BERLIN. Angesichts der Diskussion um aufflammenden Antisemitismus und Islamismus unter Kindern und Jugendlichen aus Einwandererfamilien – und daraus resultierenden Forderungen nach einer Begrenzung des Migrantenanteils an einzelnen Schulen – hat der VBE-Bundesvorsitzende Udo Beckmann eine konstruktivere Debatte angemahnt.
„Ja, es gibt Versäumnisse der Politik; ja, es wurde weggeschaut und ja, an Schulen in sogenannten Brennpunkten ist die allgemeine Tendenz der Verrohung von Sprache und Umgangsformen oft noch deutlicher zu sehen als an den anderen.“ Angesichts der Tatsache, dass mittlerweile mehr als jedes dritte Kind in Deutschland, das eingeschult wird, einen Migrationshintergrund hat, seien Quoten schlicht nicht praktikabel.
„Was es braucht“, so betont Beckmann, „sind angemessene Bedingungen für gelingende Integration. Dazu gehören kleinere Klassen, um individueller fördern zu können, die Unterstützung der Lehrkräfte durch multiprofessionelle Teams, unter anderem mit Schulsozialarbeitern und Schulpsychologen, sowie die gezielte Förderung von Brennpunktschulen, wie es bei der Rütli-Schule in Berlin gelungen ist.“
Islam-Unterricht nötig
Darüber hinaus sei ein flächendeckendes Angebot von islamischem Religionsunterricht unter deutscher Schulaufsicht nötig. „Grundlage eines entsprechenden Curriculums muss sein, dass sich die Politik ehrlich macht und definiert, welche Auslegung des Islam mit unserer demokratischen Grundordnung vereinbar ist. Der VBE vertritt die klare Auffassung: Extremismus darf weder in der Gesellschaft noch in der Schule einen Platz haben. Dafür muss sich die Politik einsetzen“, fordert Beckmann. Den wenigsten muslimischen Schülern in Deutschland wird derzeit Islamunterricht an ihrer Schule angeboten. Die Vergrößerung des Angebots kommt nur langsam voran.
Der Deutsche Philologenverband hatte sich schon vor zwei Jahren, noch unter seinem damaligen Vorsitzenden Heinz-Peter Meidinger (mittlerweile Präsident des Deutschen Lehrerverbands), für eine Quotierung des Migrantenanteils in Schulklassen ausgesprochen, weil nur so Integration gelinge und Abstriche bei der schulischen Ausbildung vermieden werden könnten. „Schon wenn der Anteil von Kindern nicht deutscher Muttersprache bei 30 Prozent liegt, setzt ein Leistungsabfall ein. Dieser wird ab 50 Prozent dramatisch”, sagte Meidinger seinerzeit. Dies sei unter anderem durch eine PISA-Begleitstudie belegt. Die Forderung nach einer Quotierung von Migrantenkindern flammt seitdem immer wieder auf.
Der VBE Bundesvorstand hat in seiner letzten Sitzung Mitte März das von allen 16 Landesvorsitzenden des VBE abgestimmte Positionspapier „Kinder durch staatliche Angebote vor islamischem Extremismus schützen“ verabschiedet. Hierin heißt es, dass es die Aufgabe der Gesellschaft sein müsse, extremistischen Interpretationen „ein sachlich fundiertes, moderates Verständnis des Sachverhaltes entgegenzusetzen“.
Weiter heißt es: „Es ist Teil unseres Auftrages als Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler umfassend und qualitativ hochwertig zu bilden. Hierzu gehört auch, sich mit der Religionszugehörigkeit auseinanderzusetzen und sensibel auf die Bedürfnisse der Kinder einzugehen. Schulischen Angeboten ist dabei klar der Vorzug vor außerschulischen Angeboten zu geben. Denn nur bei diesen hat die Schulaufsicht die Kontrolle über Inhalte und Qualität und kann gemeinsam mit in Deutschland ausgebildeten Theologen und hierfür zuständigen Fachverbänden geeignete Inhalte definieren.
Vor diesem Hintergrund wollen wir, dass muslimische Kinder und Jugendliche ein Angebot erhalten, innerhalb der Schule über ihren Glauben sprechen zu können und relevante Informationen zu ihrer Religion und anderen Religionen zu erhalten. Deshalb fordern wir die Politik dazu auf, solche Angebote an Schulen vorzusehen, personell und materiell einzuplanen und kurzfristig umzusetzen, damit mittelfristig ein flächendeckendes Angebot entsteht. Außerdem müssen bestehende Modellversuche zum islamischen Religionsunterricht stetig evaluiert, bei Bedarf optimiert und kurzfristig weiter ausgedehnt werden. Mittelfristig ist die Verstetigung dieses Angebots und langfristig eine flächendeckende Einführung des islamischen Religionsunterrichts umzusetzen. Bundesländer, in denen der islamische Religionsunterricht momentan noch nicht erprobt wird, sind dazu aufgefordert, mit den Erfahrungen der anderen Bundesländer selbst entsprechende Initiativen umzusetzen.“
bibo/Agentur für Bildungsjournalismus