100 Jahre Grundschule: „Unzureichende Finanzierung, schlechte Arbeitsbedingungen“ – Lehrerverbände schlagen zum Jubiläum Alarm

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BERLIN. In diesen Tagen jährt sich die Einführung der Grundschule in Deutschland zum 100. Mal. Mit der neuen Reichsverfassung nach Ende des Ersten Weltkriegs sollte mit einer Schule für Kinder aus allen Schichten die Grundlage für ein demokratisches Gemeinwesen gelegt werden. Die GEW und der VBE würdigen die Bedeutung der Institution für den Bildungsprozess junger Menschen und ihre integrierende Kraft – und beklagen gleichzeitig eine bis heute spürbare Geringschätzung, die sich in einer mangelhaften personellen Ausstattung und geringerer Bezahlung bemerkbar mache. „Die Eingangsbesoldung A 13 muss für Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer bundesweiter Standard werden. Hier ist die Politik gefordert, endlich entsprechende Grundlagen zu schaffen“, so fordert VBE-Chef Udo Beckmann.

Der Unterricht in der Kaiserzeit war nicht immer so idyllisch wie auf diem Gemälde „Schulspaziergang'“ von Albert Anker (1872). Illustration: Wikimedia Commons

Am 31.Juli 1919 wurde in Deutschland die Grundschule eingeführt. Alle Kinder sollten fortan vom ersten bis zum vierten Schuljahr gemeinsam lernen. Ziel dieser Reform war es, das Schulsystem demokratischer und gerechter zu machen. Reformer forderten damals sogar das gemeinsame Lernen aller Kinder bis zum Ende der Pflichtschulzeit. Dies ließ sich jedoch gegen den Widerstand gesellschaftlicher Eliten nicht durchsetzen. Von diesem Ziel sei das heutige Schulsystem deshalb immer noch weit entfernt, kritisiert GEW-Vorstandsmitglied Ilka Hoffmann.

Hoffmann weiter: „Internationale Studien kommen immer wieder zu dem Schluss, dass die frühe Aufteilung der Kinder auf verschiedene Schulen zu sozialen Benachteiligungen führt. Die mit der Einführung der Grundschule verbundene Idee, durch längeres gemeinsames Lernen zu mehr sozialer Gerechtigkeit beizutragen, ist somit von ungebrochener Aktualität. Deshalb fordert die GEW weiterhin eine Schule für alle bis zum Ende der Pflichtschulzeit.“

„Grundschule wird noch immer stiefmütterlich behandelt“

Als „völlig unverständlich“ bezeichnet die Schulexpertin der GEW, dass die Politik die Grundschule „noch immer so stiefmütterlich behandelt“. Ausgerechnet in der Schulform, in der die Grundlagen für die weitere Bildungslaufbahn gelegt würden, werde das wenigste Geld pro Schulkind ausgegeben. So hätten nach Angaben des Statistischen Bundesamtes die Ausgaben für öffentliche Grundschulen 2016 (neuere Zahlen liegen noch nicht vor) bei 6200 Euro pro Schülerin und Schüler gelegen, während die öffentlichen Schulträger beispielsweise für Gymnasien 8100 Euro pro Kopf investiert hätten.

„Der hohen Verantwortung der Grundschulen stehen eine unzureichende Finanzierung, schlechte Arbeitsbedingungen, eine hohe Unterrichtsverpflichtung und die im Vergleich schlechteste Bezahlung der Lehrkräfte gegenüber. Dies hat den Beruf unattraktiv gemacht und mit zu dem dramatischen Lehrkräftemangel beigetragen, unter dem die Grundschulen in besonderem Maße zu leiden haben“, so Hoffmann. Die Grundschulen müssten endlich „entsprechend ihrer Bedeutung für unsere Gesellschaft und die geistige Entwicklung der Kinder gewürdigt und finanziert werden“. Dies müsse auch bedeuten, „dass die Grundschullehrkräfte genauso bezahlt werden wie ihre Kolleginnen und Kollegen in anderen Schulformen“.

„Keine andere Schle verwirklicht den Anspruch auf Inklusion derart“

Der VBE stößt in das gleiche Horn – er würdigt die Grundschule als „demokratische Institution“ und sieht sie drastisch unterfinanziert. „Klare Maxime der Grundschule war damals wie heute, die eine Schule für alle zu sein. Keine andere Schule verwirklicht den Anspruch auf ein inklusives Bildungssystem derart wie die Grundschule. Kinder mit und ohne Beeinträchtigungen, mit und ohne Migrations- oder Fluchthintergrund, mit Elternhäusern, die ihnen schlechtere oder bessere sozio-ökonomische Bedingungen bieten können, sie alle lernen hier zusammen“, betont VBE-Bundesvorsitzender  Udo Beckmann.

