Traumforscher erklärt: Warum auch Erwachsene so oft von der Schule träumen

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KÖLN. Viele Bundesländer sind noch in den Ferien, aber bald kehren die Schülerinnen und Schüler in die Klassenräume zurück. Auch für viele Erwachsene sind es Orte, die ihnen regelmäßig begegnen – sie träumen von ihnen. Wieso?

Lehrer sind Freaks – diese Weisheit vermittelt der “Spiegel”-Buchverlag. Foto: Shutterstock

Eine Schulglocke klingelt, eine Tür geht auf, fahles Licht. Was ist hier los, fragt man sich. Bis dann langsam ein Gefühl von der Magengegend nach oben kriecht. Oh Mist, Mathearbeit? Ich habe doch nicht gelernt!

Bammel vor einer Prüfung – das ist ein Gefühl, das viele Schüler kennen und von dem sie sich gerade erholen. In Nordrhein-Westfalen sind noch bis zum 20. August Sommerferien. Es ist aber auch ein Gefühl, das vielen Erwachsenen sehr lebhaft zusetzt, die die Schule längst hinter sich gelassen haben. In der Nacht.

Schulträume, die Klassiker der nächtlichen Kopftheater

Wenn man sich umhört, weiß man: Viele Menschen träumen von Schul- und Prüfungssituationen. Ein namenloses Klassenzimmer, vorn eine Tafel, auf dem Tisch ein Blatt Papier mit Aufgaben – das sind Klassiker des Theaters, das unser Gehirn im Schlaf inszeniert.

Die große Schulverschnaufpause im Sommer ist eine ganz gute Gelegenheit,  mal zu fragen: Warum ist das eigentlich so?

Wer das wissen möchte, sollte mit Prof. Michael Schredl sprechen, einem der bekanntesten Traumforscher des Landes. Ein Mann, der sehr ausgeruhte Antworten auf drängende Fragen hat. Er sagt: In einem Schultraum geht es weniger um konkrete Erlebnisse in Lehranstalten vor vielen Jahren – sondern um aktuelle, emotional relevante Dinge im Hier und Jetzt.

«Ein Traum vermischt immer aktuelle Erfahrungen mit Dingen, die man früher erlebt hat – wenn diese früheren Erlebnisse ähnliche Emotionen oder Gefühle auslösen. Träume verknüpfen aktuelles mit früherem», sagt der wissenschaftliche Leiter des Schlaflabors am Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim. Die Schule ist aus diesem Blickwinkel nur eine Art Folie, auf der die aktuelle Gemütslage erkennbar wird.

Ein Gefühl, das man nicht nur in Klassenräumen findet

«Das Grundmuster des Prüfungstraums ist, dass jemand anderes von Ihnen wissen will, ob Sie etwas draufhaben, ob Sie etwas leisten können. Das Gefühl ist: Meine Leistung wird beobachtet», erklärt Schredl.

Es ein Gefühl, das unangenehm sein kann. Und ein Gefühl, das nicht nur in Klassenräumen zu finden ist. «Dieses Grundmuster ist etwas, das uns nicht nur in der Schule begegnet, sondern im ganzen Leben», sagt der Forscher. «Im Berufsleben ist es nicht mehr der Lehrer, der prüft, sondern der Chef oder die Kollegen.»

Daher sei es auch möglich, dass einstige Musterschüler, die immer gut vorbereitet waren, im Erwachsenenalter davon träumen, ahnungslos vor einer Mathe- oder Englisch-Klausur zu sitzen. «Weil es eben um aktuelle Gefühle und Emotionen geht», sagt Schredl.

«Wenn man das Gefühl hat, auf eine bestimmte Aufgabe im Job nicht ausreichend vorbereitet zu sein, kann das im Traum mit einer Situation aus der Schule vermischt werden.» Eine Studie von Schredl ergab, dass Träume von Prüfungen unter den Top-10-Themen bei Albträumen sind.

