Chemie-Arbeitgeber kritisieren Zustände an Berufsschulen (auch zu viel Datenschutz)

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BADEN-BADEN. Auch die Chemie- und Pharmaindustrie braucht Fachkräfte. Die Grundlage dafür wird in den Schulen gelegt, was aus Sicht der Unternehmen lange gut lief. Doch nun gibt es eine Mängelliste.

Die Chemie ist eine Schlüsselindustrie für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Foto: Shutterstock

Um den Fachkräftebedarf in der Chemiebranche zu sichern, fordern die Arbeitgeber Verbesserungen in der Ausbildung. Gerade an vielen Berufsschulen sei die Bausubstanz «wirklich erbärmlich», sagte der Vorsitzende des Arbeitgeberverbandes Chemie Baden-Württemberg, Patrick Krauth. «Auch die Ausstattung ist vielfach nicht so, dass gut unterrichtet und ausgebildet werden kann.» Oft mangele es an Lehrerinnen und Lehrern.

Zudem gebe es ein Problem mit dem Datenschutz in Bezug auf die Nutzung von Programmen, die in Unternehmen genutzt werden, sagte er. «Die dürfen an den Berufsschulen nicht eingesetzt werden – weil sie nicht den engen Vorstellungen des baden-württembergischen Datenschutzbeauftragten entsprechen.» Hintergrund ist der Streit um Microsoft-Produkte.

Es kommt darauf an, ob personenbezogene Daten im Spiel sind

Dem hielt der Landesdatenschutzbeauftragte Tobias Keber entgegen, dass eine Software sehr wohl Unterrichtsgegenstand sein könne – sofern dabei keine personenbezogenen Daten verarbeitet werden. In den Bildungsplänen der Berufsschule seien etwa berufsspezifische Anwendungen als Unterrichtsinhalt vorgesehen, wie die Verwendung einer sogenannten CAD-Software zum Erstellen geometrischer Modelle oder KI-Anwendungen.

«Software, die in Unternehmen genutzt wird, auch an Schulen zu lehren, ist auch aus unserer Sicht sehr sinnvoll, um die Schülerinnen und Schüler auf die Anforderungen der Privatwirtschaft vorzubereiten», betonte Kerber. Dem stehe der Datenschutz nicht entgegen.

Anders sei es bei Anwendungen, über die eine Schule mit Schülerinnen und Schülern beispielsweise zu Arbeitsaufträgen oder Unterrichtsverlegungen kommuniziert. «Hier sind personenbezogene Daten kaum zu vermeiden, sodass die Anforderungen des Datenschutzrechts einzuhalten sind.» Dazu stünden den Schulen datenschutzkonforme digitale Anwendungen wie die Bildungsplattform des Landes Baden-Württemberg zur Verfügung.

Bessere Berufsorientierung

Nicht verhandelbar ist aus Sicht der Arbeitgeber die weitere Stärkung der naturwissenschaftlich-technischen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler. «Die MINT-Fähigkeiten sind, das wissen wir, die Schlüsselkompetenz heutzutage», so Krauth. Das dürfe gerade in Realschulen nicht zurückgedreht werden. MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik.

Die Berufsorientierung müsse ebenfalls weiter verbessert werden – speziell in den Gymnasien, forderte der Verbandschef. «Auch Schülerinnen und Schüler, die das Abitur anstreben, müssen das Berufsleben kennenlernen können und dürfen.» Nicht alle machten das Abitur, nicht alle wollten studieren.

Über hunderttausend Arbeitsplätze – 73.000 Euro brutto im Schnitt

Die Verbände der Chemie- und Pharmabranche in Baden-Württemberg mit Sitz in Baden-Baden vertreten nach eigenen Angaben gut 500 Unternehmen mit insgesamt rund 113.500 Beschäftigten. Allerdings leiden viele Firmen unter hohen Energiepreisen und Bürokratie, wie die Verbände jüngst bekräftigten. Das Durchschnittsentgelt in der Branche beträgt Krauth zufolge brutto etwa 73.000 Euro. Auch wolle man Fachkräfte, die die Unternehmen mit hohem Aufwand ausgebildet haben, in der Branche halten.