Beckmann weiter: „Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer nehmen Kinder in besonderem Maße in ihrer Verschiedenartigkeit an. Sie begegnen unterschiedlichen Bildungsständen, Erziehungserfahrungen sowie physischen und psychischen Voraussetzungen, immer mit dem Ziel, jedes Kind individuell und bestmöglich mit Blick auf dessen weiteren Bildungsweg zu fördern.“

Insbesondere in Anbetracht der großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit würdigt der VBE-Chef die enorme Verantwortung, die Grundschullehrkräfte übernehmen: „Die Grundschule ist die erste schulische Institution, die Antworten auf drängende und wichtige gesellschaftliche Fragen finden und leben muss. Das, was Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer in puncto Adaptionsfähigkeit leisten, sei es im Hinblick auf Integration, Inklusion oder bei der Vermittlung demokratischer Werte und Normen in einer zunehmend multikulturellen Gesellschaft, all das kann gar nicht hoch genug gewertschätzt werden.“

„Die Grundschule ist im internationalen Vergleich unterfinanziert“

Zwischen Ansprüchen und Aufgaben, die an Grundschule herangetragen werden und Anerkennung und Gelingensbedingungen, auf die Grundschule zurückgreifen kann, sieht Beckmann dagegen ein eklatantes Missverhältnis: „Die Grundschule ist im internationalen Vergleich unterfinanziert – und das in einem so reichen Land wie Deutschland. Das muss sich ändern. Um Grundschulen in die Lage zu versetzen, die Herausforderungen unserer Zeit bewältigen zu können, müssen Lerngruppengrößen möglichst klein gehalten werden. Kinder mit Förderbedarfen verlangen nach einer intensiveren Betreuung. Dies muss Lehrkräften entsprechend angerechnet werden. Es müssen Unterstützungssysteme etabliert werden, etwa durch den Aufbau multiprofessioneller Teams sowie durch administrative Entlastung und einen technischen Support im Zuge der Digitalisierung. Auch Schulgebäude müssen in einen Zustand versetzt werden, der zukunftsgerechtes Lernen und Lehren erst ermöglicht. Zudem gibt es keine tragfähige Begründung, warum Grundschulkräfte immer noch schlechter bezahlt werden, als Lehrerinnen und Lehrer anderer Schulformen.“ News4teachers

Zum Herunterladen: Eine Bestandsaufnahme

Anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Grundschule in Deutschland hat der VBE in Nordrhein-Westfalen eine aktuelle Bestandsaufnahme der Situation der Grundschulen in dem Bundesland herausgegeben – und an verantwortliche Politiker verschickt.

Das Titelbild des „Denkanstoßes“. Screenshot

„Einige Wortbeiträge in aktuellen Landtagsdebatten zeugen von großer Geringschätzung für die Arbeit der Lehrkräfte in den Grundschulen. Diese Haltung wirkt sich leider sehr negativ auf nötige haushaltspolitische Entscheidungen aus“, so erklärt Anne Deimel, stellvertretende Landesvorsitzende und Autorin der Broschüre dazu. „Im Heft ‚Denkanstoß‘ ist das komplexe System der Schulform mit ihren vielen Herausforderungen dargestellt. Ich hoffe, dass wir Denkschranken durchbrechen können. Das brauchen die Lehrkräfte, aber auch die Schülerinnen und Schüler. ‚100 Jahre Grundschule‘ wäre ein guter Anlass für die Landesregierung, endlich positive Zeichen in Richtung der Grundschulen in NRW zu setzen und in diese Schulform nachhaltig zu investieren“, sagt Deimel.

VBE-Landesvorsitzender Stefan Behlau erklärt: „Auf den Anfang kommt es an. Das grundlegende Verständnis und die erlernten Kompetenzen, besonders in den Fächern Mathematik und Deutsch, ermöglichen erst, weitere Bildungswege erfolgreich zu gehen. Um auf die Unterschiedlichkeit der Kinder eingehen zu können, fördert und fordert die Grundschule individuell mit differenzierten Methoden. Die Kolleginnen und Kollegen leisten täglich eine unverzichtbare Arbeit. Immer mehr Aufgaben kommen hinzu. Die Vermittlung von Werten und Normen sind ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit in den Grundschulen. Die Pädagoginnen und Pädagogen an den Grundschulen verdienen höchste Anerkennung.“

Hier lässt sich die Denkschrift herunterladen.

Wie Politiker die Wut der Eltern auf die Grundschulen anheizen – und damit allen Lehrern schaden

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Krokodilstreichler
4 Jahre zuvor

Intelligente Kinder sind in der Grundschule unterfordert. Es wäre daher gut, auch ein mehrgliedriges Grundschulsystem einzuführen.

xxx
4 Jahre zuvor

Ich stimme zu. Unter „intelligent“ verstehe ich dabei schon mindestens die bessere Hälfte der künftigen Gymnasiasten, sprich mindestens das beste Viertel der Klasse (wenn man 50% gymnasialen Anteil annimmt).

Bernd
4 Jahre zuvor

Schon mal was von sozialem Lernen gehört?

