hause ein».

Das ist dann doch keine so kleine Herausforderung. Kein Wunder also, dass sich viele Lehrer schnell mehr konkrete Handreichungen für den Alltag im Klassenzimmer wünschen. Der Verband der Lehrerinnen und Lehrer an berufsbildenden Schulen in Rheinland-Pfalz (vlbs) fordert dafür einen Bildungsgipfel. Auch die GEW hält einen «fachlichen Austausch» für angezeigt, «um gemeinsam Perspektiven zu entwickeln» und verweist neben der Belastung der Lehrer auch auf das «Problemfeld technische Ausstattung».

«Das Problem der Benotung steht für uns eher nicht im Vordergrund» – wohl aber die Quellenkritik

Die Landesvorsitzende des Philologenverbands, Cornelia Schwartz, betont, den Schülern müsse deutlich gemacht werden, dass Quellenkritik im Umgang mit Künstlicher Intelligenz  wichtig ist. «Das Problem der Benotung steht für uns eher nicht im Vordergrund.»

Hausaufgaben seien immer schon schwierig zu benoten, «da man nie sicher sein konnte, inwieweit Hausaufgaben wirklich selbstständig angefertigt wurden». Auswege aus diesem Dilemma seien aber etwa die Präsentation mit anschließender Bewertung oder ein Test. Bei der Erstellung von Facharbeiten – längeren Hausarbeiten in der Oberstufe als Vorbereitung auf wissenschaftliches Arbeiten – komme es darauf an, dass ChatGPT als Urheber genannt, der Beitrag des Textroboters gekennzeichnet werde und der Schüler das Thema durchdrungen habe.

Zum Umgang mit KI biete das Pädagogische Landesinstitut (PL) bereits Fortbildungen für Lehrer, sagt GEW-Landeschef Klaus-Peter Hammer. Auch in der Ausbildung von Lehrkräften an der Universität Koblenz werde dem Thema bereits eine besondere Relevanz zugeschrieben, ergänzt Universitätssprecherin Birgit Förg. Veranstaltungen und Fortbildungen seien in Planung und bereits punktuell Thema von Lehrveranstaltungen.

«Das PL baut derzeit in seinem Serviceportal einen Bereich zum Thema KI auf», berichtet Ministeriumssprecher Ulrich Gerecke. «Dieses ist bereits freigeschaltet, stellt das aktuelle Wissen gebündelt dar und wird ständig ausgebaut.» Es habe zudem auch schon eine Reihe von Veranstaltungen zu dem Thema gegeben. Andere seien in Planung, auch für Berufsbildende Schulen im März und April.

PL-Direktorin Birgit Pikowsky sagt, ihr Institut begleite die Schulen schon lange bei der digitalen Transformation. Dafür sei 2022 ein digitales Kompetenzzentrum geschaffen worden. Dort würden Informationen für Lehrkräfte zum Thema KI gebündelt und es gebe Handlungsempfehlungen rund um Unterricht, Lehren und Lernen sowie Hintergründe. «Wir haben einen Online-Selbstlernkurs in unsere Lernplattform@RLP aufgenommen.»

Rheinland-Pfalz habe zudem an der 2022 vorgelegten Empfehlung «Lehren und Lernen in der digitalen Welt» der Kultusministerkonferenz (KMK) federführend mitgearbeitet, sagt Gerecke. Dabei gehe es unter anderem um notwendige Veränderung der Prüfungskultur. Auf KMK-Ebene arbeite Rheinland-Pfalz unter anderem auch an der Weiterentwicklung von Prüfungsformaten mit.

Trotzdem: Die Schulen seien durch die rasante digitale Entwicklung sehr gefordert, betont GEW-Chef Hammer. Hinzu komme, «dass immer mehr „klassische Lernsettings“ aufgebrochen würden. «Diese Veränderung braucht Zeit und ist für viele Lehrkräfte sehr herausfordernd.»

Für die GEW sei es entscheidend, «dass nicht das technische Werkzeug oder die technische Infrastruktur im Vordergrund steht, sondern pädagogische und wissenschaftliche Fragen und vor allem, der Mensch als lernendes Individuum». Die Schule müsse Bildungsraum bleiben, in dem die Schüler und Schülerinnen bezogen auf ihre persönlichen Stärken und Kompetenz gefördert und begleitet würden. News4teachers / mit Material der dpa

Hier geht es zum Digitalen Kompetenzzentrum.

