Verlust der biologischen Vielfalt: Arten in Deutschland schwinden – Hauptursache: Landwirtschaft

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BERLIN. Viele Tier- und Pflanzenarten in Deutschland sind in einem kritischen Zustand, wie eine neue Untersuchung zeigt. Die Bestände vieler Arten entwickeln sich negativ, doch es gibt auch Hoffnung. Ein Beitrag zur Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE).

Der Eisvogel gehört zu den bedrohten Arten. Foto: Shutterstock

Man kann es an den Schmetterlingen sehen, an den langrüsseligen Hummeln oder an den Feldvögeln: Die biologische Vielfalt in Deutschland nimmt einem Bericht zufolge weiter ab. Der Bestand vieler Arten ist rückläufig, wie es in der Analyse «Faktencheck Artenvielfalt» heißt, an dem mehr als 150 Autorinnen und Autoren beteiligt waren. Mehr als die Hälfte der unterschiedlichen Lebensraumtypen in Deutschland ist demnach in einem ökologisch unzureichenden oder schlechten Zustand.

Das hat weitreichende Folgen. «Die Population von Vögeln im Agrar- und Offenland sind in knapp 40 Jahren um mehr als die Hälfte zurückgegangen», heißt es im Bericht. Stark gesunken sei auch die Vielfalt der Insekten. Zwar entwickelten sich einige Arten positiv, zum Beispiel bei den Libellen, weit mehr zeigten aber negative Entwicklungen, darunter viele Schmetterlingsarten. Fast ein Drittel aller Arten in den Roten Listen sind bestandsgefährdet, also vom Aussterben bedroht oder stark gefährdet.

Rückgang auch bei Pflanzenarten

Auch bei Pflanzen gebe es Verluste, vor allem bei der Ackerbegleitflora, sagte Alexandra-Maria Klein, Professorin für Naturschutz und Landschaftsökologie und eine der Leitautorinnen. Das sind Pflanzenarten, die wild neben Kulturpflanzen auf Äckern oder Weinbergen wachsen. «Da sind viele Sachen dabei, die wir kaum noch sehen», sagte Klein. Dazu gehörten zum Beispiel der Acker-Schwarzkümmel oder das Deutsche Filzkraut.

Gleichzeitig gebe es eine Zunahme an Neophyten, also nicht heimischen Pflanzenarten. Es sei aber noch unsicher, was das für die Zukunft bedeute, sagte die Biologin.

Großteil der Daten kommt aus Ehrenamt

Für die Analyse haben die Autoren den Wissensstand zu den fünf Hauptlebensräumen in Deutschland – Agrar- und Offenland, Wald, Binnengewässer und Auen, Küsten und Küstengewässer, urbane Räume – zusammengetragen. Studien wurden ausgewertet und Zeitreihen der biologischen Vielfalt zusammengestellt. Fast alle Daten, die Auskunft über den Stand der Artenvielfalt geben, kommen den Autoren zufolge aus dem Ehrenamt. Repräsentative Langzeitbeobachtungen gebe es auf behördlicher Ebene kaum. Der Bericht wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

Die Lebensräume werden in Deutschland in insgesamt 93 Lebensraumtypen unterteilt. Besonders besorgniserregend ist die Situation der Analyse zufolge im Grünland, auf ehemals artenreichen Äckern, in Mooren, Moorwäldern, Sümpfen und Quellen.

Negative Entwicklungen vor allem durch Landwirtschaft

Zudem gelten rund 9 Prozent der Lebensraumtypen auf dem Meeresboden der Nordsee als vollständig vernichtet, wie es im Faktencheck heißt. «Dazu gehören Seegraswiesen auf ebenem Sandgrund sowie Bänke der Europäischen Auster.»

Als Hauptursache für den Verlust der biologischen Vielfalt nennt der Bericht die Intensivierung der Landwirtschaft mit der Verwendung von Pestiziden. «Es werden nicht mehr ganz so viele Pestizide aufgebracht», sagte Klein. Die Mittel sind ihren Angaben zufolge aber toxischer. Auch die Entfernung von Hecken in der Agrar- und Offenlandschaft, die Flächenversiegelung in den Städten und die großflächige Entwässerung der Landschaft, vor allem von Mooren und Auen, sowie der Klimawandel hätten zum Teil weitreichende Konsequenzen.