Der Wissenschaftsautor Stefan Klein, der ein viel beachtetes Buch über Träume geschrieben hat («Träume. Eine Reise in unsere innere Wirklichkeit»), gehört zu jenen Menschen, die häufig von Prüfungssituationen träumen – obwohl er nach eigenen Angaben nie sonderlich viel Furcht vor Klassenarbeiten und dergleichen hatte.

Aber auch er sagt: «Ich träume davon in einer ganz bestimmten Lebenssituation. Nämlich, wenn ich mich vor einer Bewertung fürchte.» Bei ihm ist das typischerweise der Fall, wenn der Erscheinungstermin eines Buches bevorsteht.

«Träume sagen mir, wie es mir wirklich geht»

«Damit verrät mir mein Traum etwas über mich selbst», sagt Klein. Tagsüber rede man sich häufig ein, dass man mit einer Situation gut umgehen könne. Aber der Traum zeigt, dass sie doch beunruhigt und Stress verursacht. «Ein kluger Freund von mir hat er einmal gesagt: Träume sagen mir, wie es mir wirklich geht. Da ist viel dran», sagt Klein. «Der Emotion ist der Treiber des Traums.»

Bleibt noch die Frage: Warum sucht sich diese Emotion ausgerechnet die Schule als Bühne für ihre Inszenierung aus?

Nun, sie ist eben sehr prägend für viele Menschen. Die ersten Bewertungen, die ersten Autoritäten. «Die Schule ist so präsent, weil in dieser Zeit viele Dinge zum ersten Mal geschehen sind – auch, weil da manche Probleme angefangen haben. Es ist eine Zeit mit starken Emotionen», sagt Traumforscher Schredl.

Den Schülerinnen und Schülern, die nun wieder in die Klassenräume strömen, kann man da nur wünschen: Gute Träume.  Von Jonas-Erik Schmidt, dpa

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Der Zauberlehrling
1 Monat zuvor

Je nach Alter der Erwachsenen vermutlich auch wegen des Films “Die Feuerzangenbowle” mit Heinz Rühmann.

„Die alkoholische Gärung oder die Gärung des Alkohols erzeugt Alkohol. Der Alkohol erzeugt Gärung. Die sogenannte alkoholische Gärung. Der gärende Alkohol beginnt dann zu faseln und so entsteht Heidelbeer-Fasel oder Heidelbeer-Fusel.“

Einige der Darsteller sind noch vor der Premiere an der Ostfront gefallen.

Gunther W.
1 Monat zuvor

Meistens sind es Albträume, bei denen man sich selbst in der Schule sieht. Dann klingelt endlich der Wecker und man merkt, dass es zum Glück nur ein Traum war. Und dann realisiert man, dass man Lehrer ist und niemals Ruhe vor der Schule hat: weder wenn man wach ist, noch wenn man schläft

Lisa
1 Monat zuvor

Dieser Traum, dass man vor einem Examen sitzt und die gestellten Aufgaben noch nie im Leben gesehen hat…ich schwör……..jetzt kann ich viel besser verstehen, was Schüler durchmachen..nein, war Spaß….

