Union “grillt” Stark-Watzinger: Worum es in der Fördergeld-Affäre geht

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BERLIN. Für Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger ist die sogenannte Fördergeld-Affäre nicht überstanden. Erneut kommt sie deswegen in den Bundestagsbildungsausschuss. Worum geht es überhaupt?

Ist mit Forderungen nach einem Rücktritt konfrontiert: Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP). Foto: Shutterstock / Jürgen Nowak

Der Bundestagsbildungsausschuss kommt wegen der sogenannten Fördergeld-Affäre zu einer Sondersitzung zusammen und will Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) erneut befragen. Politiker der Opposition sind nicht zufrieden mit ihrer Aufklärungsarbeit und versuchen sie in die Enge zu treiben. Doch worum geht es in dieser Affäre?

Die Proteste

Nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober und Israels Reaktion in Gaza kommt es an deutschen Hochschulen zu propalästinensischen Demos, die sich gegen den israelischen Militäreinsatz im Gazastreifen wenden. In Berlin räumt die Polizei am 7. Mai an der Freien Universität ein Protestcamp. Ein Polizeisprecher sagt, es seien auch verbotene Parolen gerufen worden. Den Angaben zufolge werden Ermittlungsverfahren eingeleitet unter anderem wegen des Verdachts der Volksverhetzung.

Der Brief

Mehr als 100 Berliner Dozenten kritisieren die Räumung in einem Brief. «Unabhängig davon, ob wir mit den konkreten Forderungen des Protestcamps einverstanden sind, stellen wir uns vor unsere Studierenden und verteidigen ihr Recht auf friedlichen Protest, das auch die Besetzung von Uni-Gelände einschließt», heißt es darin. Die Berliner Uni-Leitungen werden dazu aufgefordert, «von Polizeieinsätzen gegen ihre eigenen Studierenden ebenso wie von weiterer strafrechtlicher Verfolgung abzusehen».

Die Antwort

Das bringt Stark-Watzinger auf den Plan. In einem Artikel in der «Bild» kritisiert die FDP-Politikerin am 8. Mai den Brief mit den Worten: «Dieses Statement von Lehrenden an Berliner Universitäten macht fassungslos. Statt sich klar gegen Israel- und Judenhass zu stellen, werden Uni-Besetzer zu Opfern gemacht und Gewalt verharmlost.» Dass es sich bei den Unterstützern um Lehrende handele, sei eine neue Qualität. Gerade Professoren und Dozenten müssten «auf dem Boden des Grundgesetzes stehen». Später kritisiert sie zudem, dass im Protestbrief der Terror der Hamas ausgeblendet werde.

Die E-Mails mit der «Prüfbitte»

Stark-Watzingers Aussagen in der «Bild» rufen nun aber ebenfalls Kritiker auf den Plan und plötzlich gerät die Ministerin selbst in den Fokus. Interne E-Mails aus ihrem Ministerium von Mitte Mai werden dem ARD-Magazin «Panorama» zugespielt und am 11. Juni veröffentlicht. Aus den Mails geht hervor, dass jemand an hoher Stelle im Ministerium um Prüfung gebeten hatte, inwieweit Aussagen im Protestbrief der Dozenten strafrechtlich relevant sind und ob ihnen das Ministerium als Konsequenz Fördermittel streichen könnte.

Der Mailwechsel zeigt, dass Mitarbeiter des Ministeriums Bedenken gegen eine solche Prüfung äußern. Die Sache wird verworfen. Doch allein schon die Erwägungen sind nach Ansicht von Kritikern ein Eingriff in die vom Grundgesetz garantierte Freiheit der Wissenschaft.

Die gefeuerte Staatssekretärin

Tagelang läuft eine kritische Debatte über die E-Mails. Stark-Watzinger hält sich bedeckt, feuert dann schließlich ihre Staatssekretärin Sabine Döring und spricht von einem personellen Neuanfang. Döring habe den zugrundeliegenden Prüfauftrag veranlasst, aber auch erklärt, sich offenbar missverständlich ausgedrückt zu haben. Trotzdem sei der Eindruck erweckt worden, dass die Prüfung erwogen werde. Das widerspreche den Prinzipien der Wissenschaftsfreiheit. Von dem Vorgang rund um besagte E-Mails wusste Stark-Watzinger nach eigener Aussage nichts, bis «Panorama» damit am 11. Juni rauskam.

Die Fragen

Doch mit dem Weggang der Staatssekretärin ist es nicht vorbei. Jetzt bohren Opposition und Journalisten erst recht nach: War Döring vielleicht nur ein Bauernopfer, um Druck aus dem Kessel zu nehmen? Wie plausibel ist es, dass Stark-Watzinger in die Kommunikation und in Erwägungen, ob Unterzeichnern des Protestbriefs vielleicht Fördergelder entzogen werden könnten, nicht eingebunden war? Lief es wirklich an der Ministerin vorbei, dass jemand eine Liste erstellt hat, mit Namen derjenigen Brief-Unterzeichner, die vom Bundesforschungsministerium Fördergelder bekommen?

Die in den einstweiligen Ruhestand versetzte Staatssekretärin will sich auch zur Sache äußern, darf aber nicht. Sie zieht gegen das Ministerium vor Gericht, um eine Aussagegenehmigung wegen der dienstlichen Verschwiegenheitspflicht zu erwirken – das Gericht lehnt den Antrag ab.

Die «nebulösen» Antworten

Stark-Watzinger wird im Bundestagsbildungsausschuss und im Bundestag befragt, antwortet aber nicht zur Zufriedenheit der Opposition. Die Union will unter anderem wissen, wie oft, wann und mit wem die Ministerin über welche Kanäle in der oberen Ebene ihres Hauses zu dem Protestbrief kommuniziert hat, und fordert Akten an. Schriftliche Antworten des Ministeriums auf einen langen Fragenkatalog bleiben nach Einschätzung von CDU und CSU «nebulös» und «voller Widersprüche».

Die Rücktrittsfrage

Stark-Watzinger wird daher nun erneut im Bildungsausschuss befragt. Für die Ministerin schlage die Stunde der Wahrheit, nichts dürfe mehr offenbleiben, fordert der bildungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Thomas Jarzombek (CDU) vorab. Nach bisherigem Stand erscheint es aber unwahrscheinlich, dass im Ausschuss viel Neues auf den Tisch kommt. Für einen Rücktritt sieht Stark-Watzinger «keine Veranlassung», wie sie betont hatte. Und auch wenn innerhalb der Ampel auch SPD und Grüne nicht zufrieden sind mit ihrer Kommunikation, dürfte nun ausgerechnet an dieser sehr speziellen Frage die Koalition nicht zerbrechen. Von Jörg Ratzsch, dpa

Fördergeld-Affäre: Jarzombek (CDU) erhöht Druck auf Stark-Watzinger (FDP)

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2 Kommentare
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RainerZufall
25 Tage zuvor

Kann der Untersuchungsausschuss keine Aussagegenehmigung erwirken?
Muss ja nicht öffentlich sein, aber vielleicht “erinnert” sich Frau Stark-Watzinger dann plötzlich an ein paar Einzelheiten 😉

Hysterican
25 Tage zuvor

B.S.W. …. angewidertes Rosienengesicht hinter übergroßer Brille … dafür keine verwertbaren und klärenden Worte zur Sache.

Das “System Schwach-Schwätzinger” steht quasi sinnbildlich für weite Teile der FDP-Politik … und mittlerweile – ist das eigentlich infektiös? – auch für das, was in der ganzen Ampel stattfindet.