Wenn die Herren Frankenstein allerdings eine Gesellschaft der Super-Egos schaffen möchten: toller Vorschlag.

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

Das Stichwort soziales Lernen lasse ich gelten. Nur interessiert das beim Übergang auf die weiterführende Schule, der Bewerbung für einen zulassungsbeschränkten Studienplatz, dem Wunschausbildungsplatz oder dem Wunschbetrieb nach der Ausbildung niemanden. Darüber hinaus wird doch überall gejammert, dass die Schüler nichts mehr können und dass Deutschland bei innovativer Hochtechnologie seht Jahren oder Jahrzehnten abgehängt ist.

Das Stichwort Super-Egos kann ich nicht gelten lassen, weil es die, wie Sie sicherlich schon längst wissen, auch in den derzeitigen heterogenen Klassen zuhauf gibt.

Meine Definition von Intelligenz bezieht sich ausschließlich auf die Anforderungen am Gymnasium, nicht auf eine tatsächliche Intelligenz. Sie können Krokodilstreichers „intelligent“ auch ersetzen durch „bildungsnah“ oder „fleißig“.

Bernd
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

… wenn Sie Sechjährige nach „Bildungsferne“ oder „-nähe“ aufteilen möchten, haben Sie ein einziges Kriterium: den Sozialstatus der Eltern.

Mit einem Schulsystem, das Schüler schon im Grundschulalter selektiert und damit die Entwicklungschancen zementiert, bekämen Sie den Ständestaat des 19. Jahrhunderts.

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

Halbwegs vernünftig ausgebildete Lehrer, also alle bis auf wenige Ausnahmen, können die Bildungsnähe schon innerhalb weniger Monate, spätestens nach der ersten Klasse, sehr gut einschätzen. Im Zweifel genügt schon die Anwesenheit bei Elternabenden, Elternsprechtagen, generelle Erreichbarkeit usw.

Ich habe übrigens nichts von einer Zementierung der Entwicklungschancen geschrieben. Die haben Sie wieder aus welchen Gründen auch immer in meine Aussage hineininterpretiert.

Bernd
4 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

Aber ich schreibe von einer Zementierung der Entwicklungschancen – denn genau darauf liefe Ihr System der (sozialen) Apartheid in den Grundschulen hinaus.

„Halbwegs vernünftig ausgebildete Lehrer, also alle bis auf wenige Ausnahmen, können die Bildungsnähe schon innerhalb weniger Monate, spätestens nach der ersten Klasse, sehr gut einschätzen.“ Bei allem Respekt vor Grundschullehrerinnen und -lehrern: Das ist Unsinn.

Intelligenz ist nicht statisch. Bei sehr guter Förderung sind IQ-Sprünge im Kindesalter von 30 Punkten dokumentiert, anderherum kann’s bei ausbleibender Förderung auch entsprechend nach unten gehen. Das ist der Unterschied zwischen durchschnittlich intelligent und hochbegabt oder zwischen minderbemittelt und durchschnittlich begabt.

Wenn Sie vermeintlich „bildungsferne“ Kinder auf eine Schule mit niedrigem Niveau stecken, kommt genau das heraus: bildungsferne Kinder. Sie zementieren also den Sozialstatus.

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

Bezüglich Intelligenz halte ich Sprünge von 110 auf 140 (oder umgekehrt) für deutlich unwahrscheinlicher als von 85 auf 115 (oder umgekehrt), weil diese Skala normal- und nicht gleichverteilt ist. Einen Sprung von einer Standardabweichung (15 Punkte), bezogen auf das Niveau von 1970 oder so, halte ich für möglich.

„Bei allem Respekt vor Grundschullehrerinnen und -lehrern: Das ist Unsinn.“
Nein, ist es nicht, weil z.B. die Haltung zum Erledigen der Hausaufgaben oder die Haltung der Eltern zur Institution Schule schon ein recht zuverlässiges Maß sind.

„Wenn Sie vermeintlich “bildungsferne” Kinder auf eine Schule mit niedrigem Niveau stecken, kommt genau das heraus: bildungsferne Kinder. Sie zementieren also den Sozialstatus.“
Ich unterscheide zwischen Chancengleichheit (ist bei Schuleintritt immer gegeben) und Ergebnisgleichheit. Wie Sie wissen, geht mir die Nivellierung auf niedrigem Niveau, wie Sie derzeit im Bildungssystem propagiert wird, gehörig gegen den Strich.

