BERLIN. Zu Beginn des neuen Schuljahres hat sich die Zahl der eingestellten Lehrkräfte ohne Lehramtsausbildung in Berlin gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt. Dies teilt die GEW mit. Von den aktuell 4.762 neu eingestellten Lehrkräften seien 3.300 sogenannte „sonstige“ Lehrkräfte – Seiteneinsteiger*innen bzw. Lehrkräfte ohne volle Lehrbefähigung, darunter etwa 550 Studierende, Lehrkräfte an Willkommensklassen und Lehrkräfte mit internationalen Lehramtsabschlüssen. „Das sind fast 70 Prozent aller neu eingestellten Lehrkräfte, die ganz überwiegend befristet eingestellt werden – viele von ihnen immer wieder“, so heißt es in einer Pressemitteilung.
„Zwar ist die Anzahl der Neueinstellungen gestiegen, der Anteil ausgebildeter Lehrkräfte sinkt jedoch immer weiter“, erklärte Martina Regulin, Vorsitzende der GEW BERLIN, mit Blick auf die Schuljahresauftakt-Pressekonferenz von Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU). „Die Zahlen zeigen, dass wir in den Schulen auf Lehrkräfte ohne volle Lehrbefähigung angewiesen sind. Ohne sie würde der Schulbetrieb zusammenbrechen. Es ist daher umso wichtiger, dass die Senatsbildungsverwaltung für diese stetig wachsende Gruppe an Lehrkräften endlich ein strukturiertes berufsbegleitendes Weiterbildungssystem auf den Weg bringt, um sie dauerhaft zu binden und ihnen das nötige pädagogisch-didaktische Rüstzeug für eine dauerhafte Tätigkeit als Lehrkraft zu geben. Das ist auch eine Frage der Wertschätzung und letztlich der Entlohnung für die gleiche Tätigkeit. Es ist aber auch eine Frage der Bildungsqualität“, betonte Regulin
Nur noch 1.111 neu eingestellte Lehrkräfte haben der GEW zufolge eine vollständige Lehramtsausbildung (23 Prozent), wobei darunter rund 350 pensionierte Lehrkräfte sind. Im Vorjahr waren es noch 1.270 (37 Prozent). Von den 479 Berliner Absolventinnen und Absolventen des Lehramtsreferendariats im Sommer 2024 sind bisher nur 389 neu eingestellt worden.
“Auch die viel beschworene Verbeamtung hat keinen nennenswerten Effekt bei der Gewinnung und beim Halten von Lehrkräften in Berlin”
„Der Ausbau der Studienplätze fürs Lehramt wirkt sich bisher nicht positiv bei den Neueinstellungen aus. Auch die viel beschworene Verbeamtung hat keinen nennenswerten Effekt bei der Gewinnung und beim Halten von Lehrkräften in Berlin. Die Gründe liegen in den schlechten Arbeitsbedingungen und der hohen Arbeitsbelastung der Lehrkräfte. Viele Lehramtsstudierende arbeiten inzwischen während ihres Studiums in den Berliner Schulen und werden von der Schulrealität abgeschreckt. Volle Klassen, fehlende IT-Ausstattung, hohe physische und psychische Belastung führen dazu, dass sie sich am Ende gegen den Beruf Lehrkraft entscheiden“, so die GEW-Landesvorsitzende.
Die GEW kritisiert darüber hinaus scharf, dass die Bildungssenatorin einen beträchtlichen Teil des Personalbedarfs durch Mehrarbeit bei den Lehramtsreferendar*innen und Streichungen von Profilstunden abdeckt. „Ohne diese Verschlechterungen würden nicht nur rund 700 Stellen, sondern fast 1.000 Stellen unbesetzt bleiben. Das geht zu Lasten der Ausbildung der angehenden Lehrkräfte und wird deren Begeisterung für den Beruf nicht erhöhen“, so Regulin. News4teachers
Und jeder, der “multiprofessionelle Teams” an Schulen fordert, sollte sich diesen Artikel gut durchlesen. Es sind ja nicht einmal genügend Lehrkräfte da, um den aktuellen Bedarf zu decken. Es sei denn, die multiprofessionellen Teams dürfen ebenfalls aus Seiteneinsteigern bestehen. Dann macht eben der Metzger die soziale Arbeit.
