Studieren unter 18 – welchen Herausforderungen sich minderjährige Studenten stellen müssen

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KÖLN/PFAFFENHOFEN. Acht Jahre zum Abi, kein Wehr- oder Zivildienst mehr – der Weg zur Uni ist heute deutlich kürzer als früher. Deshalb steigt die Zahl der Studierenden, die noch vor dem 18. Geburtstag ihr erstes Seminar besuchen. Ganz so einfach ist das allerdings nicht.

Die Dimensionen an der Uni sind anders als in der Schule.                                               Foto: David~ / flickr / CC BY 2.0

Ihren 18. Geburtstag wird Catharina Gündel nie vergessen. Allerdings erinnert sie sich nicht an eine wilde Party oder Berge von Glückwünschen. Eingeprägt hat sich ihr vor allem der Ort, an dem sie volljährig wurde: im Präpariersaal der Universität Köln.

Catharina Gündel ist Medizinstudentin, heute 21 Jahre alt und im neunten Semester. Als sie ihr Studium 2014 begann, war sie gerade einmal 17. «Ich habe die dritte und siebte Klasse übersprungen und war im ersten G8-Jahrgang», erklärt Gündel, die neben dem Studium als Sozialreferentin des AStA der Universität Köln arbeitet.

Vor dem Gesetz noch ein Kind und trotzdem Studentin: Für Gündel war das nie ein Problem. Denn sie konnte bei ihren Eltern wohnen und umging damit rechtliche Hürden wie Mietverträge oder Studentenjobs. Doch längst nicht immer läuft der Hochschulstart vor der Volljährigkeit so glatt.

Was lange als Ausnahme galt, kommt inzwischen immer häufiger vor: Im Wintersemester 2016/2017 waren laut Statistischem Bundesamt 4.279 Studierende jünger als 18 Jahre. Zwar machen die U18-Studierenden damit nur 0,15 Prozent der insgesamt über 2,8 Millionen Studierenden aus. Doch ihre Zahl steigt: Drei Jahre zuvor, im Wintersemester 2013/2014, zählten die Statistiker 2.884 und damit rund ein Drittel weniger minderjährige Studierende. «Das beruht auf dem G8-Abitur und der Aussetzung von Wehr- und Ersatzdienst», erklärt Peter Betz, Fachanwalt für Familienrecht. «Es wird in den nächsten Jahren immer mehr minderjährige Studierende geben.»

Keine einheitliche Handhabe

Für die Hochschulen ist das eine Herausforderung. Denn: Wer jünger als 18 Jahre ist, hat nur eine beschränkte Geschäftsfähigkeit. «Minderjährige können sich ohne Erlaubnis der Eltern normalerweise nicht immatrikulieren, sie dürfen keinen Bibliotheksausweis beantragen, keinen Mietvertrag unterschreiben und dürfen nicht mal am Hochschulsport teilnehmen», erklärt Betz. Ob zur Prüfungsanmeldung oder zur Nutzung der Bibliothekscomputer – normalerweise braucht es immer die Unterschrift der Eltern.

Inzwischen haben sich die meisten Hochschulen aber auf minderjährige Studierende eingestellt: Mit Generaleinwilligungen können Eltern ihren Kindern die Vollmacht über studentische Angelegenheiten erteilen. Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen änderten sogar eigens das Hochschulgesetz und erteilten Minderjährigen in sämtlichen Studienangelegenheiten alleinige Handlungsfähigkeit.

«Es gibt aber bis heute keine einheitliche Handhabe an den einzelnen Universitäten», sagt Betz. «Je nach Bundesland und Universität sollte man im Vorfeld immer prüfen, ob man die Einwilligung der Eltern braucht oder nicht. Die Aufsichtspflicht über das Kind liegt aber immer noch bei den Eltern.»

Rechtliche Stolperfallen für Minderjährige

Und auch außerhalb der Uni lauern Stolperfallen für minderjährige Studierende. Wer nicht gerade die Eltern mitnimmt, muss die Ersti-Party zum Beispiel um Mitternacht verlassen und auf hochprozentigen Alkohol verzichten. Für Mietverträge und Studentenjobs müssen die Erziehungsberechtigten ebenfalls ihr Einverständis erteilen.

Noch schwieriger: Die Finanzierung des Studiums über einen Studienkredit. Hierfür brauche es nicht nur die Einwilligung der Eltern, sondern auch eine Erlaubnis des Familiengerichts. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) vergebe jedoch an Minderjährige in der Regel keine Kredite. Bafög dagegen gibt es auch unter 18, erklärt Betz.

Sorgen wie diese sind Catharina Gündel fremd. Und trotzdem berichtet sie von dem ein oder anderen kleineren Hindernis im Uni-Alltag. Von der Chemieklausur, zu der sie sich nicht online anmelden konnte, weil ihr Geburtsjahr nicht auswählbar war. Und von der Ersti-Fahrt der Fachschaft, an der sie nicht teilnehmen durfte. «Daran hatte ich aber auch kein gesteigertes Interesse», sagt Gündel.

Etwas schwieriger gestaltete sich das Krankenpflegepraktikum, das die Medizinstudentin noch vor dem Studium absolvierte. «Weil in meinem Fall das Jugendarbeitsschutzgesetz griff, gab es Sonderregelungen», erinnert sich Gündel. «Ich durfte nicht an OPs teilnehmen, die mit Röntgenbestrahlung liefen, hatte längere Pausen und durfte nicht komplett im Schichtdienst mitarbeiten.»

Orienterung ist wichtig

Für Minderjährige, die gleich nach dem Abitur ins Studium starten, gibt es teilweise besondere Zulassungsmöglichkeiten. In Nordrhein-Westfalen etwa sind zwei Prozent der Studienplätze für minderjährige Studienanfänger reserviert, die bei ihren Eltern wohnen und im selben Landkreis studieren wollen. «Mit dieser Sonderquote soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass Minderjährige bei ihren Eltern wohnen bleiben können», erklärt Studienberaterin Sandra Schramm. «Auch, weil sie möglicherweise in der Wahl des Studienorts nicht so frei sind wie volljährige Studierende.»

Im Studienalltag finden sich Minderjährige häufig gut zurecht. Das hat Sandra Schramm, Leiterin der Zentralen Studienberatung der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, festgestellt. «Sie unterscheiden sich im Wesentlichen nicht von volljährigen Studierenden, haben keinen besonderen Betreuungsbedarf oder erkennbar stärker mit Heimweh zu kämpfen.»

Allein die Unsicherheit bei der Studienwahl sei merklich höher unter den Jugendlichen. «Viele Studieninteressierte glauben, sie müssten von Anfang an eine perfekte Entscheidung treffen», erklärt Schramm. Ist die Unsicherheit zu hoch, empfehle sie häufig, ein Überbrückungsjahr einzulegen, um sich zum Beispiel bei einem Auslandsaufenthalt oder einem Freiwilligen Sozialen Jahr weiter zu orientieren. dpa

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