Gerd Möller
4 Jahre zuvor

@ Krodilstreichler & xxx:

Es wird immer absurder mit den Forderungen nach Ausgrenzung in unserem Schulsystem. Nun reicht einigen Vertretern aus dem Bildungsbürgertum nicht mehr die Sortierung der Neun-und Zehnjährigen nach der Grundschule, nun soll sogar ein mehrgliedriges Grundschulsystem her, weil, wie Krokodilstreichler schreibt: „Intelligente Kinder sind in der Grundschule unterfordert“.
Einfach mal so locker behauptet!
Das Selektionskriterium soll, wie XXX es vorschlägt, Bildungsnähe bzw. Bildungsferne sein.
Bereits die Sortierung von Grundschülern in die weiterführenden Schulen führt zu sozialen Benachteiligungen, wie Ilka Hofmann mit Recht schreibt:
„Internationale Studien kommen immer wieder zu dem Schluss, dass die frühe Aufteilung der Kinder auf verschiedene Schulen zu sozialen Benachteiligungen führt.“
Die Gruppe um den Dortmunder Schulforscher Wilfried Bos hat die Daten einer großen Studie ausgewertet. Es zeigt sich eine entsetzliche Schieflage: Ein sehr intelligentes Kind aus niedrigen sozialen Schichten hat nur eine Chance von 50 Prozent, aufs Gymnasium zu kommen, während ein Kind mit einem IQ unter 100 aus der Mittelschicht eben auch eine 50-Prozent-Chance aufs Gymnasium hat. Die Daten zeigten auch, dass die intelligenten Kinder aus unteren sozialen Schichten am Ende der Grundschule schlechter lesen konnten. Da hat eindeutig die Schule versagt – nicht die Schüler. (zitiert nach E. Stern, Kognitionspsychologin der ETH Zürich. in einem Spiegel-Interview:
http://www.spiegel.de/spiegelwissen/lernforscherin-elsbeth-stern-erklaert-wie-man-intelligenz-foerdert-a-1181651.html ).

Kurze Bemerkung zur Intelligenz (zitiert nach E. Stern im o.g. Spiegel-Interview):
„Intelligenz stabilisiert sich erst mit etwa zwölf Jahren. Die frühe Selektion führt zu einer riesigen Schnittmenge an Kindern mit gleich hohem IQ, die willkürlich auf der Realschule oder auf dem Gymnasium landen, manchmal sogar auf der Hauptschule. Eltern müssen nur genügend pushen, dann landen sogar recht schwache Kinder auf dem Gymnasium.“

XXX: … „geht mir die Nivellierung auf niedrigem Niveau, wie Sie derzeit im Bildungssystem propagiert wird, gehörig gegen den Strich.“
Das ist das klassische Abwehrargument derjenigen, die eine möglichst frühe Sortierung der Kinder in unserem Schulsystem beibehalten wollen und die mehrfach nachgewiesenen sozialen Benachteiligungen einfach ignorieren oder sogar als fake-news einstufen.
Es gibt überhaupt keinen belegten Zusammenhang zwischen längerem gemeinsamen Lernen und Niveauabsenkungen. Hier müssten Sie, xxx, aber liefern, wenn Sie diese Argumente benutzen und nicht einfach Behauptungen in die Welt setzen.

Zum Schluß nochmals E. Stern aus dem Spiegel-Interview:
„ …Wenn ich gegen unser dreigliedriges System bin, dann nicht, weil alle Menschen gleich sind, sondern weil sie so verschieden sind, dass diese drei Töpfe ihnen nicht gerecht werden.“

ysnp
4 Jahre zuvor
Antwortet  Gerd Möller

„Ein sehr intelligentes Kind aus niedrigen sozialen Schichten hat nur eine Chance von 50 Prozent, aufs Gymnasium zu kommen, während ein Kind mit einem IQ unter 100 aus der Mittelschicht eben auch eine 50-Prozent-Chance aufs Gymnasium hat. Die Daten zeigten auch, dass die intelligenten Kinder aus unteren sozialen Schichten am Ende der Grundschule schlechter lesen konnten. Da hat eindeutig die Schule versagt – nicht die Schüler. “

Und schon wieder ist es die Schule.
Ich sehe zum anderen solche Aussagen sehr kritisch: Ein intelligentes Kind, das nicht richtig lesen lernt, hat eine Lesestörung, eine Teilleistungsstörung. Das kommt bei Kindern aller Gesellschaftsschichten vor. Das hängt mit physiologischen Vorgängen zusammen, die noch nicht hundertprozentig erforscht sind.

Wichtig beim Übertritt zählen die gezeigten Schulleistungen und das Arbeitsverhalten. Die Intelligenz wird nicht getestet. Wie denn auch? Fürs Gymnasium sollte das Kind zusätzlich flexible Denkweisen (Transfer und problemlösendes Denken) zeigen. Das weist auf eine Intelligenz hin, aber getestet ist sie nicht. Ich bin nicht der Meinung, dass bildungsferne Schichten von Lehrern beim Übertritt benachteiligt werden.
Es sind eher die nicht gezeigten Leistungen und das Arbeitsverhalten, die ausschlaggebend sind. Und das könnte bei Kindern bildungsinteressierter Familien in der Summe besser ausgeprägt sein. Es macht eben einen Unterschied, wie ich mit meinen Kindern die Freizeit gestalte und Interesse wecke.
Bildungsinteressiert muss übrigens nicht immer die Mittelschicht sein. Ich habe auch bildungsinteressierte Familien aus der sg. Arbeiterschicht in meiner Klasse, die sich sehr für ihre Kinder einsetzen und sie unterstützen.

