Berlin will kostenloses Schulessen einführen – GEW befürchtet „Fastfood am Stehtisch“

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BERLIN. Ab Sommer sollen Schüler von der ersten bis zu sechsten Klasse in Berlin ein kostenloses Mittagessen bekommen. Die GEW begrüßt das im Prinzip – sieht aber Kapazitäts- und Qualitätsprobleme voraus.

Viele Schulen sind mit der Gestaltung des Schulessens allein gelassen. Grundsätzlich herrscht starker Preisdruck. Foto: Hans / pixabay (CC0 Public Domain)
Soll bald in Berlin für viele Schüler kostenlos sein: das Schulessen. Foto: Hans / pixabay (CC0 Public Domain)

Die Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus hat auf Probleme vor der Einführung des kostenlosen Schulessens hingewiesen. Die CDU-Abgeordnete Hildegard Bentele bemängelte bei der Sitzung am Donnerstag beispielsweise, dass die genauen Kosten noch nicht feststünden. Eltern sei es zuzumuten, für das Essen ihrer Kindern selbst aufzukommen. Die rot-rot-grünen Fraktionen planen, zum nächsten Schuljahr kostenloses Mittagessen in den Klassen eins bis sechs anzubieten. Außerdem soll es für alle besseres Essen in der Mensa geben.

Ein Maßnahmenpaket sieht außerdem vor, bis 2021 ein Konzept für vergünstigtes Essen an der Oberstufe vorzulegen. Für eine bessere Qualität beim Schulessen haben die Koalitionsfraktionen verschiedene geplante Maßnahmen dort zusammengefasst. Die Bezirke könnten dafür rund fünf Millionen Euro erhalten.

Der bildungspolitische Sprecher der AfD, Franz Kerker, wies darauf hin, dass niemand genau wüsste, um wie viel der Bedarf an den Schulen durch die Maßnahmen steigen werde. «Die Plätze in den Schulmensen sind bereits knapp», sagte er während der Debatte. Paul Fresdorf von der FDP erklärte, dass Eltern gerne vernünftiges Essen für ihre Kinder hätten. Die Kosten dafür wären zweitrangig.

Für Maja Lasic, SPD-Abgeordnete, spielt die Gratismahlzeit eine wichtige Rolle: «Es ist unsere Pflicht, Berliner Familien zu entlasten.» Durch hohe Mietkosten seien diese schon genug belastet. Die Linken-Abgeordnete Regina Kittler weiß, dass die Umsetzung nicht leicht wird. «Geld zur Verfügung zu stellen und das Schulgesetz zu ändern, ist das Eine. In den Schulen auch die Bedingungen dafür zu schaffen, das Andere», sagte sie während der Debatte.

GEW zeigt sich skeptisch

BERLIN. Die Berliner GEW blickt mit gemischten Gefühlen auf die Änderung des Schulgesetzes zum kostenlosen Mittagessen in der Primarstufe, die das Berliner Abgeordnetenhaus am morgigen Donnerstag beschließen soll. „Grundsätzlich begrüßen wir die Entscheidung, das schulische Mittagessen für alle Schüler*innen kostenlos anzubieten. Uns wundert jedoch, wie überstürzt und unkoordiniert dies geschehen soll. Ohne einen gleichzeitigen Ausbau der Raum- und Personalressourcen halten wir die Ausweitung des Schulessens für einen Fehler“, erklärte der Vorsitzende der GEW Berlin, Tom Erdmann.

Vor allem an den verlässlichen Halbtagsgrundschulen mit offenen Ganztagsangeboten besteht die Gefahr, dass es zu räumlichen Engpässen kommt. Die GEW schätzt, dass bis zu 30 Prozent der Berliner Grundschulkinder bisher an keiner Form der Ganztagsbetreuung teilnehmen und deshalb in der Regel auch kein Mittagessen in der Schule erhalten. Selbst wenn nicht alle Schüler*innen vom kostenlosen Schulessen Gebrauch machen werden, rechnet die GEW mit einem zusätzlichen Bedarf für rund 9.000 Schüler*innen. „Schon jetzt sind die Schulmensen sowie die Verteilküchen vollkommen ausgelastet. Es ist nicht zu erwarten, dass binnen vier Monaten genügend Personal eingestellt ist, um dem Mehraufwand gerecht zu werden. Auch die notwendigen baulichen Maßnahmen werden bis zum Sommer 2019 kaum umzusetzen sein“, erläuterte Erdmann.

Die GEW fordert die Koalition auf, begleitend zur Einführung des kostenlosen Mittagessens einen verbindlichen Weg festzulegen, um die personellen und räumlichen Voraussetzungen für die steigende Nachfrage zu schaffen. „Dies muss unter Einbeziehung der Kolleg*innen aus der Praxis geschehen, die zur Einführung des kostenlosen Schulmittagessens bisher überhaupt nicht gehört wurden“, betonte Christiane Weißhoff, Leiterin des Vorstandsbereichs Kinder-, Jugendhilfe und Sozialarbeit in der GEW.  Für den Fall das unterstützende Maßnahmen ausbleiben, befürchtet Weißhoff: „Dieses Gesetz könnte zu Lasten der Qualität beim Mittagessen gehen. Das Schulessen würde zu Fastfood am Stehtisch verkommen. An einen pädagogischen Mehrwert wäre dann nicht mehr zu denken“.

Bereits im Dezember 2018 hat die GEW das Gespräch mit der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie gesucht, um zu erfahren, wie das kostenfreie Schulessen und die Kostenfreiheit der Ganztagsbetreuung praktisch umgesetzt werden soll. Leider ohne Erfolg. „Wir befürchten, dass hier erneut ein politisch durchaus sinnvolles Ziel auf dem Rücken der Beschäftigten und zu Lasten der Schüler*innen durchgesetzt wird“, so Weißhoff.

Von einem bis zu fünf Sternen – Schulen auf dem Weg zum besseren Schulessen

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Herr Mückenfuß
5 Jahre zuvor

Kostenlose Kindergärten; kostenloses Mittagessen, A 13 für alle und Erfahrungsstufe 5 bei Neueinstellung, evtl. auch bald wieder Verbeamtung …

Woher nimmt Berlin das Geld dafür?

Gleichzeitig las man von Wohnungsnot, schlecht ausgestatten Feuerwehren, Personalnot in allen Verwaltungen und Behörden … Erinnert alles ein wenig an die DDR im rot-rot-grün regierten Berlin, oder?