BERLIN. Bildung ist ein entscheidender Schlüssel zur Verteilung gesellschaftlicher Chancen und gerade die Schule ist berufen, sozialen Nachteilen entgegenzuwirken. Doch Benachteiligung beginnt bereits bei der Einschulung und setzt sich über die gesamte Bildungskarriere fort, stellt die Antidiskriminierungsstelle des Bundes fest.
Jeder vierte Schüler oder Student mit ausländischen Wurzeln fühlt sich einer Umfrage zufolge im deutschen Bildungssystem diskriminiert. Die Benachteiligungen – auch von Behinderten – wirkten sich negativ auf Bildungserfolg, Leistungsfähigkeit und Arbeitsmotivation der Betroffenen aus, heißt es in dem am Dienstag veröffentlichten Bericht der Antidiskriminierungsstelle (ADS) des Bundes. Generell seien Diskriminierungen auch im Arbeitsleben weit verbreitet. Über die Studie hatten zuerst die ARD und die Zeitung «Die Welt» berichtet.
Bereits bei der Einschulung oder beim Wechsel von der Grundschule auf die weiterführende Schule beklagten Eltern, dass ihre Kinder wegen ihres Migrationshintergrundes benachteiligt würden, heißt es in der Untersuchung. Auch Eltern von behinderten Kindern berichteten, dass ihnen die Aufnahme in einem integrativen Kindergarten oder einer inklusiven Schule verwehrt werde. Die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Christine Lüders, fordert deshalb unabhängige Beratungs- und Beschwerdestellen für Schulen und Hochschulen.
Sechs Prozent der Befragten mit einer Behinderung klagten darüber, eine Benachteiligung in Schule oder Hochschule erlebt zu haben. Von den befragten lesbischen und homosexuellen jungen Menschen sowie Transsexuellen gaben fast drei Viertel an, vergleichsweise schlechter beurteilt zu werden. Fast 40 Prozent sagten, sie seien schon einmal von den Mitschülern gemobbt worden. Durch Beleidigungen auf dem Schulhof werde ihnen häufig jedwedes Selbstwertgefühl genommen, heißt es in dem Bericht.
Lüders sagte der ARD: «Deutschland kann es sich langfristig nicht leisten, ganze Gruppen von Schülerinnen und Schülern am Bildungserfolg nicht chancengerecht teilhaben zu lassen.» In dem 450 Seiten starken Bericht wird unter anderem kritisiert, dass in deutschen Schulbüchern «Darstellungen von nicht geschlechtskonformen Verhaltensweisen» fehlten. Homosexualität und Bisexualität würden meist als «Abweichung von der Norm» erklärt.
Aber auch beim Übergang in den Beruf und später im Arbeitsleben gibt es Klagen über Diskriminierungen. Mehr als zwei Drittel aller Schwulen und Lesben gaben an, schon Erfahrung mit Belästigung am Arbeitsplatz gemacht zu haben. Laut Umfrage der Beratungsstelle fürchtet zugleich ein Drittel aller Befragten, dass man sie aufgrund ihres Alters aus dem Betrieb drängen möchte.
«Es ist das erste Mal in Deutschland, dass Benachteiligungserfahrungen bei Bildung und Arbeit derart umfassend untersucht wurden», sagte Lüders. «Beides sind zentrale Lebensbereiche, in denen Diskriminierung stattfinden kann.» (dpa)
Diskriminierung im Bildungsbereich und im Arbeitsleben (Bericht der Antidiskrimierungsstelle)
Zum Bericht: Schwule und Lesben fordern mehr Aufklärung in Schulen