“Sehr herausfordernd”: Wie die Kultusministerin Probleme an Schulen lösen will

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HANNOVER. Neues Schuljahr, alte Probleme: An Niedersachsens Schulen knirscht es. Wieder gibt es mehr Schüler – gleichzeitig fehlen Lehrkräfte. Die Kultusministerin hat einen Plan, doch es gibt Kritik.

“Frappierender Fachkräftemangel”: Niedersachsens Kultusministerin Julia Willie Hamburg. Foto: Grüne Landtagsfraktion Niedersachsen / Brauers.com

Angesichts des Lehrkräftemangels und steigender Schülerzahlen sieht Kultusministerin Julia Willie Hamburg viele Baustellen an Niedersachsens Schulen. «Die Situation ist sehr herausfordernd», sagte die Grünen-Politikerin im Landtag. «Wir haben allein in diesem Schuljahr 19.000 Kinder, die neu in die Schulen kommen.» Hinzu kämen eine veränderte Schülerschaft, schnelle gesellschaftliche und digitale Entwicklungen, zunehmende psychische Krankheiten bei Kindern und Jugendlichen – und ein «frappierender Fachkräftemangel».

Diese riesigen Probleme könnten nicht einfach mit «einem Schnipp» gelöst werden, sagte Hamburg. Aber man arbeite sehr konsequent daran. «Wir handeln und das an dieser Stelle verlässlich.» Dem Lehrkräftemangel etwa will das Land unter anderem mit einer höheren Bezahlung gegensteuern.

Zehntausende Lehrkräfte bekommen mehr Geld

Viele Lehrkräfte kamen zum neuen Schuljahr in eine höhere Besoldungsgruppe; ihr Gehalt wurde angehoben. Laut Kultusministerium profitiert davon rund jeder Zweite der mehr als 71.000 Lehrerinnen und Lehrer, die an den allgemeinbildenden Schulen im Land unterrichten. Zudem sollen in diesem und im nächsten Jahr 2.460 neue Vollzeitstellen geschaffen werden.

Der AfD-Bildungspolitiker Harm Rykena kritisierte die höhere Bezahlung jedoch. «Wir bekommen dadurch keinen einzigen Lehrer mehr ins System», sagte er. Zudem profitierten überwiegend Grundschullehrerinnen und -lehrer davon – aber gerade an Grundschulen gebe es keinen Mangel. Das Geld fehle jetzt an anderen Stellen. Rykena hatte unlängst mit einem «Infoportal» für Schlagzeilen gesorgt, auf dem Lehrkräften unterstellt wird, «unsere Jugend zu instrumentalisieren und zu manipulieren» – News4teachers berichtete.

Maßnahmen für mehr Gerechtigkeit

Mit zwei weiteren Maßnahmen will die Kultusministerin für mehr Bildungsgerechtigkeit sorgen:

  1. Sozialindex: An Schulen, an denen die Kinder und Jugendlichen einen ausgeprägten Förderbedarf haben, sollen Lehrkräfte und weiteres Personal verstärkt eingesetzt werden.
  2. Startchancenprogramm: An 390 mit dem Sozialindex ermittelten Schulen mit rund 122.000 Schülerinnen und Schülern soll die Zahl der Schüler, die Mindeststandards in Mathematik und Deutsch verfehlen, halbiert werden.

Nach Ansicht von CDU-Bildungspolitiker Christian Fühner wird das Startchancenprogramm allerdings zu langsam, sparsam und bürokratisch umgesetzt. Der Großteil der Schulen werde nicht berücksichtigt.

«Ausfall von Unterricht ist mittlerweile Alltag»

Fühner kritisierte auch die seit Jahren niedrige Unterrichtsversorgung. «Der Ausfall von Unterricht ist mittlerweile Alltag an unseren Schulen, leider», sagte der CDU-Abgeordnete.

Die Unterrichtsversorgung ist in Niedersachsen schon lange ein Streitthema. Der Wert wird aus dem Verhältnis von Schülern und Lehrerstunden ermittelt. Zuletzt lag er bei 96,9 Prozent und war auf niedrigem Niveau leicht angestiegen. Je nach Schulform ist der Wert höher oder niedriger. An Gymnasien lag die Unterrichtsversorgung mit Stand August 2023 bei fast 100 Prozent, an Förderschulen hingegen waren es nur 91,6 Prozent.

