MÜNCHEN. Grundschullehrkräfte sollen fünf Jahre lang eine Stunde mehr Unterricht geben. Später dürfen sie das wieder ausgleichen. So war zumindest der (als „Piazolo-Paket“ bekannt gewordene) Plan des bayerischen Kultusministeriums – bis ihn der Verwaltungsgerichtshof gekippt hat. Und nun? Der BLLV drängt auf Verhandlungen.
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„Wir haben geklagt. Wir haben gewonnen! Wie geht es weiter?“ – so fragt der Bayerische Lehrerinnen- und Lehrerverband (BLLV) rhetorisch. Hintergrund: Im Frühjahr 2020 gab der damalige Bayerische Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) die Einführung eines Arbeitszeitkontos als Notmaßnahme gegen den Lehrkräftemangel bekannt. Grundschullehrkräfte wurden verpflichtet, für die Dauer von fünf Jahren eine Unterrichtsstunde mehr pro Woche zu leisten. Erst nach einer anschließenden Wartezeit von drei Jahren sollte die „Rückgabe“ der Stunden über eine fünfjährige Ausgleichsphase erfolgen. Eine Grundschullehrerin klagte mit der Unterstützung des BLLV erfolgreich gegen das Arbeitszeitkonto vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof – das Urteil erging am 12. November 2024 (News4teachers berichtete).
“Natürlich werden die Lehrerinnen und Lehrer jetzt nicht den Stift fallen lassen”
BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann erklärt: „Das Urteil vom 12. November wird voraussichtlich in wenigen Tagen rechtskräftig. Das Ergebnis war und ist ein starkes Signal für Wertschätzung und Gerechtigkeit den Lehrerinnen und Lehrern gegenüber, die schon seit Jahren ihr Äußerstes geben um den Lehrkräftemangel und die immer weiter zunehmenden Aufgaben und Herausforderungen an den Schulen zu bewältigen. Wir sind im Recht und erwarten jetzt vom bayerischen Kultusministerium die Anerkennung des Urteils und den klar erkennbaren Willen, die daraus entstandenen Nachteile schnell auszugleichen. Natürlich werden die Lehrerinnen und Lehrer jetzt nicht den Stift fallen lassen. Sie stellen sich ihrer Verantwortung. Das erwarten wir auch von der Politik. Wir stehen für Verhandlungen bereit und erwarten im Gegenzug angemessene Vorschläge und ein Vorgehen, das auf schnelle und verantwortungsvolle Lösungen abzielt.“
Und jetzt? „Das ist die Frage, die sich nun alle Grundschullehrkräfte stellen. Eine kurze Ist-Stand-Analyse ist hier notwendig“, so Gerd Nitschke, Vizepräsident des BLLV. Er fasst die wichtigsten Fakten und Forderungen des Verbands zusammen. Im Wortlaut:
- „Das Urteil tritt zum 12.12.2024 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt müsste keine Grundschullehrkraft mehr ein Arbeitszeitkonto führen. Den Stift werden unsere verantwortungsvollen Grundschullehrkräfte aber sicher nicht weglegen. Deshalb könnte man sich vorstellen, dass die Stunde Mehrarbeit in diesem restlichen Schuljahr sofort zusätzlich bezahlt wird. Das bisher geleistete Arbeitszeitkonto müsste dann wie ein Störfall behandelt und rückwirkend abgerechnet werden.
- Das Kultusministerium könnte Rechtsmittel einlegen und nach § 133 VwGO die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig anfechten. Dafür hätten sie einen Monat Zeit – also am 11.12.2024 wäre der letztmögliche Termin. Grundsätzlich geht der BLLV davon aus, dass das Kultusministerium das Urteil akzeptiert. Gleichzeitig könnte man dadurch aber etwas Zeit für eine neue Regelung herausholen. Zeit, die für Gespräche und daraus folgende gute Lösungen genutzt werden könnte.
