MÜNCHEN. Seit 2020 müssen Grundschullehrer in Bayern mehr arbeiten, um den Lehrermangel aufzufangen. Jetzt hat Kultusministerin Stolz (Freie Wähler) eine neue Regelung vorgestellt – nicht ganz freiwillig. Der BLLV begrüßt die Änderung als ersten Schritt, verlangt aber eine Entschuldigung.

Das bayerische Kultusministerium hat die Arbeitszeitregelung von Grundschullehrerinnen und -lehrern nach einem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) neu geregelt. Überstunden müssen künftig nicht mehr so lange angespart und können schneller wieder ausgeglichen werden, wie Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) mitteilte.
Der VGH hatte Mitte November vergangenen Jahres entschieden, dass das seit 2020 geltende verpflichtende Arbeitszeitkonto für Lehrerinnen und Lehrer an bayerischen Grundschulen nicht rechtens ist.
Das Modell, das 2020 vom damaligen Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) im Kampf gegen den Lehrermangel eingeführt worden war und für Lehrkräfte an Grundschulen eine Ansparphase von fünf Jahren vorsieht, in der sie eine zusätzliche Unterrichtsstunde pro Woche leisten, die sie später wieder zurückbekommen, sei unwirksam. Geklagt hatte die Leiterin einer Grundschule – unterstützt vom Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV). Damals wurde auch dsa so genannte Sabbatjahr für Lehrerinnen und Lehrer gestrichen.
“Die einzig wirklich richtige Maßnahme gegen den Lehrkräftemangel ist, den Lehrberuf und das Lehramtsstudium attraktiv und zukunftsfähig zu gestalten”
Das neue Modell, das rückwirkend zum Schuljahr 2021/22 gelten soll, orientiert sich an einer neuen Datenlage für den Lehrerbedarf, funktioniert aber im Grunde genau so. Wie es in einer Mitteilung des Ministeriums heißt, werden die Phasen jedoch kürzer. Vier statt fünf Jahre lang sollen die Überstunden angespart werden, bevor dann nach einer dreijährigen Pause die vierjährige Abbauphase startet. Mit diesem Modell ist nach Angaben des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) die Ansparphase mit Mehrarbeit für einen Teil der Lehrer schon vorbei.
Außerdem können die Lehrkräfte, die schon seit 2020 mehr gearbeitet und damit die nun abgeschafften fünf Jahre bereits absolviert haben, sich die Überstunden nach Ministeriumsausgaben auszahlen lassen, ein Jahr früher damit anfangen, sie abzufeiern – oder sich für ganze Tage freistellen lassen. Darüber hinaus erhalten die Kolleginnen und Kollegen wieder die Möglichkeit eines Sabbatjahrs.
Der BLLV nannte die Neuregelung „durchaus positive Nachrichten“, bemängelte aber: „Eines fehlt allerdings: eine Entschuldigung des Kultusministeriums für die ungerechtfertigten Maßnahmen auf dem Rücken der Lehrkräfte.“
Simone Fleischmann, die Präsidentin des BLLV, betont: „Zwangsmaßnahmen bringen nichts. Die einzig wirklich richtige Maßnahme gegen den Lehrkräftemangel ist, den Lehrberuf und das Lehramtsstudium attraktiv und zukunftsfähig zu gestalten. Der BLLV hat dafür die Konzepte entwickelt und schon lange vorgelegt. Das Kultusministerium geht mit dem aktuellen Kultusministeriellen Schreiben deshalb einen Schritt in die richtige Richtung.“
Wesentlicher Punkt in der Klage gegen das Arbeitszeitkonto war laut Verband, dass die zugrundeliegende Datenbasis falsch war, da das Kultusministerium den Lehrkräftebedarf systematisch um 25-35 Prozent zu hoch angesetzt hatte. Hier lag die Vermutung nahe, dass gezielt Grundschullehrkräfte an die vom Lehrkräftemangel besonders betroffenen Mittel- und Förderschulen verschoben werden sollten, was laut Gerichtsurteil aber nicht zulässig ist. Außerdem waren die Lehrerinnen und Lehrer an den bayerischen Schulen damals wegen der Corona-Pandemie ohnehin schon deutlich überlastet. Auch die extrem lange Laufzeit des Modells war ein Kritikpunkt.
Beim Arbeitszeitkonto hat das Kultusministerium jetzt reagiert und die Kohorten an die Wirklichkeit und gesetzlich korrekt angepasst. Für die erste Kohorte der betroffenen Kolleginnen und Kollegen, die bereits im Schuljahr 2020/2021 mit dem Arbeitszeitkonto gestartet sind, wurde zugegeben, dass hier zu früh begonnen wurde.