Er lobte die duale Ausbildung in den Unternehmen und den Berufsschulen des Landes sowie Studiengänge an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. «Um dieses System haben uns in der Vergangenheit andere Länder beneidet», sagte der Verbandsvorsitzende aber mit Blick auf die Mängel. News4teachers / mit Material der dpa

Duale Ausbildung in der Krise – Wirtschaft ruft nach mehr Berufsorientierung in Schulen (vor allem an Gymnasien)

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Gelbe Tulpe
1 Monat zuvor

Die überlangen Unterrichtstage erfordern unnötig viel Personal, welches teuer ist. Das Geld fehlt dann für Bauinvestitionen.

DienstnachVorschrift
1 Monat zuvor

In meinem Bundesland wird unterhalb der Oberstufe mangels Lehrkräfte kaum noch Chemieunterricht erteilt. In Klasse 11 sind dann viele stark abgehängt.

Besseranonym
1 Monat zuvor

” Er lobte die duale Ausbildung in den Unternehmen und den Berufsschulen des Landes sowie Studiengänge an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. «Um dieses System haben uns in der Vergangenheit andere Länder beneidet», sagte der Verbandsvorsitzende aber mit Blick auf
die Mängel”
Ähnliches kommt bei uns aus der Industrie.
Das läuft, das funktioniert, Dank dafür.
Allerdings stecken da auch 14 tägige cometogether per teams oder auch live in Firmen oder Schule dahinter; macht Spaß, man kommt sich näher – und hat locker mindestens 6h monatlich (plus Vorbereitung) mehr auf der Liste.
Im Handwerk ist es teils schwieriger, dort ist meist zu wenig Zeit, z.B. SuS betrieblich selbst weiterzuschulen, zu unterstützen > “Sache der Schule” kommt oft.

“sodass die Anforderungen des Datenschutzrechts einzuhalten sind.” 🙂
Jedesmal, wenn ich das höre könnt ich in die Tischkannte beißen. Jeder unserer Lieblinge ist bereits so gläsern ( Tiktok&CoKG), dass es Glasscherben gibt, wenn wir uns in den zu kleinen Klassenstübchen leicht berühren.

Wir sollen mit KI arbeiten, dürfen aber keine PCgenerierten Arbeiten werten
( außer EDVgrundwissen’abfrage)
D.h. wir müssen geschickte unangreifbare Umwege generieren, um ein bisschen werten zu können.

Was den BW- Bildungsserver angeht, so kenne ich den aktuellen nicht; noch vor 5 Jahren waren wir kräftig am Spicken.
Unserer ( mebis ), …wird irgendwann besser nutzbar sein als eine netMaterialsammlung, die man sich in Kürzerer Zeit ergooglen kann.

Schulausrüstung mit Industrieprogrammen: kommt auf die Schule/ Sachaufwandsträger an.
Bei mir top, _2 hat zu Weihnachten wieder ein Neid! formidables gaming -Notebook bekommen…..

Sepp
1 Monat zuvor

Gerade in Fächern wie Chemie und Biologie, die von Experimenten leben, finde ich es krass, wie wenig Geldmittel den Schulen eigentlich zur Verfügung stehen. Unser Etat reicht gerade so, um die benötigten Verbrauchsmittel jeweils zu ersetzen.

Immer wenn es nicht nur um absolute Standard-Versuche geht, man mal ein paar andere Chemikalien benötigt, wird es finanziell schon eng.

Auf der anderen Seite kenne ich Beispiele aus akademischen Forschungsinstituten und Firmen, wo bspw. gute Geräte verschrotten wurden, weil neue angeschafft wurden und die alten “aus Haftungsgründen” nicht an umliegende Schulen abgegeben werden durften.

