Übergewichtig, doch unterversorgt – „Versteckter Hunger“ nimmt auch in Deutschland zu

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STUTTGART. Mehr als jedes sechste Kind in Deutschland gilt als übergewichtig. Besonders unter Kindern aus bildungsfernen Familien ist ihr Anteil hoch. Trotz der hohen Nahrungsmittelzufuhr sind sie oft nicht ausreichend mit Mikronährstoffen versorgt, warnen Ernährungsexperten.

Eine ausreichende Kalorienzufuhr allein verhindert noch keine Mangelernährung. Versteckter Hunger – gleichzeitig übergewichtig und mit Nährstoffen unterversorgt zu sein: Immer mehr Kinder sind nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von dieser Double Burden of Malnutrition (doppelte Belastung durch Fehlernährung) betroffen.

Trotz des Salatblatts: Fast food hat meist eine geringe Nährstoffdichte. Foto: John R. Perry / Pixabay (CC0 1.0)
Trotz des Salatblatts: Fast food hat meist eine geringe Nährstoffdichte. Foto: John R. Perry / Pixabay (CC0 1.0)

Besonders Kinder trügen schwere Schäden davon, wenn sie am sogenannten versteckten Hunger leiden, also nicht genügend lebenswichtige Vitamine, Mineralien und Spurenelemente aufnehmen. Die Zahl der Kinder mit verborgenem Hunger wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) weltweit auf 180 Millionen geschätzt.

Das Problem sei zwar vorwiegend in armen Ländern zu finden ist, aber auch für hochentwickelte Länder wie Deutschland oder die USA ein Problem, warnt anlässlich des 4. Internationalen Hidden Hunger Kongress vom 27. Februar bis 1. März 2019 der Stuttgarter Ernährungsmediziner Hans-Konrad Biesalski: „20 Prozent der Kinder in Deutschland leben in relativer Armut. Auch sie sind oft nicht ausreichend mit Mikronährstoffen versorgt.“

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„15 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland haben Übergewicht, ungefähr 6 Prozent von ihnen werden als fettleibig eingestuft. Bei Kindern aus Familien mit niedrigem sozioökonomischem Status ist der Wert fast dreimal so hoch“, so Biesalski. „Untersuchungen an 350 deutschen Kindern im Alter von einem bis drei Jahren haben einen deutlichen Mangel an Mikronährstoffen gezeigt.“ Den Kindern mangele es vor allem an Kalzium, Eisen, Jod, Zink, Vitamin D und Vitamin E.

„Auch in Schwellen- und Entwicklungsländern sind immer mehr Menschen von Übergewicht und Fettleibigkeit betroffen“, so die Agrarwissenschaftlerin Regina Birner. Das bedeute nicht, dass keine Unterversorgung vorliege. „Einseitige und falsche Ernährung können gleichzeitig zu Übergewicht und einem Mangel an Mikronährstoffen führen.“ Weltweit litten circa 2 Milliarden Menschen an einem Mikronährstoffmangel.

Gründe für die falsche Ernährung sehen Wissenschaftler in Unwissenheit, dem Mangel an gesunden Alternativen und zunehmenden Marketing-Aktivitäten globaler Lebensmittelkonzerne, die arme Länder als Absatzmarkt für Fast Food entdeckten. „Fast Food ist günstig und energiereich. Viele Menschen wissen nicht, dass es gleichzeitig sehr vitaminarm ist.“, so Biesalski. Der Genuss von Burger & Co. führe daher zu Übergewicht, versorge vor allem Kinder aber nicht mit ausreichend vielen Nährstoffen

„Wir können dem Problem nur durch Aufklärung entgegenwirken“, betont der Ernährungsmediziner. „Außerdem können staatliche Regulationen ungesunde Lebensmittel unattraktiver machen und so Kinder aus einkommensschwachen Familien schützen.“ Eine Zuckersteuer beispielsweise könnte dem Problem entgegenwirken. (zab, pm)

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