Indra Rupp
1 Monat zuvor

Ich kann luzides Träumen, seit ich 5 war. Merke, dass ich träume und beeinflusse dann meinen Traum so, wie es mir besser gefällt. Wird mit dem älter werden aber immer schwieriger, je mehr “Ballast” man trägt. Mit 5 hatte ich Angst vor einem Monster aus einer Kinderserie und das ich davon träume. Dann habe ich geträumt, dass ich auf dem Klo sitze und die Tür vom Bad stand offen. Da fiel mir auf, dass ich träume und ich dachte:”Oh nein, hoffentlich geht jetzt nicht das Monster an der Tür vorbei” – und dann passierte genau das! Da war mir dann klar, dass ich das in der Hand und alle Möglichkeiten habe. Habe mich dann für superstark erklärt und das Monster vermöbelt und in einen Schrank gesperrt. Ich glaube, von Schule habe ich nie geträumt…
Bevor aber diejenigen, die das nicht können, neidisch werden: Sich bewußt sein, dass man träumt, kann es sogar gruseliger machen!
Habe mal geträumt, dass ich abends bei meiner Tante und meinem Onkel in deren Wohnzimmer mit ihnen zusammen war. Wäre ein harmloser, friedlicher Traum gewesen, wenn ich nicht gemerkt hätte, dass ich träume. Denn dadurch wurde mir auch bewußt, dass meine Tante und mein Onkel bereits tot waren.
Mein Cousin hatte sich mit 44 das Leben genommen, mein Onkel, der eh schon alt und labil war und durch dieses Ereignis natürlich zusätzlich stark belastet wurde, starb drei Wochen später. Meine Tante hielt ein Jahr mit starken Depressionen durch, meine Mutter übernachtete jede Woche mehrere Tage bei ihr, uns Andere wollte sie nicht gerne sehen, weil sie nicht mehr die Alte war und wir sie anders in Erinnerung haben sollten. War zeitweise in der Klinik, hat mechanisch Essen in den Mund gesteckt, ihre Tabletten geschluckt – und dann aufgegeben und ebenfalls Suizid begannen.
Meine Mutter und ich haben immer wieder von dieser Zeit geträumt. Absurderweise, wenn ich dann nicht wusste, dass ich träume, dachte ich aber im Traum ” Axel ist schon tot und Alfred, aber Helga lebt noch…. OK, dann müssen wir jetzt gucken, was wir tun können, um den Suizid zu verhindern!” Habe auch mal geträumt, dass sie wie ein Zombie wütend auf meinem Dachboden herumlief und etwas redete, das ich nicht verstehen konnte. Ja, und ich hatte auch überlegt, in das Bauernhaus von meiner Tante zur Miete zu ziehen, um das alles zu erhalten, weil ich da gerne als Kind war. Hätte dafür aber mein Leben umkrempeln und das, was ich mir aufgebaut hatte, hinwerfen müssen. Und dann kam dieser Traum, mit Tante und Onkel im Wohnzimmer und ich wusste, dass ich träume und da mit zwei “Toten” im Raum bin. Ich bekam panische Angst davor, dass Helga mich ansieht, denn ich wusste, weil ich weiß, dass ich träume, dass sie dann in dem Moment, indem sie mich ansieht, weiß, was ich weiß, nämlich, dass sie tot ist und das wollte ich nicht in ihrem Gesicht sehen. Habe krampfhaft versucht, mich aufzuwecken, ging nicht! Jeden Moment könnten die beiden mir ins Gesicht sehen. Gerade(!), weil ich davor Angst habe. Aber was macht man, wenn man scheinbar nicht weglaufen (=aufwachen) kann? Man muss sich dem stellen und genau das ist der Sinn des träumens. Ich fasste also einen Entschluß und wusste schon, während ich die Entscheidung traf, dass ich meinen Traum besiegt habe und wieder die Oberhand hatte, entsprechend war die Angst auch plötzlich verpufft! Ich stand auf, ging zu meiner Tante, um sie direkt zum Augenkontakt aufzufordern und sagte :”Helga, wir konnten nichts tun!”
Da sah sie kurz belanglos auf, als hätte ich vom Wetter geredet und meinte nur :”Ja, ja” – und dann durfte ich aufwachen!
Von meinem Wunsch ins Haus meiner Tante zu ziehen, dafür alles andere aufzugeben und dort in der Vergangenheit zu verweilen, war ich anschließend geheilt.

Hysterican
1 Monat zuvor

“Den Schülerinnen und Schülern, die nun wieder in die Klassenräume strömen, kann man da nur wünschen: Gute Träume.”

Na, da hoffe ich doch mal inständig, dass die Redaktion den SuS diese guten Träume nicht während der Unterrichtszeit wünscht … das wäre mir persönlich nicht so recht… 😉