Gleiches gilt für den Ganztag. Eine Rückkehr zum Halbtag würde den Fachkräftemangel mildern.
Ganz bestimmt. Sonst würde Ihr Vergleich ja auch hinken…
Sie sind also der Meinung, die Aufgabenbereiche multiprofessioneller Teams sollen auch noch durch Lehrkräfte aufgefangen werden oder machen Sie die Augen zu und wünschen sich den Bedarf weg?
Nein. Aber dieser Wunsch nach diesen Teams entspricht halt überhaupt nicht den Gegebenheiten vor Ort. Aber gut, wünschen kann man es sich ja mal. Ich wünsche mir auch einen Lottogewinn im sechsstelligen Bereich. Die Wahrscheinlichkeit, ihn zu bekommen, ist in etwa genauso wahrscheinlich wie multiprofessionelle Teams an jeder Schule.
“Aber gut, wünschen kann man es sich ja mal. Ich wünsche mir auch einen Lottogewinn im sechsstelligen Bereich.”
Wenn Sie die Chancen so bewerten, tut mir das leid. Schätze diese Teamaufgaben werden alleine auf Sie zurückfallen 🙁
An meiner alten Schule war das MPT im Ganzen zum Wegwerfen. Sie haben mehr Probleme verursacht, als dass sie gelöst haben. So spielte sich u.a. eine Bachlorette in Genderkram als Psychologin auf. Das Ergebnis kann sich jeder denken.
An meiner aktuellen Schule freue ich mich richtig, dass ich durch das Team Unterstützung erhalte.
Pauschal würde ich daher nicht gegen MPTs reden. Die Verantwortlichen sollten aber mal besser auf die Eignung der Kandidatinnen achten.
In gewisser Weise ist das ja jetzt schon der Fall. Schulbegleitungen sind beispielsweise eine Wundertüte und man kann sich glücklich schätzen, wenn man da eine pädagogisch ausgebildete Fachkraft in der Klasse sitzen hat.
“Die Zahlen zeigen, dass wir in den Schulen auf Lehrkräfte ohne volle Lehrbefähigung angewiesen sind.”
Nein, Frau Günther-Wunsch, die Bildungspolitik hat diese Abhängigkeit herbeigeführt – der Unterschied besteht in der Veranwortung 😉
So ist es. Ohne Seiteneinsteiger würde das Schulsystem zusammenbrechen.
Berlins Schulsenatorin Frau Günther-Wünsch tönte heute im Regionalsender RBB, man schummle nicht bei den Zahlen fehlender Lehrer. Doch, es wird geschummelt, weil plötzlich hinzugerechnet wird, was in den Jahren vorher nicht mit eingerechnet wurde. Nur so ist der Lehrermangel gesunken. Die vielgepriesene Verbeamtung hat nicht viel bewirkt. Da hat man sich schön täuschen lassen.
Aber alle nicht verbeamteten Lehrern haben Frau Günther-Wünsch und ihre CDU im Stich gelassen! Trotz großer Töne in der Opposition! Wie immer!
https://www.tagesspiegel.de/berlin/schule/fast-1000-lehrer-haben-gekundigt-dramatischer-verlust-belastet-berlins-schulen-12256196.html
Hier kann man nachlesen, wie wenig die Verbeamtung gebracht hinsichtlich der Berliner Lehrer, die hinschmeißen oder weiterhin abwandern. Die Darstellungrn waren und sind alle falsch (geschummelt).
Eigentlich entnehme ich dem Artikel eher, welche Probleme durch die lange Phase der Nicht-Verbeamtung heute vorhanden sind. In Berlin sind heute 50 % der Lehrkräfte angestellt und diese kündigen nunmals deutlich häufiger, wenn z. B. der Partner umzieht oder man sich beruflich neu orientieren möchte. Dazu kommt, dass durch die Wiedereinführung der Verbeamtung die Angestelltengehälter deutlich gesenkt wurden. Vorher gab es ab dem Dienstantritt die höchste Erfahrungsstufe, heute hängt dies wieder vom Dienstalter ab.
Nun, mit Seiteneinsteigern bricht das System auch zusammen. Vermutlich sogar noch schneller.
Absolut nicht! Solange ein warmer Körper vor der Klasse sitzt, gilt der Unterricht als nicht ausgefallen.
