Deutsche Bildungsausgaben unter OECD-Schnitt – trotz Kita-Ausbau und Gratis-Hochschulen

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BERLIN. Jährlich vergleicht eine OECD-Studie die Bildungssysteme der Industriestaaten anhand von kumulierten Daten. Für Deutschland ergibt sich daraus ein durchwachsenes Bild: Der Kita-Bereich wächst enorm – quantitativ. Auch die Folgen der Fluchtwellen sind in den Statistiken erkennbar.

Deutschland investiert in Quantität statt Qualität in der Bildung. Illustration: Shutterstock

Deutschland hat einer OECD-Studie zufolge in den vergangenen Jahren im Vergleich zu anderen Industriestaaten deutlich mehr in Kitas und frühkindliche Bildung investiert. Wie aus dem jährlichen OECD-Bericht «Bildung auf einen Blick» hervorgeht, sind die dafür bereitgestellten öffentlichen Mittel im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt zwischen 2015 und 2021 um 42 Prozent gestiegen. Im OECD-Raum insgesamt gab es demnach einen Anstieg von 9 Prozent. Hintergrund: In Deutschland wurde das Betreuungsangebot massiv ausgebaut, um insbesondere Frauen die Erwerbstätigkeit zu ermöglichen.

In dem Bericht wird betont, wie wichtig frühkindliche Bildung ist. Diese helfe, Entwicklungslücken zu schließen, bevor die Kinder in die Schule kommen und sei «damit ein Schlüsselinstrument für die Abmilderung von Auswirkungen sozioökonomischer Benachteiligung». Der familiäre Hintergrund habe nach wie vor einen starken Einfluss auf die Bildungsergebnisse.

“Im frühkindlichen Bereich müssen wir denjenigen helfen, die in ihren Sprachkenntnissen – aus welchen Gründen auch immer – zurückliegen”

Die Kita-Qualität wird in dem Bericht allerdings nicht beurteilt. Deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hatten zuletzt darauf hingewiesen, dass wesentliche Qualitätskriterien wie Gruppengröße und Personalausstattung mit dem Ausbau des Angebots nicht Schritt halten – sie attestieren Deutschland eine massive «Kita-Krise» (News4teachers berichtete).

Die jährliche Studie der OECD enthält eine umfassende Datensammlung zu den Bildungssystemen der 38 Mitgliedsstaaten und weiterer Partnerländer. Dargestellt wird etwa, wie viel Geld die Länder jeweils für Bildung ausgeben, wie der Betreuungsschlüssel in Bildungseinrichtungen aussieht, wie groß Klassen und Schulen und wie hoch die Kosten für ein Studium sind sowie welche Erfolgsquoten es in welchem Bildungsbereich gibt. Für Deutschland gibt es (wie immer) positive und negative Befunde:

  • Pro Bildungsteilnehmer gibt Deutschland von der Schule bis zum Uni-Abschluss im Schnitt pro Jahr etwa 15.550 Euro aus. Der OECD-Schnitt liegt bei umgerechnet 12.870 Euro. In diese Rechnung geht ein, dass staatliche Universitäten und Hochschulen in Deutschland (anders als die in anderen Ländern) keine Studiengebühren erheben.
  • Aus anderer Perspektive wird deutlich, dass Deutschland tatsächlich bei seinen Investitionen in die Bildung hinterherhinkt. Für seine Bildungseinrichtungen stellt Deutschland 4,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bereit. Es zählt damit zwar zu den OECD-Ländern, deren Bildungsausgaben seit 2015 gestiegen sind. Der Wert liegt dennoch unter dem OECD-Durchschnitt von 4,9 Prozent des BIP.
  • Erfeulich: Der Anteil junger Erwachsener mit einem Hochschulabschluss nimmt in Deutschland zu. Besonders ausgeprägt ist der Trend demnach bei Frauen: 40 Prozent der 25- bis 34-Jährigen haben mindestens einen Bachelor-Abschluss, fast doppelt so viele wie in der Generation der 55- bis 64-Jährigen.
  • Unerfreulich: In vielen OECD-Ländern sinkt der Anteil junger Erwachsener (25 bis 34), die keinen höheren Schulabschluss vorweisen können – in Deutschland allerdings steigt er. Der Anteil 25- bis 34-Jähriger ohne Hochschulreife oder abgeschlossene Berufsausbildung liegt demnach bei 16 Prozent (OECD-Schnitt 14 Prozent).

Stephan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, weist darauf hin, dass Deutschland seit 2015 durch den Syrienkrieg zahlreiche Jugendliche aufgenommen hat, die als Flüchtlinge im Teenageralter ohne Deutschkenntnisse und mit kriegsbedingter Bildungs- und Fluchtbiographie kurzfristig in ein darauf unvorbereitetes Schulwesen integriert werden mussten. «Trotzdem haben insbesondere die Lehrkräfte an beruflichen Schulen in dieser Zeit mit Integration und Sprachförderung sehr viel geleistet und viele Jugendliche zu einem beruflichen Abschluss geführt. Die beruflichen Schulen sind und waren aber auch schon zuvor durch langanhaltenden Lehrkräftemangel belastet.»

Umso bemerkenswerter:

  • In den meisten OECD-Mitgliedsländern geht der Anteil der 18- bis 24-Jährigen zurück, die weder einen Job haben, noch eine Bildungs- oder Ausbildungseinrichtung besuchen. In Deutschland liegt er bei 9,6 Prozent – und damit deutlich unter dem OECD-Schnitt (13,8 Prozent).

«Für die Lebens- und Bildungschancen der jungen Leute, die heute ohne Abschluss im Sekundarbereich II sind, braucht es weiterhin gezielte Förderprogramme, auch angesichts des großen Fachkräftemangels», so kommentiert Düll. «Hier sind auch die Arbeitgeber gefordert. Begleitende Bildungsmaßnahmen in niedrigqualifizierter Arbeit und Mentorenprogramme sind auszubauen.»

Der Präsident des Lehrerverbands weist in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung von Sprachkenntnissen und Kernkompetenzen hin. «Im frühkindlichen Bereich müssen wir denjenigen helfen, die in ihren Sprachkenntnissen – aus welchen Gründen auch immer – zurückliegen. Dies sollte durch möglichst verbindliche Sprachtests, die im Bedarfsfall einen Kita-Besuch verpflichtend machen, erfolgen, damit alle Kinder die Möglichkeit haben, mit Erfolgserlebnissen statt Sprachproblemen in ihre Schullaufbahn zu starten», erklärt er.

Und weiter: «Im Bereich der Primarstufe und der Sekundarstufe I sollte die Bildungspolitik viel Förderung auf den Erwerb der Kernkompetenzen Zuhören, Lesen, Schreiben, Rechnen ermöglichen – leider gibt es einen großen Anteil von Schülerinnen und Schülern, die dabei nicht die Mindeststandards erreichen.» Auch das aktuelle Ifo-Bildungsbarometer stelle fest, dass sich eine große Mehrheit der Bevölkerung für verpflichtende Sprachstandstests und verstärkte Leseförderung ausspricht (News4teachers berichtete).

«Angesichts des großen Lehrkräftemangels im Schulbereich keine leichte Aufgabe», betont  Düll, «umso wichtiger ist es, den Beruf als Lehrkraft und die Schule als Lern- und Lehrort so attraktiv wie möglich zu machen, damit sich mehr Jugendliche von heute dafür entscheiden, diesen erfüllenden, aber aktuell von vielen unnötigen schwierigen Umständen belasteten Beruf zu ergreifen.» News4teachers / mit Material der dpa

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