Meines Erachtens brauchen wir eine viel stärkere Öffnung von Schulen, Exkursionen in Unternehmen, regelmäßige Besuche von Azubis in Schulen, um aus ihrem Alltag zu erzählen, einfach insgesamt eine viel stärkere Vernetzung von Schulen und Unternehmen.

Monika, BY
1 Monat zuvor
Antwortet  Sepp

“Meines Erachtens brauchen wir eine viel stärkere Öffnung von Schulen, Exkursionen in Unternehmen, regelmäßige Besuche von Azubis in Schulen, um aus ihrem Alltag zu erzählen, einfach insgesamt eine viel stärkere Vernetzung von Schulen und Unternehmen.”

Und das gilt auf jeden Fall auch für Gymnasien.
In der heutigen Zeit ist es ein völlig falscher Ansatz, Gymnasiasten ausschließlich durch Theorie und Noten auf das Leben vorzubereiten, zumal diese Noten nach wie vor das einzige Maß für schulischen Erfolg sind.
Damit sendet man eine völlig falsche Botschaft an die junge Generation. Kaum ein Unternehmen braucht heute noch reine Theoretiker mit exzellenten Noten, die lediglich beweisen, wie gut jemand vorgeschriebenen Stoff inhalieren und wieder recyceln kann.

Ein rein theoriebasiertes Bildungssystem ohne praktische Orientierung ist nicht mehr zeitgemäß. Unternehmen suchen nach kreativen, anpassungsfähigen und problemlösungsorientierten Menschen und nicht nach perfekten „Stoffwiedergebern“. Gymnasien müssen endlich praxisnäher werden und den Schülern echte Einblicke in die Berufswelt bieten.

Sternschnuppe
1 Monat zuvor
Antwortet  Sepp

Gebe Ihnen völlig recht. Wir haben bei uns in der Schule eine gute Vernetzung von Lehrern und Ausbildern. Tauschen uns regelmäßig aus und lösen gemeinsam Probleme. Die Schüler wissen, dass sie uns nicht gegenseitig ausspielen können. Machen aller drei Monate regelmäßige Treffen auch in den Firmen. Aber ich gebe zu, dass ist uns Kollegen wichtig und wir haben das auf die Beine gestellt. Und oft können wir mit Hilfe der Firmen rechtzeitig einschreiten, bevor etwas zum Problem wird. Das erleichtert uns einiges.

Schotti
1 Monat zuvor
Antwortet  Sepp

Aber die Frage ist, wer will das organisieren? Es gibt ja jetzt schon kaum Personal für den eigentlichen Kernunterricht. Dafür bräuchte man eine extra Stelle, die das organisiert und aufbaut. Völlig utopisch.

Sepp
1 Monat zuvor
Antwortet  Schotti

Diese “völlig-utopischen” Sachen machen wir teilweise schon, tatsächlich aber, ohne dafür eine Stelle zu bekommen:

Wir hatten z.B. mit Oberstufenschülern Chromatographie behandelt, haben Rücksprache mit einer CTA-Schule gehalten, sind für ein paar Stunden hingefahren und haben uns dort Gas-Chromatographie am echten Gerät erklären lassen. Total spannend für unsere Schüler und die TA-Schule wurde etwas bekannter.

Wir hatten auch schon aus umliegenden Firmen Leute eingeladen, die über die Ausbildungsberufe dort berichtet haben.

Welcher 9./10. Klässlern weiß, was z.B. ein/e PTA oder PKA ist? – In vielen Fällen würde der Apotheker aus der nächsten Apotheke bestimmt mal an die Schule kommen und das erklären. – Genau sowas müsste man eigentlich viel mehr anbieten.

