Wenn das Körperschlagzeug beim Einmaleins hilft

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FRANKFURT AM MAIN. Lesen, Schreiben und Rechnen – das lernen die Schüler der Liebfrauenschule in Frankfurt auf ganz besondere Weise. Denn auch im Mathe- und Deutschunterricht gibt die Musik den Takt an.

In der Liebfrauenschule in Frankfurt gibt die Musik auch im Mathe- und Deutschunterricht den Takt an; Foto: RainerSturm / pixelio.de
In der Liebfrauenschule in Frankfurt gibt die Musik auch im Mathe- und Deutschunterricht den Takt an; Foto: RainerSturm / pixelio.de

Großes Getöne. Die Drittklässler sitzen im Kreis, jeder hält ein Instrument in den Händen. Doch was wie Musikunterricht aussieht, ist eigentlich Mathematik: Denn mit Triangeln, Schellen und Rasseln lernen die Kinder das Zahlensystem mit allen Sinnen begreifen. «Jedes Instrument steht für einen Stellenwert», erklärt Susanna Kock, Musikkoordinatorin und Konrektorin der Frankfurter Liebfrauenschule. «Wenn die Zahl 20 gefragt ist, muss die Triangel zweimal erklingen, die Zahl drei wird durch dreimal rasseln symbolisiert.»

In der Liebfrauenschule, einer Musikalischen Grundschule, kommen auch im Deutsch- und Englischunterricht Instrumente zum Einsatz: Das Auswendiglernen eines Gedichtes fällt in Lied-Form vielen Kindern leichter.

Im Unterschied zu Konzepten, die vor allem auf die Stärkung des Fachs Musik ausgerichtet sind, hat die Musikalische Grundschule eine andere Stoßrichtung: Musik soll in alle Fächer und in den gesamten Schulalltag hineinwirken.

Das Kollegium steht damit vor besonderen Herausforderungen: «Alle Lehrer müssen spezielle Schulungen durchlaufen», sagt Kock, die seit 2005 als Musikkoordinatorin selbst einige Workshops an der Liebfrauenschule leitet. Auf weniger musikalische Kollegen werde Rücksicht genommen: Bewegungsspiele statt Singen, einfache Rhythmusübungen statt Schlagzeug, und auch das Körperschlagzeug zum Erlernen des Einmaleins erfordere keine komplexen Kenntnisse. «Wichtig ist, dass die Musikalische Grundschule vom gesamten Kollegium mitgestaltet wird, und bei uns hier lässt sich jeder gerne darauf ein», sagt Schulleiterin Helen Kellermann-Galle.

Die musikalischen Aktivitäten beschränken sich nicht auf den Fachunterricht: In einer jahrgangsübergreifenden Musikstunde sollen die Kinder ihre Schule als große Gemeinschaft erfahren. Auch hier gilt das Prinzip: Je nach Interesse können sich Lehrer wie Schüler eigene musikalische Schwerpunkte setzen. «Ein Kollege hat sich beispielsweise auf den Instrumentenbau spezialisiert, andere sind Experten im Hip-Hop-Tanzen, unsere Musical-AG kooperiert sogar mit der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Frankfurt», berichtet Kock.

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Nach Angaben des Kultusministeriums gibt es in Hessen 91 Musikalische Grundschulen. Mit der Bertelsmann Stiftung hatte das Land 2005 ein Modellprojekt gestartet. Mittlerweile ist die Musikalische Grundschule ein fester Bestandteil der Schullandschaft geworden. Die Inhalte gestaltet jede Schule individuell.

Nicht nur die Schüler sind begeistert, auch bei den Eltern findet das pädagogische Profil großen Anklang. «Ich halte es für ein wunderbares Angebot», sagt Kathrin Kühn-Giese, deren Sohn Mathis die dritte Klasse der Liebfrauenschule besucht. «Es hat meinem Sohn den Einstieg in das Schulleben enorm erleichtert.» Sie selbst ist im Eltern-Lehrer-Chor aktiv – eine lohnenswerte Initiative, wie sie findet. «Man tritt mit den Lehrern ganz anders in Kontakt und lernt einander viel besser kennen.»

Auch die Beziehung zu den eigenen Kindern werde dadurch gestärkt: «Die Kinder lernen in der jahrgangsübergreifenden Chorstunde dieselben Lieder», erzählt Kühn-Giese. «Deshalb können wir zu Hause gemeinsam singen – das finde ich sehr schön.» CHRISTINA PFÄNDER, dpa

(16.8.2012)

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