„Mit den Wahlmöglichkeiten für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen zeigt sich das Kultusministerium hier erstmals sehr flexibel”
Die Betroffenen bekommen nun einen Ausgleich für das zu Unrecht erhöhte Stundenmaß. Sie sollen die Möglichkeit haben, zwischen drei Lösungsmodellen zu wählen: entweder die zu viel geleisteten Stunden ausbezahlt zu bekommen, ab dem Schuljahr 2026/27 eine Stunde weniger zu arbeiten oder die Stunden gebündelt als eine entsprechende Dienstbefreiung in Form von Urlaubstagen zu erhalten. Die Kolleginnen und Kollegen der ersten Kohorte können selbst wählen, für welche Option sie sich entscheiden. Für alle Kohorten wird das Modell außerdem verkürzt auf eine „4-3-4 Regelung“ mit einer Stunde Mehrarbeit für vier Jahre, drei Jahren Wartezeit und einer Rückgabephase von vier Jahren, in der eine Stunde weniger gearbeitet werden muss. Somit sind für zwei der vier Kohorten die Ansparjahre schon beendet.
Gerd Nitschke, Vizepräsident des BLLV, betont: „Mit den Wahlmöglichkeiten für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen zeigt sich das Kultusministerium hier erstmals sehr flexibel, was genau der richtige Weg ist und allen entgegenkommt. Und auch die Verkürzung für alle Betroffenen ist genau der richtige Schritt. Angesichts der Vorgeschichte hätten wir uns eine Entschuldigung für die ungerechtfertigte Zwangsmaßnahme gewünscht, die Unterschrift des Amtschefs zeigt aber zumindest eine angemessene Wertschätzung allen betroffenen Lehrkräften gegenüber. Auch dürfen wir nicht vergessen, die übrigen Notmaßnahmen aus dem Piazolo-Paket auf den Prüfstand zu stellen. Denn hier geht es um die Gesundheit der Kolleginnen und Kollegen!“
Was nach wie vor für Kritik sorgt: Seit dem Piazolo-Paket dürfen Förderschullehrkräfte im Rahmen einer Antragsteilzeit höchstens noch auf 23, Grund- und Mittelschullehrkräfte auf 24 Wochenstunden reduzieren. Ein vorzeitiger Ruhestand wird mittlerweile in der Regel erst ab 65 Jahren erlaubt. Alles Maßnahmen, die der BLLV nicht nur mit Blick auf die Lehrkräftegesundheit kritisiert, sondern auch als wirkungslos bis kontraproduktiv ansieht, da hiermit keine Stunden gewonnen, sondern lediglich Dienstunfähigkeiten produziert werden. Fleischmann: „Entscheidend ist die Attraktivität des Lehrberufes, statt Zwangsmaßnahmen beim Ruhestandseintritt oder der Teilzeit. Denn jede Kollegin und jeder Kollege in Teilzeit hat Gründe dafür, wie viel er oder sie arbeiten kann. Auch bei diesem Thema werden wir als BLLV nicht lockerlassen.“
Die Wiedereinführung der Sabbatmodelle in allen Schularten sei allerdings ein wichtiger erster Schritt zur Steigerung der Attraktivität des Lehrberufs. News4teachers / mit Material der dpa
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“Für alle Kohorten wird das Modell außerdem verkürzt auf eine „4-3-4 Regelung“ mit einer Stunde Mehrarbeit für vier Jahre, drei Jahren Wartezeit und einer Rückgabephase von vier Jahren, in der eine Stunde weniger gearbeitet werden muss. Somit sind für zwei der vier Kohorten die Ansparjahre schon beendet.”
Verstehe ich das richtig – das dauert elf Jahre?
Damit alle KuKs dann ihre Stunden zurückbekommen, müssen sie bis 82 arbeiten?
(Die Zahl ist nicht berechnet, sie ist geschätzt, auch im Hinblick der “Willkür” bei einseitiger Veränderung der Dienstverpflichtung.)
“Damit alle KuKs dann ihre Stunden zurückbekommen, müssen sie bis 82 arbeiten?”
Nein, ganz so ist es nicht. Es mussten als erstes diejenigen beginnen, die etwa 45 Jahre waren und bei denen davon auszugehen war, dass sie bis zur regulären Pensionierung mit 67 damit fertig werden können. Danach kamen schrittweise mit jedem Jahr die jüngeren dran.
Die erste Kohorte waren Kollegen die zwischen 50 und 54 Jahre alt waren. So dass sie bis 67 ihre Stunden zurückbekommen (das erste Modell war ja auf 13 Jahre geplant). Kollegen ab 55 mussten nicht mehr arbeiten.
Was sich mir nicht ganz erschließt, warum das Modell jetzt rechtmäßig ist.
Die Abordnungen von GS an die MS sind ja erfolgt und bestehen auch fort. Denn unsere tollen Quer- und Seiteneinsteiger wollen ja lieber in die GS und dann dürfen die Fachleute für die GS halt in die MS. Wehren kann man sich ja nicht wirklich als Beamter.
Als Entschuldigung nehmen wir die 4 Tage Woche und endlich höhere Akademikergehälter.
10 Jahre studiert???
Ich würde eine umgehende Einführung der Arbeitszeiterfassung nehmen.
Es hindert sie niemand daran, ihre Arbeitszeit zu erfassen.
Er/Sie meint wohl eine von oben verordnete mit allem Drum und Dran. Die will ich auch! Gleiches Recht für alle in der Schule!
Ja, was wäre nicht wertvoller und ehrlicher als eine Entschuldigung aus der Politik…
Ich verstehe halbwegs den Frust, da ist aber nichts zu holen. Lieber weitermachen!