Andreas
1 Monat zuvor

Chemielehrkräfte verdienen jetzt schon meinen allerhöchsten Respekt. Aufgewertet wurde der Chemieunterricht allerdings nicht. Es wurde massiv Unterrichtszeit gekürzt. Inhalte wurden massiv so gekürzt, sodass sich Querverbindungen zur Biologie, Physik und Ethik immer seltener knüpfen lassen. MINT-Spezialschulen haben massiv Probleme, Schüler zu bekommen. Senken wir noch mehr die Anforderungen, sehe ich wirklich nicht sonderlich positiv auf den Wirtschaftsstandort Deutschland. So ist eben der Zeitgeist. Analytisch-naturwissenschaftliches Denken ist nicht mehr gefragt.

Unfassbar
1 Monat zuvor
Antwortet  Andreas

Der Standort Deutschland ist seit mindestens 20-30 Jahren schon abgehängt. Das schlägt nur erst jetzt durch, weil das System so träge ist.

dickebank
1 Monat zuvor
Antwortet  Redaktion

Der Wettbewerbsvorteil waren das russische Erdgas und eine Lohnentwicklung, die zu Kaufkraftverlusten geführt hat. Die hohen Sozialabgaben stärken die Kaufkraft der Privathaushalte ja nicht.
Aber Hauptsache ist, dass der Spitzensteuersatz und die Erbschaftssteuerregelungen nicht zeitgemäß überarbeitet werden.

Realist
1 Monat zuvor
Antwortet  dickebank

Das deutsche Geschäftsmodell: Billige Vorprodukte (China!) mittels billiger Rohstoffe (Russland!) mit hohem technischen Know How (Bildung!) teuer verkaufen (USA!) funktioniert nicht mehr…

Und nu?

Grit
1 Monat zuvor

Mein Sohn sucht eine Ausbildung als Chemielaborant. Er wird dieses Jahr seinen Realschulabschluss sehr gut absolvieren. Na ja, Halbjahr war 1,7. Man glaubte nie an ihn, außer ich. Er besucht die Lindenparkschule in Heilbronn, es ist eine Sonderpädagogische Schule für Sprachheilkunde. Was passiert, bisher sind über 20 Bewerbungen rausgegangen, leider nur absagen, trotz das er auch umziehen würde. Selbst das wurde negativ von den HR gesehen. Warum? Weil ich denke er geht nicht auf eine Regelschule, trotz gleichen Unterricht. Weil ich mitbekommen hab, das viele Personaler nicht den Mensch sehen und seinen Willen. Unsere Kinder können mehr für die Firmen da sein, wenn die Firmen bereit sind. Es gibt immer noch Schulen, die eine gute Naturwissenschaftliche Ausbildung anstreben.

Liebe Ausbildungsfirmen für Chemie, gebt einen jungen Menschen die Chance seinen Wunschberuf zu erlernen. Liebe Personaler, nehmt den jungen Mensch mit und agiert einfach mal menschlich, passende Bewerbungsgespräche zum Alter. Ein junger Mensch muss erst lernen per Team sich zu präsentieren. Das ist für mich nicht mal einfach, da ich das persönliche Schätze.

Sternschnuppe
1 Monat zuvor
Antwortet  Grit

Vielleicht wäre es sinnvoll, ein Praktikum zu absolvieren. Bei uns sind da schon einige zu einer Ausbildungsstelle gekommen oder vielleicht eine Chemikantenausbildung? Da sind die Chancen besser.

Besseranonym
1 Monat zuvor
Antwortet  Grit

Ja, guter Rat von @ Sternschnuppe. Vlt auch an BS/ Sekretariat/ Fachabteilung herantreten* und auf der Homepage der IHK den Ansprechpartner/ eruieren. *Die Kollegen wissen meist auch, welche Betriebe suchen.
Viel Erfolg bei der Suche !

JoS
1 Monat zuvor

Anstatt rumzuheulen, dürfen sich die Unternehmen gerne stärker in die Finanzierung der Berufsschulen einbringen. Ich kenne es zumindest so, dass diese auf Drittmittel aus den entsprechenden Branchen angewiesen sind.