Es ist tatsächlich irre, bedenkt man die echten Chancen, die man haben KÖNNTE.
Ein Handwerker, der sein ganzes Know How einbringt, eine Köchin, die mit der Perspektive aus einer Großküche miit der Gruppe die ganze (!) Berufsschule versorgte.
Aber diese Beispiele wurden eingearbeitet und konnten sich fortbilden. Jetzt wird gekittet und danach wundern wir uns über die hohe Abbruchquote der Quereinsteiger*innen -__-
An manchen Tagen frage ich mich ob es nicht besser gewesen wäre das das System zusammen klappt. Denn so wie es jetzt ist, halt dieses System nur noch durch Pflaster und Kaugummi.
Im Podcast “Die Schule brennt” wurde es passend beschrieben: Das Gebäude ist längst nicht mehr bewohnbar, aber einstürzen tut es noch lange nicht.” 🙁
“Solange ein warmer Körper vor der Klasse sitzt, gilt der Unterricht als nicht ausgefallen.” – dann zählt also digitaler Distanzunterricht (Homeoffice) als Ausfall? Da müssen die KI-Entwickler sich noch etwas einfallen lassen, um “warme KI” zu entwickeln. Das kann dauern! 🙂
Ich fürchte, Sie sind auf den Weg gestoßen, mit dem meine Mindestvoraussetzung noch unterschritten werden kann -___-
Sehe ich genauso. Die Seiteneinsteiger an meiner Schule sind wirklich sehr bemüht. Aber das war es dann auch schon. Es sind nun mal keine ausgebildeten Lehrer:innen.
„Auch die viel beschworene Verbeamtung hat keinen nennenswerten Effekt bei der Gewinnung und beim Halten von Lehrkräften in Berlin“
Nein, warum auch. Der Beamtenstatus verbessert nur Situation von denjenigen Personen, welche eine höhere Jobsicherheit oder bessere Kreditkonditionen bei der Hausbank suchen. Alle anderen werden sogar stark eingeschränkt: So kann ein Beamter nur schwerlich einen beliebigen Nebenjob annehmen, da dieser mit Auflagen (z.B. 1/5 der Hauptarbeitszeit, Androhung von Verlust der Pension bei Kündigung, Bindung an das Bundesland) verbunden ist.
Das Argument, man könne ja Angestellter werden, ist mit Blick auf die finanziellen Nachteilen auch nicht sonderlich überzeugend.
Ganz zu schweigen davon, dass das Beamtentum oder “noch mehr Geld” die Arbeitssituation nicht verbessert.
So sehe ich es auch. Die Verbeamtung nützt eigentlich nur denen, die bereits Lehrer sind, bringt also keinen Lehrer mehr ins System. Die Zahlen der Interessenten sinken weiter und Umzüge gibt es weiterhin.
Jene, die für zu alt erklärt wurden, wurden hingegen vor den Kopf gestoßen. Sie hatten am längsten die Nachteile des Angestelltentums und behalten sie. Danke CDU und SPD.
Seiteneinsteigende sind ja auch erst gerade dabei einzusteigen. Wenn sie dann eingestiegen sind, wird hoffentlich alles gut. Dann lautet die Überschrift: “Dank der Seiteneingestiegenen bricht das Schulsystem nicht (mehr) zusammen” Aber wann ist es soweit? 🙂
Wer nach Seiteneinsteigenden sucht, muss sich nicht wundern wenn er bei Rumsitzenden nur ein müdes Lächeln hervorruft.
Man wird noch Zeiten sehen, wo jede und jeder Unterricht halten darf, ganz unabhängig von Vorbildung und Qualifikation. Für mich ist diese Zukunftsperspektive deshalb recht spannend, weil sie den in den vergangenen Jahrzehnten so eifrig publizierenden “Lehrerhassern” die Chance eröffnet, ihre Beschreibung von Lehrkräften als inkompetent und faul zu verifizieren. Die Zukunft wird zeigen, ob die mittlerweile aus dem Schuldienst längst ausgeschiedenen Vorzeitlehrkräfte dann von den diversen Seiten-, Quer-, Oben- und Schrägeinsteigern in den pädagogischen Schatten gestellt werden. Eigntlich müsste es ja so sein.