Noch kein Grund zur Hoffnungslosigkeit

Hoffnungslos sind die Autoren aber nicht. Die Wiederherstellung der Artenvielfalt, die Wiederansiedlung von bestimmten Arten und der Schutz von bestimmten Arten sei notwendig und zum Teil auch umsetzbar. Für jeden Lebensraumtyp gebe es Maßnahmen zur Förderung der biologischen Vielfalt. Die Kegelrobbe zum Beispiel sei in Deutschland fast ausgerottet gewesen, sagte Helge Bruelheide, Professor für Geobotanik. Mittlerweile gebe es wieder mehr als 2.000 Tiere. «Es zeigt, dass ein ganz konsequenter Artenschutz sehr hilfreich sein kann.»

Auch die Qualität der Fließgewässer habe sich infolge der Abwasserreinigung seit den 1970er Jahren großflächig erholt, was sich positiv auf die Vielfalt von wirbellosen Tieren auswirke. Wirbellose Tiere sind zum Beispiel Libellen, Käfer oder Fliegen. Als weiteres positives Beispiel nannte Christian Wirth, Pflanzenökologe und Vorsitzender des Berichts, den gestiegenen Anteil von Mischwäldern und die Zunahme von Totholz. Zahlreiche Organismen im Wald seien von Totholz abhängig.

Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssen handeln

Maßnahmen zum Schutz der biologischen Vielfalt können laut Bericht etwa die Umstellung auf biologische Landwirtschaft, die Ausweitung von Schutzgebieten, schonende Fangmethoden in Küstengewässern und insektenfreundliches Mähen sein.

Für die Umsetzung seien sowohl Politik als auch Wirtschaft und Gesellschaft verantwortlich. «Es passiert auf der politischen Ebene ganz erstaunlich viel», betonte Wirth. In der Europäischen Union und in Deutschland gebe es zahlreiche Richtlinien, die dem Schutz gefährdeter Lebensraumtypen und Arten dienten. Oft seien sie aber nicht gut aufeinander abgestimmt oder es gebe Gegenwind, etwa aus der Landwirtschaft oder der Forstwirtschaft.

Nicht zuletzt könne jeder einzelne auch im Kleinen etwas bewirken, sagte Marion Mehring vom Institut für sozial-ökologische Forschung in Frankfurt. Zum Beispiel, indem Gartenbesitzer ihren Garten naturnah gestalteten. «Die Gartenfläche in Deutschland kommt in etwa der Fläche der Naturschutzgebiete gleich. Das heißt, das kann durchaus einen großen Beitrag leisten.» News4teachers / mit Material der dpa

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RainerZufall
1 Tag zuvor

Wenn man bedenkt, wie viele Menschen noch “skeptisch”/ gleichgültig bezüglich des Klimawandels sind, welche Chancen hat da die Artenvielfalt? (Betonung auf VIEL)

Lisa
1 Tag zuvor
Antwortet  RainerZufall

“Auch die Entfernung von Hecken in der Agrar- und Offenlandschaft, die Flächenversiegelung in den Städten und die großflächige Entwässerung der Landschaft, vor allem von Mooren und Auen,” und gerade das muss wieder rückgängig gemacht werden, um beispielsweise Überschwemmungen abzufedern!
Artenvielfalt ist generell aber “greifbarer ” als Klimawandel und auch kleinteilig zu erreichen. Man kann beispielsweise das Moor vor der Haustür renaturieren und dann ganz konkret die aufkommende Artenvielfalt bewundern. Mich zumindest hat es immer beeindruckt, wie schnell sich Natur erholt, wenn man sie einfach mal in Ruhe lässt.
Das Klima tut es leider nicht

Peterchens Klo knarrt
1 Tag zuvor

Maßnahmen zum Schutz der biologischen Vielfalt können laut Bericht etwa die Umstellung auf biologische Landwirtschaft […] sein.”

