Naturerfahrungen: So wichtig für Kinder! Aber in Kitas kaum mehr realisierbar

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DÜSSELDORF. Rein in die Matschhose und raus in die Natur. Was sich viele Kita-Leitungen laut einer Umfrage wünschen, scheitert oft am Personalmangel. «Es ist absurd, wenn engagierte Fachkräfte gerne mit den Kindern in die Natur gehen würden, aber Personalmangel und fehlender niedrigschwelliger Zugang sie hindern», sagte VBE-Vize Tomi Neckov.

Matschen? Ja, bitte. Foto: Shutterstock

Mit Gummistiefeln raus in den Wald oder in Matschhose zum Bach: Naturerfahrungen für Kita-Kinder sehen die meisten Kita-Leitungen laut einer Umfrage zwar als positiv und wünschenswert an, sie seien aber im Alltag viel zu oft nicht realisierbar. Das geht aus einer Befragung von 2.659 Kita-Leitungen in Deutschland hervor, die der Verband Bildung und Erziehung (VBE) zu Beginn des Deutschen Kitaleitungskongresses (DKLK) in Düsseldorf vorstellte.

Laut der Studie gaben 71 Prozent der Kita-Leitungen an, sie brauchten mehr Personal, um Kindern regelmäßig Erfahrungen in der Natur zu ermöglichen. Gut ein Drittel wies darauf hin, dass sie wegen der örtlichen Lage ihrer Kita kaum ins Grüne kommen könnten. Rund 75 Prozent gaben an, nicht täglich mit den Kindern einen Naturraum aufzusuchen – also etwa Wald, Park, naturbelassenes Außengelände der Einrichtung, Felder, Wiesen oder auch Bachufer.

«Naturerfahrungen sind kein Luxus, sondern essenziell für die gesunde Entwicklung von Kindern», sagte der VBE-Vizevorsitzende Tomi Neckov. Eine übergroße Mehrheit der Kita-Leitungen sehe in einer Naturbildung positive Effekte für Motorik, Gesundheit, Wohlbefinden und Umweltbewusstsein der Jüngsten. Auch eine bessere Selbstwahrnehmung und Kreativität sowie ein Plus für die Sprachentwicklung werden von vielen Befragten genannt. Das Personal könne nach Einschätzung zahlreicher Befragter ebenfalls profitieren – etwa durch geringere Lärmbelastung und wegen «positiver Effekte auf das Verhalten der Kinder».

Schwierige Personallage und zu großen Gruppen werden bemängelt

Wie der «DKLK-Meinungstrend» weiter ergab, würden zwei von fünf Kita-Leitungen ihren Beruf nicht weiterempfehlen. Problematisch sei nach wie vor der Fachkräftemangel. Zudem müssten die Gruppen kleiner, der Verwaltungsaufwand geringer und die gesellschaftliche und politische Wertschätzung größer werden, sagten viele Leitungen.

Nordrhein-Westfalens Familienministerin Josefine Paul (Grüne) zeigte Verständnis für die Kritik. «Die Beschäftigten erwarten zu Recht, dass wir als Politik hier handeln», sagte die Grünen-Politikerin der «Rheinischen Post». Das System Kita sei in den vergangenen zehn Jahren stark gewachsen – auch mit zusätzlichen Betreuungsplätzen und mehr Personal, es reiche aber nicht.

Über alle Ebenen hinweg müssten Bund, Länder und Kommunen daran arbeiten, die Herausforderungen des Fachkräftemangels zu lösen. Das Land werbe aktiv um ausländische Arbeitskräfte und sorge dafür, dass diese mit möglichst wenig bürokratischen Hürden einen Job in der Kita aufnehmen könnten. Es gebe Qualifizierungsprogramme für Quereinsteiger und Möglichkeiten zu einem flexibleren Personaleinsatz in den Einrichtungen.

Immerhin sei das Kita-Personal in Nordrhein-Westfalen 2024 um weitere 4.000 Beschäftigte im Vergleich zum Vorjahr gewachsen. Im vergangenen Jahr waren laut Ministerin rund 144.610 Menschen in den Kitas im Land tätig – darunter rund 92.853 Erzieherinnen und 14.236 Kinderpfleger.

Bewegung draußen ist wichtig für ein gesundes Aufwachsen

Die VBE-Landesvorsitzende Anne Deimel sagte, in einer von Digitalisierung geprägten Gesellschaft, in der bereits kleine Kinder viel Zeit mit Handys und Tablets verbrachten, sei Bewegung draußen für die gesunde Entwicklung umso wichtiger. Dennoch reichten die Rahmenbedingungen in den Kitas nicht aus, um den Jungen und Mädchen ausreichend Zeit in der Natur zu ermöglichen, monierte Deimel laut Mitteilung.

Positive Effekte für Kinder ergeben sich der Umfrage zufolge aus Mehrheitssicht der befragten Kita-Leitungen für motorische Fähigkeiten, Gesundheit, Wohlbefinden und das Umweltbewusstsein der Jüngsten. Auch das Personal könne nach Einschätzung vieler Befragter profitieren – etwa durch geringere Lärmbelastung. Natur-Bildung stand diesmal im Fokus der alljährlichen Umfrage.

Dass mehr als 80 Prozent der Leitungen mehr Personal benötigen, um Kindern regelmäßige Natur-Erfahrungen zu ermöglichen, zeige, wie weit Wunsch und Wirklichkeit in der frühkindlichen Bildung auseinanderklafften, betonte die FDP-Landtagsfraktion. Die Auswertung lege eine strukturelle Kita-Krise offen, sagte der familienpolitische Sprecher, Marcel Hafke. Personalmangel, überlastete Leitungskräfte, zu große Gruppen und eine mangelhafte Fachkraft-Kind-Relation führten zu einem «Teufelskreis im System».

In den «DKLK-Meinungstrend» waren zwischen Oktober 2024 und Januar 2025 Antworten von Leiterinnen und Leitern vor allem aus NRW, Baden-Württemberg und Bayern eingeflossen. Die Umfrage ist laut dem VBE nicht repräsentativ. News4teachers / mit Material der dpa

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5 Kommentare
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potschemutschka
1 Monat zuvor

“Naturerfahrungen” – braucht man doch in den digitalen Zeiten nicht. Das erleben die Kinder doch täglich stundenlang digital “live und in Farbe” und wenn dann Erzieher noch durch Avatare ersetzt werden …Perfekt!
Digitalisierung first – Realität wozu?
(muss ich ergänzen, dass das ironisch gemeint ist?)

Rainer Zufall
20 Tage zuvor
Antwortet  potschemutschka

Volle Zustimmung!
Wobei die neuen Displays ne viel bessere Auflösung haben als die Realität XD

Gebt bei jedem Kuchenverkauf eines Waldkindergartens Geld!

potschemutschka
1 Monat zuvor

“Rein in die Matschhose und raus in die Natur. Was sich viele Kita-Leitungen laut einer Umfrage wünschen, scheitert oft am Personalmangel.”
Das scheitert nicht nur am Personalmangel! Mir wurde schon vor vielen Jahren klar, warum man lieber Kita, statt Kindergarten sagt. An der Länge des Wortes liegt es wohl nicht. Das konnten früher schon die meisten 3jährigen problemlos sagen. 🙂

Pauker_In
30 Tage zuvor
Antwortet  potschemutschka

Bei uns hieß es immer Kigagaaaa!

potschemutschka
30 Tage zuvor
Antwortet  Pauker_In

🙂