VBE-Hammer! „Grundschulen können Bildungsauftrag nicht länger erfüllen“, so meint der Verband nach einer Umfrage zum TIMSS-Schock

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DÜSSELDORF. Nach einer Blitz-Umfrage unter allen Grundschulen in Nordrhein-Westfalen kommt der VBE zu der Einschätzung, dass die Grundschulen des Landes aufgrund einer anhaltenden Misere bei der personellen Ausstattung nicht länger in der Lage sind, Ihren Bildungsauftrag zu erfüllen. NRW. Was das bedeute, habe gerade die aktuelle TIMMS-Studie aufgedeckt, sagt Udo Beckmann, Landes- (und Bundes)Vorsitzender des VBE. Sie belegt, dass die Leistungen der Grundschüler in Mathematik in den letzten vier Jahren deutlich nachgelassen haben.

Gewohnt pointiert: VBE-Vorsitzender Udo Beckmann (unlängst auf dem Deutschen Schulleiterkongress). Foto: Susanne Schnabel
Gewohnt pointiert: VBE-Vorsitzender Udo Beckmann (unlängst auf dem Deutschen Schulleiterkongress). Foto: Susanne Schnabel

Nach VBE-Einschätzung hat das hohe Engagement der Lehrkräfte bisher weitere Defizite weitgehend zudecken können. „Nachhaltige Maßnahmen, um den wachsenden Personalmangel an den Grundschulen dauerhaft zu entschärften, sind aber überfällig“, so heißt es in einer Pressemitteilung. „Nun rächt sich leider, dass die Anforderungen und Erwartungen an die Lehrkräfte in den Grundschulen seitens der Politik ständig erhöht worden sind, ohne die notwenigen Ressourcen mitzuliefern.“

Die VBE-Umfrage, an der sich mit 1390 Grundschulen rund 50 Prozent aller Grundschulen in Nordrhein-Westfalen beteiligt haben, zeigt, dass von den Stellen, die zum 1. August 2016 ausgeschrieben waren, zumindest an den beteiligten Schulen, bis zum 1. November 2016 nur zwei Drittel besetzt werden konnten. Rund 23 Prozent der Grundschulen haben – laut Rückmeldung – zum 1. November Stellen ausgeschrieben. Von diesen Stellen konnten bis Mitte November 45 Prozent besetzt werden.

Noch drastischer sehe es bei der Ausschreibung von Stellen für das Gemeinsame Lernen (Inklusion) an Grundschulen aus. Nach den Ergebnissen der Umfrage fand sich nur für jede fünfte Stelle für sonderpädagogische Förderung von Kindern eine entsprechende Fachkraft. Mittlerweile bleiben nahezu alle ausgeschriebenen Stellen unbesetzt.

Verschärft werde die Situation dadurch, dass für die Vertretungsstellen im Grundschulbereich keine ausgebildeten Lehrkräfte mehr zur Verfügungen stünden und daher auf Studierende oder Bewerber ohne Lehramtsausbildung zurückgegriffen werden müsse.

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Welche Folgen hat der Personalmangel im Alltag der Schulen? „Da die Schulen bei Erkrankungen oder ähnlichem auf keine Vertretungsstellen zurückgreifen können, sehen sie sich gezwungen, Doppelbesetzungen in inklusiven Klassen aufzulösen. Die Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen werden als Klassenleitungen oder anderweitig als Vertretung eingesetzt. In der Konsequenz bedeutet dies, dass in diesen Lerngruppen weder Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarf noch die Kinder ohne Förderbedarf die notwendige Unterstützung erhalten.“

Eine dramatische Entwicklung zeichne sich auch im Bereich der Versorgung mit Konrektoren ab. Laut Umfrage sind 39 Prozent der Schulen, die geantwortet haben, ohne stellvertretende Schulleitung. „Dies ist eine Katastrophe für die von der Politik immer wieder eingeforderte Schulentwicklung“, sagt Beckmann. Es zeige, dass dieses Amt dringend attraktiver gestaltet werden müsse. Zurzeit verdient ein Konrektor rund 87 Euro mehr im Monat als eine normale Lehrkraft. „Das ist ein Beleg dafür, dass es ein großer Fehler der Landesregierung ist, die Konrektoren bei der Besoldungserhöhung für Schulleitungen auszuklammern, hier muss umgehend nachgesteuert werden“, fordert Beckmann. Für Schulleitungen an Grundschulen war eine Erhöhung um eine Besoldungsstufe in Aussicht gestellt worden.

Die 1390 Schulen, die im Rahmen der VBE-Umfrage geantwortet haben, haben im Durchschnitt jeweils rund 9 Klassen. In 60 Prozent dieser Klassen werden 24 Kinder und mehr unterrichtet. Rund 13 Prozent der Klassen umfassen sogar 28 und mehr Kinder. „Die Landesregierung ist noch weit weg von ihrem Ziel, die Lerngruppen zu verkleinern und bei den Lerngruppengrößen die Voraussetzungen für individuelle Förderung zu schaffen“, sagt Beckmann.

