Bayern: Frühwarnsystem statt Aktionismus – Schulprojekt gegen Rechts

0

NÜRNBERG. Wenn Jugendliche rechtsextreme Positionen einnehmen, sind Erwachsene oft ratlos. Ein bayernweites Schulprojekt will ihnen helfen, rechtzeitig gegenzusteuern.

Manchmal ist Günter Kohl zu spät dran. Wenn die Jugendlichen bereits geschult und zu Mitgliedern in der rechtsextremen Szene geworden sind, ist es eigentlich vorbei. «Das ist dann ganz gefährlich», sagt der oberpfälzische Regionalbeauftragte für Demokratie und Toleranz. Als Teil des bayernweiten Projektes «Schulen für Demokratie und gegen Extremismus» ist er eine Art Frühwarnsystem, wenn Kinder und Jugendliche extreme Positionen einnehmen.

In dem Projekt schulen und sensibilisieren die insgesamt 15 Regionalbeauftragten – zumeist Schulpsychologen oder engagierte Lehrer – in Bayern Kollegen, helfen besorgten Eltern in Gesprächen und greifen auch direkt ein, wenn ein Schüler auffällig geworden ist. Es ist Teil des 2009 vom bayerischen Ministerrat beschlossenen bayerischen «Handlungskonzepts gegen Rechtsextremismus». Entwickelt wurde das Projekt von der Landeszentrale für Politische Bildungsarbeit und der Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus (BIGE), um frühzeitig gegenzusteuern. Außerdem soll der Austausch von Informationen durch eine Zusammenarbeit mit anderen Institutionen wie Stiftungen oder Polizei und Verfassungsschutz verbessert werden.

Dabei ist jeweils ein Beauftragter für seine Region zuständig und wird für bis zu zwei Stunden in der Woche vom Unterricht freigestellt. In Oberbayern teilen sich gleich drei Pädagogen die Arbeit auf, einer davon kümmert sich beispielsweise nur um die Münchner Schulen. Insgesamt stehen nach Angaben des Innenstaatssekretärs Gerhard Eck (CSU) rund eine Million Euro zur Verfügung. Die Beauftragten sind den neun staatlichen Schulberatungsstellen zugeordnet und werden für ihre Zusatzaufgabe vom Unterricht freigestellt. Zumeist werden sie von der Schulleitung informiert, wenn es Auffälligkeiten gibt.

Zudem schieben die Schulen selbst Aktionen an. So erstellten Gymnasiasten aus Hersbruck einen Audioguide für die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg. Andere produzierten Filme über Rassismus wie etwa die Mittelschule Fürth. Diese wurde dafür zur «Schule ohne Rassismus – Schulen mit Courage» ernannt, einer bundesweiten Netzwerk-Initiative, der 140 Schulen im Freistaat angehören. Gespräche mit den Schülern sind manchmal aber heikel: Einige Regionalbeauftragte berichten von Drohanrufen und Beschimpfungen.

In Nürnberg sind schon 13 Schulen vernetzt, sagt der für die Schulen zuständige Bürgermeister Klemens Gsell (CSU). In den vergangenen Jahren sei es mehrfach vorgekommen, dass rechte Musik-CDs an Schulen verteilt wurden. Verstärkt registrierten die Lehrer aber auch «Extremismus mit religiösem Hintergrund.»

Es sei immer besser, präventiv zu handeln und bereits früh auf Jugendliche einzuwirken, sagt der Regionalbeauftragte Kohl. Besonders wichtig ist ihm die Gegenwehr zu den Positionen der Jugendlichen. «Sie müssen spüren, dass sie auf Widerspruch stoßen», sagte der Regensburger Lehrer. Nicht immer gelingt es aber, sie zum Nachdenken zu bewegen. Einer seiner Schüler sei bereits bei der NPD in einer führenden Position gewesen. «Da bin ich nicht mehr rangekommen», erzählte er. Mehr Zeit für das Projekt als die derzeit bewilligten zwei Freistunden pro Woche könne hilfreich sein.

Für Heiner Keupp liegt hingegen in Bayern und an den Schulen im Freistaat grundsätzlich etwas im Argen. Der ehemalige Psychologie-Professor an der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität bereitet die Regionalbeauftragten als Coach auf ihre Arbeit vor. Die Leistungsmühle Schule, «die in Bayern ja besonders extrem inszeniert» werde, bringe immer wieder Verlierer hervor, die anfällig für die rechtsextreme Ideologie seien. Hier müsse sich an den bayerischen Schulen dringend etwas ändern. STEFAN ENGELBRECHT, dpa

(6.8.2012)

Zum Bericht: Rechte Musik bei Schülerfeier – Schulen sollen Auftritte prüfen

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

0 Kommentare
Inline Feedbacks
View all comments