Eine Separierung in der Grundschule, wie oben geschrieben, halte ich für ein Unding. In der Grundschule hat man inzwischen gute Methoden entwickelt, wie man alle mit einbeziehen kann. Selbst die Schulbücher versuchen dem Rechnung zu tragen. Ein Kind, das sich angeblich langweilt, hat evtl. nur einseitige Interessen oder ist von den Eltern im Voraus geputscht. Die speziellen Hochbegabten hat man nur ganz selten in der Klasse, das sind dann Spezialfälle.

Carsten60
4 Jahre zuvor
Antwortet  Gerd Möller

„hat nur eine Chance von 50 Prozent, aufs Gymnasium zu kommen.“
Vergessen Sie da nicht einen entscheidenden Effekt? Irgendwo habe ich gelesen, dass von 100 Arbeiterkindern MIT Gymnasialempfehlung (sowas gibt’s) nur ca. 50 von ihren Eltern tatsächlich aufs Gymnasium geschickt werden (im übrigen gibt’s ja auch noch Gesamtschulen). Bei den Bürgerkindern dürfte das anders sein. Dieser Effekt der Benachteiligung durch die eigenen Eltern wird gern verschwiegen bzw. zu Unrecht pauschal der Schule angelastet. Warum wohl? Vielleicht, weil das was mit Art. 6 GG zu tun hat? Die Schule kann doch die Eltern nicht ändern. Das liest sich oben dann so:
„Da hat eindeutig die Schule versagt – nicht die Schüler.“ Und die Eltern?
Diejenigen, die immer die Chancengleichheit durch staatliche Institutionen herstellen wollen, verschweigen konsequent, dass sie dazu Art. 6 GG eigentlich ändern und den Eltern gewisse Erziehungskompetenzen wegnehmen müssten. Bei der Religion wird aber eifrig darauf Bezug genommen, dass die Eltern die Religion ihrer Kinder alleine bestimmen. Und bei der Bildung nicht?

Gerd Möller
4 Jahre zuvor

@ xxx: „Ich unterscheide zwischen Chancengleichheit (ist bei Schuleintritt immer gegeben)“.

Mitnichten ist bei Schuleintritt Chancengleichheit immer gegeben!

Bei Bourdieu liest sich das wie folgt:
„Indem das Schulsystem alle Schüler, wie ungleich sie auch in Wirklichkeit sein mögen, in ihren Rechten und Pflichten gleich behandelt, sanktioniert es faktisch die ursprüngliche Ungleichheit gegenüber der Kultur. Die formale Gleichheit, die die pädagogische Praxis bestimmt, dient in Wirklichkeit als Verschleierung und Rechtfertigung der Gleichgültigkeit gegenüber der wirklichen Ungleichheit in Bezug auf den Unterricht und der im Unterricht vermittelten oder, genauer gesagt, verlangten Kultur.“
Konsequenz daraus: Ungleiches ungleich behandeln!

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  Gerd Möller

Widerspruch: Selbstverständlich gibt es Gleichheit. Alles andere würde ja gegen diverse Gesetze verstoßen.

Allerdings setzen die Lehrer vollkommen gerechtfertigt eine gewisse (Lern-) Kultur voraus. Wer diese Kultur nicht hat, bestraft sich folglich selbst, was Sie den Lehrkräften nicht anlasten können. Die haben mit dem Unterrichtsstoff und dem Nachholen der elterlichen Erziehung schon genug zu tun.

Gerd Möller
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Formale Gleichheit, ja. Aber: die Startchancen sind natürlich nicht gleich und hier sollte Schule kompensatorische Arbeit leisten. Viele tun dies, aber viele auch nicht, wie Ihr Kommentar bezüglich der vorausgesetzten Lernkultur nahe legt.

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  Gerd Möller

Richtig. Weil Kultur Privatvergnügen ist, brauche ich als Lehrkraft darauf keine Rücksicht zu nehmen und das voraussetzen, was meiner Erfahrung nach den besten Lernerfolg bringt.

Steuerzahlender Vater
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Wow! Man stelle sich mal einen Beschäftigten in der Wirtschaft vor, der so in der Öffentlichkeit über seine Kundschaft redet. Der bräuchte nicht viele Tage zu zählen, bis er die Kündigung im Briefkasten hat.