Streit um 2.400 pädagogische Mitarbeiter

Diskussionen gab es auch über die Zukunft von mehr als 2.400 pädagogischen Mitarbeitern an den Schulen. Die CDU wollte wissen, ob deren Beschäftigung zum Jahresende vor dem Aus stehe. Ministerin Hamburg bestätigte die Befristung, betonte aber, dass diese von Anfang an klar kommuniziert worden sei. Insgesamt sei ihr Ziel, die Zahl der nicht lehrenden Beschäftigten auszubauen. Bei den 2.400 pädagogischen Mitarbeitern gehe es zudem überwiegend um Minijobber und somit umgerechnet lediglich rund 600 volle Stellen.

Hamburg erklärte, die Schulen erhielten mit dem Ausbau der Ganztagsschulen künftig mehr Geld zur Beschäftigung von Personal sowie für Kooperationen. Die Schulbudgets würden damit gestärkt, sodass die Schulen ihre pädagogischen Mitarbeiter auch über das Jahresende hinaus beschäftigen könnten.

Insgesamt sei die Zahl der Beschäftigten aus dem Bereich Schulsozialarbeit und der pädagogischen und therapeutischen Fachkräfte seit 2019 bereits von rund 11.300 auf mittlerweile rund 17.000 gesteigert worden. Das wolle die Regierung fortsetzen. «Mir ist bewusst, dass in den kommenden Jahren weiterhin ein erhöhter Bedarf an nicht lehrendem Personal bestehen wird, sodass wir einen weiteren Aufwuchs der Beschäftigtenzahlen leisten müssen», sagte Hamburg. News4teachers / mit Material der dpa

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JoE
1 Monat zuvor

“Zudem profitierten überwiegend Grundschullehrerinnen und -lehrer davon – aber gerade an Grundschulen gebe es keinen Mangel”

In welcher Realität soll das der Fall sein?

RainerZufall
1 Monat zuvor
Antwortet  JoE

Ich teile die Verblüffung. Hat Herr Rykena die Zahlen dazu richtig vorliegen?
Oder sind das… sagen wir “konservativ geschätzte” Zahlen?

Hellmut
1 Monat zuvor
Antwortet  JoE

Ich bin auch über den Satz geholpert und dachte erst, dass sich hier ein grober Tippfehler eingeflossen ist. Da aber weder die n4t-Redaktion noch die dpa eine nachvollziehbare Quellenangabe von diesen Zitat angibt, habe ich recherchiert. Das kostete mich etwa eine halbe Stunde.

Die Pressemeldung aus welchem das Zitat von Rykena anscheinend entstammt, gibt dem Zitat eine ganz andere Bedeutung:
Rykena verweist auf die hohe Teilzeitquote im Grundschulbereich. Laut ihm gäbe es keinen Lehrerinnenmangel in den Grundschulen, wenn die Teilzeitquote stark reduziert werden würde. Erst im Anschluss dieser Ausführung wird das genannte Zitat verwendet.

Palim
1 Monat zuvor
Antwortet  Hellmut

Die Teilzeitquote in GS ist so hoch, weil dort überwiegend Frauen arbeiten.
Man muss es also mit der Teilzeitquote von Frauen im Allgemeinen vergleichen und mit den Möglichkeiten von Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Eine Betriebs-KiTa stellen die wenigsten Schulen oder Schulträger zur Verfügung, bei Vollzeit bräuchte man Betreuung für gut 50h in der Woche, da die Vollzeitstelle so viel zusätzliche Arbeit und Verfügbarkeit für außerunterrichtliche Aufgaben verlangt.

Die Arbeitszeitstudie hat deutlich gezeigt, dass Schulen von der Teilzeit profitieren, weil viele Teilzeitkräfte weit mehr arbeiten, als sie müssten, da ja zum Deputat auch außerunterrichtliche Aufgaben hinzu kommen, von denen viele als „unteilbar“ gelten. Man hat also weniger Unterricht und damit verbundene Korrekturen, aber nicht weniger Aufgaben als Klassenleitung, Fachleitung etc.

Noch besser wäre, wenn der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung nachgekommen würde, und Lehrkräfte dann eine 40h-Woche hätten und sich auf diese Arbeitszeit oder einen entsprechenden Ausgleich verlassen könnten.

JoE
1 Monat zuvor
Antwortet  Hellmut

Danke für die Aufklärung. So ist die Aussage des Rechtsextremen natürlich immer noch Quatsch, aber eben auf einer anderen Ebene.