Philologen: KI-generierte Texte lassen sich kaum als solche erkennen – „Viele Lehrkräfte fühlen sich unsicher“

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Leviathan
1 Jahr zuvor

Für mich persönlich ist das eher wenig herausfordernd. Fast unmöglich scheint allerdings für mich unter den Gegebenen Richtlinien und Erlassen sinnvoll damit umzugehen.

Ureinwohner Nordost
1 Jahr zuvor
Antwortet  Leviathan

Für mich auch
Ich verlasse „das System“ in 11 Monaten

Georg
1 Jahr zuvor

Für die Schüler ist das etwa keine Herausforderung?

Carsten60
1 Jahr zuvor

Erst wird die große Digitalisierung mit vielen Sprüchen beschlossen, und hinterher fängt man an, über Probleme nachzudenken. Das ist richtig typisch für Schulreformen.

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Carsten60

Das ist „Digital first – Bedenken second“.

Erearten wir wirklich etwas anderes?

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Riesenzwerg

Man vergleiche die lauen Begründungen für G8 und dann das Zurückrudern nach G9. Jetzt gibt’s auch in Baden-Württemberg eine Bürgerinitiative für die Rückkehr zu G9, nur in den Stadtstaaten regt sich nichts.

Pit2020
1 Jahr zuvor

Viele Gedanken finden sich bereits in dieser Ausgabe von „nano“ vom 9.12.2022:
https://www.ardmediathek.de/video/nano/digitalisierung-schlechte-noten-fuer-schulen/ard-alpha/Y3JpZDovL2JyLmRlL3ZpZGVvLzEzZGE2NzQ4LTQ5ZmItNDU1My05MmJmLTFmZTJhODNlZjRkNA

Aktuelle Ergänzungen in der letzten Ausgabe von „nano“ vom 11.3.2023:
https://www.ardmediathek.de/video/nano/konzept-fuer-digitale-bildung-fehlt/ard-alpha/Y3JpZDovL2JyLmRlL3ZpZGVvLzM1OGM1NDY4LTAzOWQtNGJmMy05YjdhLTkwODQwZTJlMjZhYQ

Die Beiträge zum Thema Digitalisierung sind jeweils direkt die ersten in den Sendungen und dauern etwa 10 Minuten.

Und das hier sollte man sich vorher unbedingt mal anschauen – bevor alle in blind-hektischen Aktionismus verfallen:
https://www.ardmediathek.de/video/arte/smarte-kids-kinder-und-digitale-medien/arte/Y3JpZDovL2FydGUudHYvdmlkZW9zLzA4NjEwNy0wMDAtQQ
(Dieses Video ist verfügbar bis 29.03.2023 ∙ 05:00 Uhr. Es lief aber auch auf „arte“, vermutlich wird es dann bald auf deren YouTube-Kanal zu finden sein.)

  • Es gibt den berühmten „Blick über den Tellerrand“, sogar „all over the world“! … Und auch skandinavische Länder (Schweden!) kommt vor. 🙂
  • Man beachte das sog. „Transfer-Defizit“ bei Kindern im Alter von 2 Jahren! (Wer sich jetzt fragt „Was hat DAS denn mit Schule zu tun?“, der sei nur kurz daran erinnert, dass alle SuS ja auch einmal 2 Jahre alt waren … – sic!)
  • Absolute Highlights in dieser durchgängig interessanten Doku sind für mich ungefähr beginnend mit den Minuten 17 / 29 / 42 und 50.

Soviel im Überblick zur Ambivalenz der digitalen Medien … gut auf den Punkt gebracht.

Man muss halt immer beide Seiten (bzw. extreme Positionen) im Blick behalten – und dazwischen ist ja auch noch viel Raum.

Ron
1 Jahr zuvor

Ich fühle mich durch KI nicht gefordert. Klausuren werden weiterhin handschriftlich und ohne Handy verfasst, Hausaufgaben gehen nur zu einem Bruchteil in die mündliche Bewertung ein. Ich brauche also weder einen Bildungsgipfel noch neue Handreichungen – schon gar nicht von der GEW. Da wird dann im Anschluss sowieso nur gefordert, Hausaufgaben und Klausuren abzuschaffen und nach Möglichkeit auf die Noten zu verzichten. KI wird dabei als willkommene Argumentationsstütze für die bekannten Gleichmachereiträume genutzt.