„Wer diese Kultur nicht hat, bestraft sich folglich selbst.“ Es geht doch um Kinder. Die bestrafen sich also aus Lehrersicht selbst, wenn sie zu Hause nicht genügend gefördert werden? Heißt dann wohl: Selbst schuld, wenn du doofe Eltern hast. Setzen, sechs…

Krass, wie Lehrer sich und ihren Berufsstand hier öffentlich präsentieren.

ysnp
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Na ja, die Lernkultur, also Arbeitshaltung und Lernreflexion, zeigt sich in einigen Bereichen in der Schule und ist dort verankert. In der Grundschule erziehen wir permanent zur Arbeitshaltung, reflektieren, machen Lernentwicklungsgespräche. Außerdem taucht sie in den kompetenzorientierten Lehrplänen als Grundprinzip und einzelne Kompetenzen auf. Die Lernreflexion wird immer wieder erwähnt.
In unseren Berichtszeugnissen machen wir im Lern- und Arbeitsverhalten Aussagen über: Interesse und Motivation, Konzentration und Ausdauer, Lernorganisation und Lernreflexion. Das sind ganz klare Ziele in Richtung Lernkultur.

Früher war das nicht so ausgeprägt. Vor 40 Jahren hat man sich da nicht so große Gedanken gemacht. Da war man fleißig oder nicht oder hat mitgemacht oder nicht. Das war’s.
Meine These: Je weniger Impulse von zuhause in der Gesamtheit der Schüler kamen, desto mehr musste man etwas in der Richtung in die Lehrpläne aufnehmen. Der neueste Lehrplan bei uns spricht zum ersten Mal von der Lernreflexion. Man reagiert von dem, was man so machen muss, auf das Vermögen der aktuellen Schülerschaft. Die Aufgaben der Schulen werden neben der reinen Stoffvermittlung immer komplexer.

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  ysnp

@Vater
Ersetzen Sie bitte Arbeitsmoral durch Zahlungsmoral und Kultur durch Höflichkeit.

In der Wirtschaft haben Sie den großen Vorteil, dass Sie sich Ihre Kunden, Mitarbeiter und Azubis aussuchen können.

Abgesehen davon ist es Ihnen mit Sicherheit sehr recht, wenn die extremen Nervbacken in der Klasse Ihres Kindes mal krank sind, weil sich die Lehrkraft dann mal intensiver mit dem Kerngeschäft, der Vermittlung des Stoffes, und Ihrem Kind widmen kann.

Steuerzahlender Vater
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Was ich als Vater mit Sicherheit nicht möchte, ist, dass meine Kinder zynischen und empathielosen Lehrern ausgeliefert sind, die Schüler als „extreme Nervbacken“ bezeichnen und offenbar lieber Sprecher im Schulfernsehen wären als mit Kindern zu arbeiten.

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Dann schreiben Sie doch bitte, was Sie möchten. Ich gehe mal von einer guten Bildung für ihr Kind aus, was in den großen Klassen nur möglich ist, wenn sich alle an die Regeln halten. Das ist auch mein Anspruch.

Gerd Möller
4 Jahre zuvor

Vielen Dank für Ihre klare Einschätzung, Steuerzahlender Vater, sehe ich genau so

Palim
4 Jahre zuvor

@xxx
„Allerdings setzen die Lehrer vollkommen gerechtfertigt eine gewisse (Lern-) Kultur voraus.“
Sie persönlich setzen da eine Menge voraus. Es passt zu
„In der Wirtschaft haben Sie den großen Vorteil, dass Sie sich Ihre Kunden, Mitarbeiter und Azubis aussuchen können. “
Richtig. In der Schule kann man das nicht. Man beschult das, was vor einem sitzt.
In der Grundschule kommt hinzu, dass man dort auch so gut wie alle Kinder bekommt und behält.

Das, was Sie voraussetzen, deckt sich sicherlich nicht mit dem, was andere Lehrkräfte erwarten, schon gleich gar nicht zu Beginn von Klasse 1. Das ist ja auch der große Unterschied:
Zu Beginn von Klasse 1 können die Kinder in der Regel gar nicht lesen, ab und an gibt es Ausnahmen.
Sie kennen vielleicht ein paar Ziffern und können vielleicht schon bis 20 oder darüber hinaus zählen – ohne die Ziffern zu kennen oder gar schreiben zu können.

Außerdem müssen sie sehr vieles lernen, was man allgemein in der Schule später voraussetzt. Genau das kann man nämlich zu Beginn der 1. Klasse nicht und genau darin besteht ein Großteil der Aufgabe. Dazu gehören ganz praktische Fähigkeiten, wie z.B. ein Blatt in eine Mappe einheften, etwas im Schulranzen finden und herausnehmen, die Ordnung im Klassenraum verstehen und sich entsprechend orientieren, ein Buch an einer bestimmten Stelle aufschlagen, ohne sich an den Seitenzahlen orientieren zu können, da man diese noch gar nicht lesen und einschätzen kann…
Dazu gehört auch, den Ablauf von Schule und Unterricht kennenzulernen, die Konzentration auf etwas zu richten, die Aufmerksamkeit zu halten.

