750 Euro netto weniger: Lehrer streiken für einheitliche Vergütung

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BERLIN. Die Gewerkschaften schicken bei den Warnstreiks im öffentlichen Dienst die angestellten Lehrer vor. Für sie geht es nicht nur um mehr Geld, sondern erstmals auch um einen bundesweiten Tarifvertrag.

Auftakt zur großen Streikwelle: In Berlin gingen heute mehrere Tausend Lehrer in den Ausstand. Foto: GEW BERLIN
Auftakt zur großen Streikwelle: In Berlin gingen heute mehrere Tausend Lehrer in den Ausstand. Foto: GEW BERLIN

Die Kita geschlossen und an vielen Schulen kein Unterricht: «Wir streiken», hieß es an zahlreichen Berliner Bildungseinrichtungen. Nach Planung der Gewerkschaften sollte das erst ein kleiner Vorgeschmack dessen sein, was in den nächsten Tagen in vielen Ländern droht. Morgen geht es in Niedersachsen weiter. Am Mittwoch sind Bremen, das Saarland, Sachsen-Anhalt und Sachsen betroffen und in der kommenden Woche Nordrhein-Westfalen.

Seit den 90er Jahren regeln die Länder weitgehend in eigener Regie die Bezahlung ihrer angestellten Pädagogen. Die Föderalismusreform von 2006 hat alles noch komplizierter gemacht. Das wachsende Einkommensgefälle war programmiert: Ein angestellter Pädagoge im Osten bekommt heute unter Umständen 750 Euro netto weniger im Monat als sein verbeamteter Kollege in Baden-Württemberg – und dies bei gleichwertiger Tätigkeit.

Mit jeweils eintägigen Warnstreiks wollen die Gewerkschaften Verdi, GEW und Beamtenbund nicht nur ihre Forderung nach einer Gehaltserhöhung von 6,5 Prozent bei der äußerst schleppend angelaufenen Tarifrunde für den öffentlichen Dienst unterstreichen. Es geht erstmals auch konkret um einen bundesweiten Tarifvertrag für die 200.000 angestellten Lehrer und eine einheitliche Eingruppierung der verschiedenen Lehrämter in die Vergütungstabelle der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL).

Lehrer werden schlechter bezahlt als andere Akademiker

Bisher gilt: Lehrer werden im öffentlichen Dienst generell schlechter bezahlt als andere Akademiker. Die Rechtsprechung räumt den Personalräten zwar Mitspracherechte bei der Eingruppierung ein. Von einigen Ländern wird das aber bestritten. Auch hier wollen die Gewerkschaften den Hebel ansetzen.

Doch wer die Systematik von Tarifrunden kennt, der weiß, dass ein neuer Tarifvertrag mit so komplizierten Eingruppierungsfragen nicht vom Himmel fällt. Von der aktuellen Einkommensrunde im öffentlichen Dienst der Länder sind insgesamt 970.000 Angestellte betroffen. Die 200.000 Lehrer sind nur ein Teil davon. Weil es für sie aber auch um einen Tarifvertrag geht, schicken die Gewerkschaften die Pädagogen bei den Warnstreiks vor. Empfindlich Wirkung zeigen kann das vor allem in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Dort sind nahezu alle Lehrer angestellt – und nicht verbeamtet. Sie haben also auch das volle Streikrecht.

Bundesweit haben etwa 25 Prozent der rund 800.000 Pädagogen in Deutschland keinen Beamtenstatus. Von Bundesland zu Bundesland ist das sehr unterschiedlich ausgeprägt. In Baden-Württemberg beträgt der Anteil der Angestellten unter den Pädagogen nur zehn Prozent.

Als ersten Schritt haben die Lehrerorganisationen den Ländern ein Einstiegsmodell in einen bundesweiten Tarifvertrag vorgeschlagen, über das jetzt parallel zu den Tarifverhandlungen in einer Arbeitsgruppe gesprochen wird. Die GEW-Tarifexpertin Ilse Schaad: «Wir werden nicht locker lassen und weiter Druck machen. Die große Zahl der Streikenden zeigt, dass wir die Kraft dazu haben.»

Dem Verhandlungsführer der Länder, Sachsen-Anhalts Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD), ist bewusst, dass in Sachen Entgeltordnung für die Lehrer etwas getan werden muss. Anfangs wollten die Länder gar nicht verhandeln. Jetzt willigten sie zumindest in Gespräche ein. Hintergrund ist auch, dass die Länder zunehmend Probleme bekommen, mit relativ geringen Gehältern Lehrernachwuchs für die Schulen zu gewinnen. Bundesweit ist heute jeder dritte Lehrer schon älter als 55 Jahre. Und in den neuen Bundesländern gibt es kaum noch Pädagogen unter 40. KARL-HEINZ-REITH

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