Weiter heißt es in der Pressemitteilung: „Die Schulen reklamieren außerdem, dass sie trotz der Maßnahmen der Landesregierung immer noch viel zu wenig Unterstützung haben durch Lehrkräfte mit Deutsch als Fremdsprache-Qualifikation und dass sie dringend mehr sozialpädagogische Fachkräfte benötigen. Diese Blitzumfrage zeigt, dass sich die Situation seit der Erhebung durch den VBE im Mai dieses Jahres weiter deutlich verschlechtert hat. Ein Masterplan, wie vom VBE eingefordert und von der CDU in den Landtag gebracht, ist unverzichtbar und längst überfällig.“ Dazu gehöre auch eine verbesserte Bezahlung und die Einstufung in die Besoldungsgruppe A 13. Zurzeit habe eine Grundschullehrerin in NRW ein um 4000 Euro geringeres Jahreseinkommen als eine vergleichbare Lehrkraft in Bayern. „Auch das sagt viel über Wertschätzung aus“, sagt Beckmann.

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Hintergrund: Die Forderungen des VBE

Der „Masterplan Grundschule“ des VBE beinhaltet:

  •  Schaffung einer Vertretungsreserve für jede Grundschule.
  • Jede Schule braucht ein Schulleitungsteam, bestehend aus Rektor/in und Konrektor/in. Deren Besoldung muss deutlich höher sein als die der anderen Professionen an der Schule.
  • Eine Doppelbesetzung aus sonderpädagogischer Lehrkraft und Grundschullehrkraft in allen inklusiven Klassen.
  • Eine bessere Ausstattung für Sprachförderung.
  • Mehr Ressourcen für landesweit vergleichbare qualitativ hochwertige Ganztagsangebote.
  • Absenkung der Unterrichtsverpflichtung an Grundschulen auf die Unterrichtsverpflichtung an Schulen des längeren gemeinsamen Lernens (25,5 Stunden pro Woche.
  • 0,5 statt wie bisher 0,2 Anrechnungsstunden für besondere schulische Aufgaben, vergleichbar mit der Sekundarstufe I.
  • Maximal 24 Kinder pro Klasse.
  • Jede Grundschule benötigt eine sozialpädagogische Fachkraft.
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3 Kommentare
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sofawolf
7 Jahre zuvor

Zitat: „Da die Schulen bei Erkrankungen oder ähnlichem auf keine Vertretungsstellen zurückgreifen können, sehen sie sich gezwungen, Doppelbesetzungen in inklusiven Klassen aufzulösen. Die Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen werden als Klassenleitungen oder anderweitig als Vertretung eingesetzt. In der Konsequenz bedeutet dies, dass in diesen Lerngruppen weder Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarf noch die Kinder ohne Förderbedarf die notwendige Unterstützung erhalten.“

DAS ist die Realität.

Sue He
7 Jahre zuvor

Bin ich froh, dass meine Kinder NICHT in dieses Schulsystem müssen. Sie sind glückliche, entspannte, neugierige Freilerner, die den Tag selbst gestalten, sich interessieren und dabei alles lernen was sie möchten.

Mitch
7 Jahre zuvor

Das Problem beszeht nicht nur in den Grundschulen… weiterführende Schulen habe die gleichen Probleme…
ich bin ja nur ein kleiner blöder Handwerker, aber das Handwerk hat masive Probleme Nachwuchs zu bekommen, mit dem man was anfangen kann.
Schulabschluss haben die potenziellen Bewerber, können aber mal gerade und das auch nur mit viel Glück ihren Namen tanzen.
Lesen und schreiben oder gar die Grundrechenarten… das ist schon viel zu viel verlangt. Genau so wie Pünktlichkeit… Grundwerte, die gibt es schon lange nicht mehr… eine schreckliche Entwicklung in diesem Land…

Das Bildungssystem, sowie Familienpolitik in diesem Land bedürfen einer grundlegenden Reform… für die Bewohner in diesem Land und nicht dagegen… aber wie es halt immer so ist… Es geht halt nir ums Geld.
Die Weitsicht in dieser Welt ist nicht mehr existent, jedenfalls nicht wenn es um Menschen geht. Weitsichtig werden nur noch die Vermögen der oberen 10.000 abgelegt und ausgebaut.
Ich für meinen Teil, bin sehr gespannt wie es in den nächsten 5 Jahren im Mittelstand und gerade im Handwerk weitergeht. Die geburtenstarken Jahrgänge werden verrentet… Nachwuchs, der nur im Ansatz das leisten kann, was die Vorgänger geleistet haben, sind nur in sehr kleinem Prozentsatz vorhanden. Das grosse Abwerben hat bereits begonnen… wie gesagt… ich bin gespannt….