„Wer diese Kultur nicht hat, bestraft sich folglich selbst, was Sie den Lehrkräften nicht anlasten können. Die haben mit dem Unterrichtsstoff und dem Nachholen der elterlichen Erziehung schon genug zu tun.“
Wie Sie ja selbst schreiben, haben Lehrkräfte damit zu tun.
Natürlich habe auch ich Erwartungen an die SuS in meiner Klasse und die Elternschaft. Manches davon erläutere ich auf dem Elternabend vor dem Schulbeginn, anderes gleich nach dem Schulbeginn (großes Thema Hausaufgaben). Es dauert eine Weile, bis sich das einspielt, weil die Sache an sich neu ist, vor allem wenn viele Eltern ihr erstes Kind einschulen, und weil alle Aufgabenstellungen neu sind. Manches muss man Eltern auch erläutern, gerade weil sie ihre eigene Schulzeit von vor 10-30 Jahren und gerne Klasse 9+10 vor Augen haben, wenn sie an Schule denken. Da gehen die Vorstellungen und Erwartungen an Schule und von Schule schon auch auseinander.

Und bevor nun jemand meint, mir sei alles egal: Nein ist es nicht. Aber auch das, was man sich an Verhalten im Unterricht vorstellt, muss man vielfach erläutern und erklären, mit den SuS und oft auch mit den Eltern. Dazu werden Regeln gesetzt, die man ebenfalls kommunizieren muss, und davon gibt es in den Grundschulen eine Menge mehr, weil etliches noch unbekannt ist, aber auch weil der Rahmen enger gesteckt wird und man darüber gewisse Verhaltensweisen erziehen möchte.

Vielleicht haben GS-Lehrkräfte einen anderen Blick darauf, dass Kinder mit unterschiedlichen Vorkenntnissen in die Schulen kommen. Kommen Sie aus anderen Schulen hinzu oder waren noch gar nicht in der Schule, muss man den Kindern helfen, in der neuen Schule zurechtzukommen. Es hilft, zu wissen, dass Erstklässler vieles lernen müssen, was dann auch für geflüchtete Kinder ohne Schulerfahrung gilt. Auch dazu braucht es Kommunikation und eben auch ein Verständnis für die Situation der Familie, auch für Kulturen und auch für andere Erstsprachen.

Gesprächsbedarf kann es bei allen Kindern geben, da sind Kinder aus bildungsnahen Elternhäusern keine Ausnahme, unter ihnen sind auch Kinder mit Ängsten, auffälligen Verhaltensweisen, Antriebsarmut etc. An diesen Punkten arbeitet man in Klasse 1 intensiv und es braucht bei einigen Kindern wirklich ein halbes oder ganzes Jahr, bis sie sich auf die Situation „Schule“ einstellen können.
Mit manchen Kindern arbeitet man an auffälligen Verhaltensweisen auch die gesamte Grundschulzeit und sicher auch darüber hinaus.

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Für Klasse 1 und einem schlecht auf die Schule vorbereitenden Kindergarten lasse ich das alles gelten. Ab Klasse 2 weiß man aber, wie es zu laufen hat und mein Anspruch kann greifen.

ysnp
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

@xxx:
Definieren Sie einmal konkret, was sie unter „einer gewissen (Lern-) Kultur“ verstehen. Es könnte nämlich sein, dass jeder etwas anderes in den Begriff hineininterpretiert.
Was also gehört für Sie zu einer „gewissen (Lern-) Kultur“, die Sie voraussetzen?

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  ysnp

Ganz einfach: Kinder, die nach ihren individuellen Möglichkeiten ihr bestes geben. Das sollte auch in der Grundschule spätestens ab Klasse 2 erkennbar sein.

An den weiterführenden Schulen sind die wirklich schlechten Noten in der deutlichen Mehrheit der absolut falschen Arbeitsmoral geschuldet. Das Werbeversprechen „5 weg oder Geld zurück“ eines Nachhilfeinstitutes zeigt das doch deutlich. Es dauert halt sehr lange, bis ich einem Kind die Aussage „Ich kann das nicht“ auch tatsächlich abnehme, weil „Ich will das nicht“ oder „Üben ist mir zu aufwändig“ sehr häufig die Hauptursache für das nicht Können darstellt. Mindestens in den Klassen 3 und 4, wo es in der Grundschule wirklich ernst wird, dürfte das ähnlich sein.

Palim
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

„Mindestens in den Klassen 3 und 4, wo es in der Grundschule wirklich ernst wird, dürfte das ähnlich sein.“
Das kann ich überhaupt nicht bestätigen…