Es immer wieder gerne vergessen, dass es die Erfindung und Verwendung von Kunstdünger war, die weltweit die Lebensmittelversorgung stabilisiert hat und dies nach wie vor tut. Eine hypothetische Umstellung der weltweiten Landwirtschaft auf biologisch von jetzt auf gleich würde bedeuten, etwa vier Milliarden Menschen verhungern zu lassen. Quelle: https://ourworldindata.org/grapher/world-population-with-and-without-fertilizer

Dieser Ansatz ist also bestenfalls blauäugig, schlimmstenfalls menschenfeindlich.

RainerZufall
22 Stunden zuvor

Es ist ja nur ein mögliches Beispiel, welches sich nicht ausschließlich auf Dünger bezieht

Peterchens Klo knarrt
20 Stunden zuvor
Antwortet  RainerZufall

Schon klar, nur ist in vielen Köpfen ein völlig verklärtes Wimmelbuch-Bild von einer Welt mit ausschließlich biologischer Landwirtschaft. Und ja, Dünger ist nur ein Aspekt. Pflanzenschutzmittel ein anderer. Die haben zwar im Mittel einen geringeren Einfluss auf den Ertrag als Dünger, die Varianz ist aber wesentlich größer. Ein eindrückliches Beispiel, was ohne Pflanzenschutz passieren kann, ist die Große Hungersnot von 1845-1849. Mit einem modernen Fungizid wäre das nicht passiert.

RainerZufall
16 Stunden zuvor

Es erweckt so den Eindruck, dass Sie das Anliegen kleinreden, wenn Sie sich ausschließlich auf Dünger beziehen und zu einem Artikel für mehr Artenschutz Bedrohungsszenarien aufbauen – während Sie die aktuellen aussparen, die aufgrund des geringen Schutzes zu folgen drohen… =/

AvL
16 Stunden zuvor

Der Grund der Irischen Hungersnot von 1845-1849 war die gelebte Nahrungsabhängigkeit der Iren von der Kartoffel im Landbau.
In der Folge der Hungersnot starben eine Million Menschen,
etwa zwölf Prozent der irischen Bevölkerung. Weitere zwei Millionen wanderten aus. Von dem massiven Bevölkerungsverlust hat sich Irland bis in die Gegenwart nicht erholt.
Irland stand seit dem Jahr 1541 völlig unter englischer Herrschaft.
Der Boden in Irland gehörte überwiegend englischen Großgrundbesitzern.
Die irischen Bauern bearbeiteten das Land als Pächter, bauten darauf Getreide und Kartoffeln an und hielten kleine Mengen Vieh.
Große Hungersnot in Irland – Wikipedia

AvL
16 Stunden zuvor
Der Zauberlehrling
17 Stunden zuvor

Betrachtet man die Auslage in den Supermärkten (gerne auch in der letzten Stunde vor Ladenschluss), so fallen meist keine Lücken auf. Es ist immer alles da. Erdbeeren im Winter, Spargel im Herbst, Heidelbeeren zu Unzeiten.

Wenn mehr als ein Sechstel der weltweit erzeugten Lebensmittel ungenutzt im Müll landen, kann es auch am Verbraucher liegen und nicht an “der Landwirtschaft”.

“Die Landwirtschaft” ist genauso pauschal wie “die Ausländer” oder “die Schüler”.

Wir haben es in der Hand, auch mal eine Lücke im Regal oder beim Gemüse/Obst zu ertragen. Kartoffeln aus Ägypten, Heidelbeeren und Spargel aus Peru, Bohnen aus Marokko – alles Zeugs, das wir haben wollen. Schön in Plastik verpackt.

Elektro-SUVs, die wegen ihrer Masse nicht mehr auf dem Gehweg parken dürfen. Akku sei Dank.

Wir steuern uns selbst auf die Katastroph zu, nicht “die Landwirtschaft”.

Kire
2 Stunden zuvor

Jeder kann etwas tun, indem er in seinem Garten und auf dem Balkon heimische (Wild) Pflanzen anbaut. Ich mache dies seit Jahren und erfreue mich über die vielen Tiere, die uns besuchen kommen. Wenn ich mir die Gärten in der Nachbarschaft anschaue, sind diese leider sehr artenarm mit Rasen und immergrünen pflegeleichten Hecken. Dort verirrt sich kaum ein Tier hin. Ich denke hier gibt es viel Potential.