Defence
1 Jahr zuvor

Jaja. Die gute Digitalisierung. Alles schön und gut. Auch ich nutze die Vorteile ausgiebig für meinen Unterricht. Jetzt wurde mal endlich etwas Geld investiert und jeder wurde mit Devices ausgestattet.

Was ich mich allerdings frage: Weiß man, dass die Geräte in wenigen Jahren (3-max. 5) nicht mehr attraktiv, geschweige denn brauchbar sein werden?
Wer finanziert dann neue Geräte?
Was ist mit den laufenden Kosten?

Digitalisierung kostet einen Batzen Geld. Und leider befürchte ich, dass deshalb die Digitalisierung in Schulen, wie alles was Geld kostet, stiefmütterlich behandelt wird oder gar irgendwann im Sande verläuft.

Ich glaube nicht an eine KMK, die das Thema Digitalisierung ernsthaft in Angriff nimmt.

Was bleibt sind die engagierten KollegInnen, die sich krumm und buckelig schaffen, um den strebenden Patienten (Digitalisierung), irgendwie am Leben zu erhalten.

Ich mach das was geht. Und was eben nicht geht, geht eben nicht.
Bücher, Hefte, Stifte tun es auch!

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Defence

Da die Geräte vom Bund finanziert wurden, kann ich mir nicht vorstellen, dass die Ersatzgeräte vom Schulträger oder Land finanziert werden.

Ureinwohner Nordost
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

Oder auch nicht.

Dann ist wieder Schluss mit Digitalisierung.
Wird nicht das Schlimmste sein, in den nächsten 20 Jahren des BRD- Bildungssystems.

Pit2020
1 Jahr zuvor
Antwortet  Defence

@Defence

Ich stimme Ihnen zu!

„Was ich mich allerdings frage: Weiß man, dass die Geräte in wenigen Jahren (3-max. 5) nicht mehr attraktiv, geschweige denn brauchbar sein werden?

Die „älteren Semester“ unter uns erinnern sich sicherlich noch an z.B.:

  • Sprachlabore (Die waren durchaus hilfreich beim Fremdsprachenerwerb, aber leider auch sehr anfällig für technische Probleme aller Art, „Verschleiß“ durch juvenlile Nutzer usw usf. … Irgendwann wurden sie nicht mehr repariert, weil auch dieser Hype bei den damaligen Bildungsexperten „durch“ war. Die Räume mitsamt den Technik-Ruinen wurden dann über viele Jahre/Jahrzehnte notfalls als große, große Abstellkammern „genutzt“.)
  • Videotechnik (DER „heiße Scheiß“ – wenigstens solange, bis sich auch bei den SuS Marke „Rüpel aus der letzten Bank“ herumgesprochen hatte, dass man jetzt – also in den 80ern – auch schicke 😉 Filme – z. B. „Die Blechtrommel“ von Grass – im Unterricht schauen konnte, dass im Anschluss danach aber Filmanalyse und Textvergleich mit z.B. der Romanvorlage erfolgte. War dann irgendwie für einige doof, weil Filme wie der o.g. doch eine andere Liga waren als „Flash Gordon“ in der 1980er-Version, obwohl ich diesen Film heute noch sehr mag! 😉 )

Neben „Bücher, Hefte, Stifte tun es auch!“ gibt es auch noch andere Materialien, die geradezu erfrischend altmodisch (Nur scheinbar paradox!) sind … und dazu noch

