Lehrermangel, KI, Verfassungsviertelstunde, digitale Ausstattung – das neue Schuljahr startet in Bayern mit einer Reihe von Herausforderungen. «Wir haben zu wenig Personal. Wir haben Lehrermangel», sagte Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler). «Die Situation ist herausfordernd, sie ist angespannt, aber sie ist beherrschbar.» Sie wolle in den Lehrplänen mehr Freiraum schaffen, mehr Sport und Bewegung an die Schulen bringen und Druck für die Schülerinnen und Schüler herausnehmen.
Am Dienstag beginnt für rund 1,72 Millionen Schülerinnen und Schüler sowie ihre Lehrkräfte wieder der Unterricht. Unter ihnen sind 134.000 Erstklässlerinnen und Erstklässler. Damit steige die Schülergesamtzahl gegenüber dem Vorjahr um rund 31.000.
1.600 neue geschaffene Lehrerstellen
Zum neuen Schuljahr stellt der Freistaat rund 3.800 Lehrkräfte neu ein, darunter 1.600 auf neu geschaffenen Stellen. Um die Lehrkräfte für ihre Kernaufgaben zu entlasten, gebe es darüber hinaus 600 zusätzliche Stellen für multiprofessionelle Kräfte, darunter 300 pädagogische Unterstützungskräfte.
Auch an den besonders betroffenen Grund – und Mittelschulen sei der Kernunterricht zu 100 Prozent sichergestellt, unterstrich Stolz. Zwei Prozent der benötigten Lehrkraftstellen seien hier bisher nicht besetzt.
Die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrinnenverbands, Simone Fleischmann, hatte mehrfach den Lehrermangel als größtes Problem herausgehoben, vor allem an Mittelschulen.
Fokus auf Gesundheit
Schule solle als vorrangiges Ziel Kinder und Jugendlichen für ihr weiteres Leben stark machen, sagte Stolz. «Ich werde in diesem Jahr den Fokus auf die Gesundheit von Schülerinnen und Schülern, aber auch von Lehrkräften deutlich verstärken. Resilienz, Achtsamkeit, Stressbewältigung, Zeitmanagement werden immer wichtiger», versprach die Ministerin. Die Lehrpläne in allen Schularten sollen modernisiert und entschlackt werden; die Prüfungskultur solle weiterentwickelt werden. In Zeiten von KI komme Wissen eine andere Bedeutung bei als noch vor Jahren.
Sie wolle alle Fragen «im Dialog mit den Schulfamilien» angehen. Ein Thema sei auch der Leistungsdruck: «Wo können wir Druck rausnehmen?» Allerdings solle Schule auch auf die Leistungsgesellschaft vorbereiten – und junge Menschen somit befähigen, mit Druck umzugehen.
Veränderungen im neuen Schuljahr
Neu ist die sogenannte Verfassungsviertelstunde, die in diesem Schuljahr zunächst in einigen Jahrgangsstufen startet. Sie soll regelmäßig innerhalb der normalen Unterrichtszeit in verschiedene Fächer eingebaut werden und aktuelle Ereignisse einbeziehen.
Eine Neuerung zum Schulstart ist auch die Umsetzung der PISA-Offensive, die Basiskompetenzen in den Grundschulen stärken soll. Als Reaktion auf die schlechten Pisa-Ergebnisse solle mehr Mathematik und Deutsch auf dem Stundenplan stehen. Dafür sollen Grundschulen bei Englisch, Musik, Kunst, Werken und Gestalten Stunden streichen. Die Lehrer seien hier frei, unterstrich Stolz. Etwa könnten Englisch und Musik kombiniert werden – durch das Singen englischer Lieder.
Weitere Aufgabe bleibe die schulische Integration, sagte Stolz. Mit verpflichtenden Sprachstandserhebungen, Sprachfördermaßnahmen und der Weiterentwicklung der Deutschklassen sei dafür zum Schulstart ein tragfähiges Fundament geschaffen worden. Die «Digitale Schule der Zukunft» nehme mit dem Start einer flächendeckenden 1:1-Ausstattung mit mobilen Endgeräten weiter Gestalt an.
SPD und DGB fordern Unterstützung für weniger wohlhabende Familien
Die SPD-Fraktion im bayerischen Landtag hatte für weniger wohlhabende Familien zum Schulstart einen staatlichen Bonus in Höhe von 250 Euro ins Spiel gebracht. Die SPD habe nicht klargemacht, wie sie das gegenfinanzieren wolle, sagte Stolz dazu. Der Staat lasse Familien aber nicht allein.
Auch der DGB Bayern verlangte von der Staatsregierung Maßnahmen und mehr finanzielle Unterstützung für ärmere Familien, um Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit sicherzustellen. «Es ist nicht akzeptabel, dass gerade in Bayern Bildung so sehr von den finanziellen Möglichkeiten der Eltern abhängt», sagte der Vorsitzende Bernhard Stiedl. Er verwies auf eine Studie des Münchner ifo-Instituts, nach der – so Stiedl – Bayern bei der Bildungsgerechtigkeit einen letzten Platz belege. In keinem anderen Bundesland hänge es so sehr vom familiären Hintergrund ab, ob ein Kind aufs Gymnasium gehe. News4teachers / mit Material der dpa
“Entschlacken”, “einbauen”, “streichen” – die verwendeten Verben lassen tief blicken. Vor diesem Hintergrund erscheint die bestehende Schulpraxis als zu bearbeitendes Objekt, in das man neue Strukturen einfach implementieren kann, noch so ein Verb aus dem Werkzeugkasten der Technokarten. Wenn die Ministerin dann noch ankündigt, nun die Gesundheit der in dem System Befindlichen zu “verstärken”, kann einem etwas mulmig werden. Aber tröstet euch, liebe Kolleginnen und Kollegen in Bayern, wie so oft wird sich real kaum etwas ändern und der Dampfer bewegt sich in die dieselbe Richtung wie zuvor.
Musik und Kunst gehören wohl nicht mehr zwingend zur bayrischen Leitkultur – hätte ich von Söder nicht erwartet
Die Oberbayern platteln Schuh. Söder ist Franke!
“Etwa könnten Englisch und Musik kombiniert werden – durch das Singen englischer Lieder.”
Eine grandiose Idee! Dann haben die Kinder weder vernünftigen Englischunterricht noch vernünftigen Musikunterricht! Wann kommt auch bei den Kultusministern an, dass Grundschuldidaktik mehr als Klatschen, Tanzen, Singen ist?
Wie Effektiv der Englischunterricht in der Grundschule ist, scheint nicht allein von der Anzahl der der Unterrichtsstunden in der Stundentafel abzuhängen. Bei IQB-2022 lag Bayern z.B. bei Englisch 27 Pkt. über dem deutschen Durchschnitt, Leseverstehen Rang 1, Hörverstehen Rang 2. Damit auch signifikant besser als Bundesländer, die in der Grundschule früher mit Englisch beginnen und insgesamt mehr Stunden Englisch in der GS unterrichten. Geprüft wurden bei IQB-2022 allerdings 9. Klässler.