„Es dauert halt sehr lange, bis ich einem Kind die Aussage “Ich kann das nicht” auch tatsächlich abnehme, weil “Ich will das nicht” oder “Üben ist mir zu aufwändig” sehr häufig die Hauptursache für das nicht Können darstellt.“
… könnte allerdings daran liegen, dass die Aussage „Ich kann das nicht.“ in meiner Umgebung so gut wie nie fällt, außer ich fordere es heraus, indem es einen Überforderungstest gibt, der allen zeigt, was sitzt und was noch nicht geht.
Ist die Lernkultur in der Klasse so, dass das üblich ist und den Kindern klar ist, dass es darum geht, zu zeigen, was sie alles schon können, und zu sehen, was noch zu üben ist, und nicht sie abzustrafen oder vorzuführen, kann man sie darüber zu einer (bedingt möglichen) Selbsteinschätzung führen und als Lehrkraft sehr genaue Einblicke bekommen, was noch mit wem zu üben ist.
Im Anschluss gibt es dann differenzierte Übungsstunden samt Herausforderung entsprechend der diagnostizierten Notwendigkeiten. Die Kinder _lernen_ sehr schnell, welche Lehrkraft dieses Angebot genau so meint und um jeden bemüht ist.
Und Kinder lernen auch, warum eine Lehrkraft bei einem Diagnosetest oder ab Klasse 3 bei einer Klassenarbeit als Leistungsüberprüfung nicht mehr hilft, obwohl sie es sonst immer tut, selbst wenn sie das befremdlich finden.
Die Kritik, Begabte würden zu kurz kommen, kann ich angesichts vielfältiger Bemühungen und Angebote, die nicht in „Hilf den Schwachen“ erschöpft sind, kaum nachvollziehen.

Natürlich gibt es Kinder, die das eine oder andere auf die eine oder andere Art verweigern, nennen wir es Leistungsvermeidungsstrategien. Viel häufiger ist es aber so, dass man als Lehrkraft dieses Verhalten wahrnimmt, den Kindern das Verhalten nicht bewusst ist, eine aktive Vermeidung ist selten (… und trifft auf Sanktion).
Immer aber macht man sich als Lehrkraft an der GS darüber Gedanken, warum sich das Kind so verhält. Da muss ich nicht lange warten und überlegen, da kenne ich die SuS recht gut, und weiß zumeist um deren persönliche Verhältnisse, aktuelle Belastungen oder Ereignisse. Wenn nicht, finde ich es heraus und kann dann deutlich sagen, was ich erwarte, ohne das Kind zu beschämen.
Meiner Beobachtung nach gibt es in der GS recht wenige Kinder, die wirklich nicht können, weil sie nicht wollen.
Kinder, die wirklich nicht können und Förderung in einem der vielfältigen Bereiche benötigen, gibt es dagegen sehr häufig. Gut ausgestattete Unterstützungssyteme aber nicht.

Bei manchen Kindern würde man sich mehr häusliche Unterstützung von Beginn an wünschen. Extrem wichtig ist das beim Lesen und Lesen wiederum für die gesamte Lernentwicklung quer durch alle Schuljahre. Es gibt selten Eltern, die zur Unterstützung in der Lage sind, es aber dennoch nicht tun, selbst wenn man sie darauf hinweist und ihnen Hilfe oder Material an die Hand gibt. Häufiger ist es so, dass die Eltern das wirklich nicht können und auch Hilfsangebote nur schwer umsetzen (ja, das ist manchmal erschreckend und häufig traurig)

Das kann man aber nicht den Kindern anlasten und man muss sich viel Mühe geben, um die Kinder zu stärken und selbst zu ermächtigen. Das ist nicht leicht und man kann das nicht ab Klasse 2 einfach erwarten, wenn sich zu Hause gar nichts tut. Die Kinder sind dann gerade einmal 7 Jahre alt, von ihnen kann man so manches nicht erwarten, sie gelten als beschränkt geschäftsfähig, sind nur eingeschränkt verkehrssicher und brauchen weiterhin Begleitung bei ganz vielen Sachen, auch beim Lernen.
Gerade wenn das häusliche Umfeld nicht bildungsnah und fördernd ist oder auch mit Überbehütung der Entwicklung entgegenwirkt, ist es Kindern im Alter von 7 Jahren doch nicht möglich, sich aus dieser Umgebung zu lösen und eigenständig in anderer Weise aktiv zu werden.

Noch etwas zu: „Ab Klasse 2 weiß man aber, wie es zu laufen hat und mein Anspruch kann greifen.“
Selbst wenn man dies zur Grundlage nehmen würde, müssten alle diejenigen, die während eines laufenden (höheren) Schuljahres in die Klasse kommen und keine oder andere Schulerfahrung haben, ebenfalls 1 Jahr als Übergang zugesprochen bekommen, in dem sie lernen, wie der Laden läuft und was erwartet wird. Es gibt Kinder im Grundschulalter, die weder einen Würfel noch ein Radiergummi kennen, andere, die erwarten, dass sie täglich in der Schule geschlagen werden, weil dies ihre Erfahrung ist. Diese Kinder brauchen Verständnis und Hilfe, nicht Ausgrenzung.

Emma Keeboo
4 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Danke @Palim, du hast das, was ich dachte, gekonnt zu Wort gebracht. Genau das ist unser Alltag in den vier Grundschuljahren.
Mich ärgern solche Aussagen, wie sie oben von @xxx geäußert wurden. Ich finde sie herablassend den Familien und Kindern gegenüber.