  • nahezu unverwüstlich = „wartungsarm“
  • kostengünstig
  • in Windeseile einsatzbereit
  • erhältlich für die Arbeit in verschiedenen Fächern und Leistungsniveaus
  • und … TÄDÄÄÄÄÄÄ: Bei den SuS (ungefähr bis Klasse 7) gerade für individuelle Förderung und Übungsphasen außerordentlich beliebt sind die guten, alten LÜK-Kästen und -Übungshefte, auch und gerade als Kontrast zu dem (laut SuS-Aussagen) oft Kopfschmerz auslösendem Dauergeflimmer an Whiteboards und Tablets. (Ja, auch damit arbeite ich im Unterricht und die Betonung liegt auf „auch“!) Mit den Kästen lässt sich prima auch in Förderunterricht und DaZ-Unterricht arbeiten, in Einzel- oder Partnerarbeit sehr empfehlenswert! (Der Clou: Es wird tatsächlich gut überlegt, welche Antwort richtig ist und nicht nur hektisch „gewischt“ auf der Jagd nach dem nächsten „Blinki-Blinki-Belohnungsbildchen“, dem nächsten Level oder dem nächsten „Ich bin fertig, was soll ich jetzt machen?!“)

Weitere Gedankenanstöße in Sachen „Pro und Kontra: Digitale Medien für Kinder“ vgl. in meinem ersten Post oben den letzten der drei Links zu der ARD-Mediathek.

GriasDi
1 Jahr zuvor
Antwortet  Pit2020

Zitat:
Bücher werden in Schulen bald obsolet sein … Es ist
möglich, jeden Zweig des Wissens der Menschheit mit Hilfe von
Filmen zu lehren. Unser Schulsystem wird innerhalb von zehn
Jahren vollkommen verändert sein.«“

Thomas Edison 1913

100 Jahre Disruption 😉

Arthur
1 Jahr zuvor

Auf das Framing mit der „Herausforderung“ falle ich nicht mehr herein. Schon zu oft gehört.

Teacher Andi
1 Jahr zuvor
Antwortet  Arthur

Ein schöner Euphemismus für „zu bewältigende Probleme“.

Ureinwohner Nordost
1 Jahr zuvor
Antwortet  Teacher Andi

Genau,
auch der freie Fall ist für den Springer aus 3000 m Höhe eine „Herausforderung“. (zumal ohne Fallschirm)

Georg
1 Jahr zuvor

Neben der Überwindung des Abspringens und dem Aufprall gibt es keinerlei Probleme.

Nachdenker
1 Jahr zuvor

Den „lernenden Menschen“ „in den Vordergrund“ zu stellen, würde bedeuten, zunächst einmal zu erforschen, wie sich KI auf die Entwicklung des Gehirns auswirkt. Sonst läuft es wie bei den Tablett- oder Laptop-Klassen an US-Unis, die nach einem Jahr weniger Lernfortschritt zeigten als die Kontrollgruppen (s. Prof. Manfred Spitzer). Für die Entwicklung eines topografischen Verständnisses ist es ja auch hilfreich, Karten lesen zu können, obwohl es Navigationssysteme gibt. Auch künftige Generationen sollten erkennen können, was für einen Unsinn ChatGPT verfasst, wenn es ein unbekanntes Gedicht interpretieren oder einen Textvergleich liefern soll.

Anvi
1 Jahr zuvor

Ich frage mich, woher dieser Hype um ChatGPT herkommt. Digitalisierung reicht offenbar nicht mehr als Buzzword, dabei hängen da noch sehr viele Schulen meilenweit hinterher.
AI wird in Zukunft bestimmt interessante Möglichkeiten für die Schule bieten, aber da sind wir noch lange nicht. IT nur ein Werkzeug und zwar ein relativ teures und wartungsintensives, was eine gute Infrastruktur und insbesondere ein gutes Konzept benötigt. Viele Schulen haben weder Geld noch Infrastruktur, noch die Expertise um ein Konzept zu erstellen. Somit wundert es mich nicht, dass Gelder aus dem Digitalpakt nicht abgerufen wurden.
Ich sehe häufig, dass ein Haufen Hardware gekauft wird und alles andere fehlt. In dem Berufskolleg, dass mein Sohn besucht hat, lagen massenweise neue Ipads im Keller, weil leider das WLAN noch fehlte und niemand die Geräte konfiguriert hat. Der zuständige städtische IT-Service war leider ausgebucht.
So schön AI für die Bildungsforschung auch sein mag, ich würde realistische und in der Praxis geprüfte IT-Konzepte für Durchschnittsschulen mehr begrüßen.

GriasDi
1 Jahr zuvor
Antwortet  Anvi

KI ist das neue Blockchain 😉