- Denn der Verwaltungsgerichtshof gibt dem Kultusministerium in seinem Urteil einen kleinen Ausweg vor. Wenn man auf Grundlage des Art. 87 Abs. 3 Satz 1 BayBG einen neuen Gesetzesvorschlag einbringt, der die rechtlichen Voraussetzungen der heutigen Verhältnisse erfüllt, kann nachgesteuert werden. Dies bedeutet für die Grundschullehrkräfte: Das Arbeitszeitkonto kann angepasst werden. Es könnte zum Beispiel ein 3 – 1 – 3 Modell kommen (3 Jahre ansparen – 1 Jahr warten – 3 Jahre Ausgleich). Aber auch dieses Modell hätte Konsequenzen für alle einzelnen Gruppen der Grundschullehrkräfte. Die einen müssten die Mehrarbeit durch Freizeit, die anderen finanziell ausgeglichen bekommen und die jüngeren Grundschullehrkräfte müssten evtl. sogar noch die eine Unterrichtsstunde für ein, zwei Jahre ansparen. Der BLLV hätte für die Lehrkräfte beim Ausgleich gerne eine Wahlmöglichkeit zwischen Geld und Freizeit, so Nitschke. Oder, noch weiter gedacht, 6,5 Tage pro Grundschullehrkraft (dies sind ein Jahr lang eine Unterrichtsstunde pro Woche), die während des Schuljahres als freie Tage genommen werden dürften – eine Rückgabe nach den Bedürfnissen der einzelnen Lehrkraft, so flexibel wie möglich.”
Für den BLLV bleibe jedoch essenziell: „Sämtliche Notmaßnahmen (einen Überblick finden Sie hier) müssen jetzt auf den Prüfstand gelegt werden. Wenn ein neues Modell zum Arbeitszeitkonto kommen sollte, muss es Erleichterungen in den anderen dienstrechtlichen Bereichen geben.“
Der Verband fordert: „Die Antragsteilzeit auf ein Mindestmaß von 21 Unterrichtsstunden senken, die Grenze für den Antragsruhestand wieder auf das 64. Lebensjahr zurücklegen und Möglichkeiten eines Freistellungsmodells – das sind unsere Forderungen. Und hier bitte auch keinen Unterschied zwischen Grund-, Mittel- und Förderschullehrkräften machen. Wer Grundschullehrkräfte in den anderen Schularten auf freiwilliger Basis haben möchte, muss auch die Arbeitsbedingungen der drei Schularten auf gleiches Niveau stellen. Was einseitige Belastung ausmacht, haben wir beim Arbeitszeitkonto gesehen. Nicht mit uns!“ News4teachers
Kultusministerium in Nöten: Gericht kippt Arbeitszeitkonto für Grundschul-Lehrkräfte
Wenn das Urteil dazu führen sollte, dass die geleisteten Stunden ausbezahlt statt abgebummelt werden können, wäre das ja die Ver… pur…
Warum?
“Wert” einer Unterrichtsstunde knapp unter 40 Euro. Nach Versteuerung (Grenzsteuersatz!) ca. 20 Euro netto. Mindestlohn 12,41€ (netto so knapp über 10 Euro). Bewerten Sie die Unterrichtsstunde mit dem Zeitfaktor 2, so haben Sie die Antwort…
ps: Was bekommen Sie für zwei Überstunden im IG Metalltarif? Ca.100 Euro (inkl. Überstundenzuschlag) brutto.
Hinzu kommt, dass solche nachträglichen Auszahlungen grundsätzlich in einem Aufwasch ausbezahlt werden.
Diese Riesensumme wird dann entsprechend hoch besteuert und es bleibt netto ein Witzbetrag.
1874, als so 60 Arbeitsstunden die Woche die Regel waren, betrug die Unterrichtsverpflichtung 24 Stunden. Was lernen wir daraus ?
Wir? Nix mehr.
Aber Gen Z: “Lehramt? Ich bin doch nicht blöd!”