DÜSSELDORF. Am kommenden Montag, 10. Mai 2021, startet Europas größte Bildungsmesse didacta – für Besucher*innen kostenlos und erstmals als Online-Veranstaltung. Anlass für den Vizepräsidenten des Didacta Verbands, Volker Jürgens, auf den immer noch schleppend vorangehenden Ausbau der IT-Infrastruktur an deutschen Schulen aufmerksam zu machen – und bessere Rahmenbedingungen für die Digitalisierung von Bildungseinrichtungen zu fordern.
Der DigitalPakt und einige Zusatzvereinbarungen wie beispielsweise die Finanzhilfen des Bundes bei der Anschaffung von Endgeräten für Lehrer hätten zwar die Ausstattung in den Schulen verbessert, aber ein überbordender Bürokratismus verhindere nach wie vor den raschen Ausbau der Infrastruktur, so Volker Jürgens. Das beginne schon bei der Antragsstellung der Mittel, für den Schulen zunächst einmal ein technisch-pädagogisches Konzept vorweisen müssten.
Europas größte und Deutschlands wichtigste Bildungsmesse wird nach dem pandemiebedingten Ausfall im letzten Jahr nun doch vom 10. bis 12. Mai 2021 stattfinden – erstmals als Online-Veranstaltung. Dutzende von Workshops, Referate und Diskussionsrunden versprechen wichtige Informationen und Ideen für die berufliche Praxis in Kita, Schule und Ausbildungsbetrieb. 180 Aussteller haben sich angesagt. Die Teilnahme ist kostenlos.
Am 12.05.2021, 12:00 – 12:45 Uhr, beteiligt sich der Vizepräsident des Didacta Verbands, Volker Jürgens, als Podiumsgast an der Diskussionsrunde „Bildung-Infrastrukturen: Wie kann der professionelle Support sichergestellt werden?“ im Forum „didacta DIGITAL & Schulpraxis“.
Der Vizepräsident des Didacta-Verbands, der vom 10. bis 12. Mai die gleichnamige Bildungsmesse ausrichtet, verweist außerdem auf fehlende Ressourcen im Handwerk für die Umsetzung sowie daraus resultierende Abhängigkeiten: Wird an Schulen beispielsweise kein leistungsfähiges Netzwerk verbaut, kann auch kein leistungsfähiges WLAN eingerichtet werden. „Das lässt sich beliebig fortschreiben“, so der Vizepräsident weiter. „Pragmatisches Vorgehen und klare, einfache Umsetzungsvorschläge in der Entwicklung digitaler Bildung in Deutschland kommen in dem Augenblick zum Halten, wenn es um bürokratische Entscheidungen geht. Hinzu kommt noch eine leidige Dissenskultur, für die wir in Deutschland mit dem Bildungsföderalismus geradezu ideale Bedingungen geschaffen haben.“
Insgesamt seien von den fünf Milliarden des Digitalpakts bis zum Ende des letzten Jahres lediglich 488 Millionen Euro aus dem Digitalpakt Schule abgerufen worden. Der Grund dafür, so Jürgens: „Von den Verantwortlichen in den Schulämtern hören wir immer wieder, dass die unklare Weiterfinanzierung und/oder fehlendes Know-how und Personal bei der Administration und dem Management der Geräte dafür verantwortlich seien. Bis das geklärt ist, müssen die Schulen eben noch warten.“ In Vergessenheit gerate hierbei wohl, dass (nach Angaben der Agentur für Arbeit) in Deutschland fast 900.000 IT-Fachleute arbeiten, davon 40 Prozent IT-Dienstleister, die über die Förderung finanziert werden könnten. Und es gebe leistungsfähige, stabile technische Konzepte, die auch den Support beinhalten. „Man muss also keineswegs das Rad neu erfinden“, ist Jürgens überzeugt. „Es scheint eher so, als stünde sich der DigitalPakt sozusagen selbst im Weg.“
Debatte um Videokonferenzen: „Das ist ein Paradebeispiel für fehlenden Pragmatismus“
Der Vizeverbandspräsident kritisiert weiterhin, die andauernden Diskussionen wie zum Beispiel um den Einsatz von Videokonferenzsystemen für den Fernunterricht mit Verweis auf den Datenschutz in Schulen. „Das ist ein Paradebeispiel für fehlenden Pragmatismus“, sagt Jürgens. „Dadurch wurden sowohl Schulleitungen und Lehrer*innen als auch Eltern weitgehend verunsichert. Verlautbarungen wie ,bedenklich‘, nicht ,empfehlenswert‘ oder Aussagen wie ,ist nach den Sommerferien verboten‘ und danach die Rücknahme solcher Aussagen und Verlängerung der Nutzung eines bestimmten Angebots bis 2022 zeigen, wie wenig technische Kompetenz und Lösungsorientiertheit bei den Entscheidern vorhanden ist.“ Dazu komme, dass öffentliche Angebote des Bundes wie der Länder nicht gut funktionieren, während kommerzielle Angebote stabil laufen. Wenn kommerzielle Angebote nicht dem Datenschutz entsprächen, dann sollten diese – und zwar nicht nur für Schulen – ausnahmslos sofort verboten werden, fordert Jürgens weiter. Aber eine Diskussion permanent anzuheizen, nur um landeseigene Lösungen zu schützen, sei bedenklich, marktwirtschaftlich schädlich und helfe niemandem – schon gar nicht den Lehrkräften und Schüler*innen, auf deren Rücken solche Diskussionen im Endeffekt ausgetragen würden.
Auch die Diskussion um das Thema „Pädagogik vor Technik“ hält Jürgens für wenig förderlich: „Wir können diese Diskussion ganz leicht entschlacken, indem wir den Begriff ,Digitalisierung‘ durch die Umschreibung ,technische Ausstattung‘ ersetzen. Das trifft es besser. Bleistifte, Kreide, Strom und Wasser werden im Bildungskontext auch nicht hinterfragt“, erklärt er. „Wenn wir keine stabile Ausstattung mit anschließendem technischem Support haben, brauchen wir uns erst gar keine Gedanken um eine adäquate, zeitgemäße Schul- oder Ausbildung machen“, so Jürgens weiter. Um Schulen in die Lage zu versetzen, digitale Bildung zu befördern und so etwas wie digitale Teilhabe zu initialisieren, brauche es von technischer Seite nur wenige Elemente. Dazu gehörten geeignete Technologiepartner, die sich ausschließlich um Schulen kümmern, bewährte Standardlösungen für das lokale Schulnetzwerk, Hybride Lösungen bestehend aus lokaler und Cloud-Lösung sowie attraktive digitale Inhaltsangebote. Nicht zu vergessen natürlich die Fort- und Weiterbildung und einen leistungsfähigen und schnell reagierenden Support. Diese technischen Voraussetzungen, so Jürgens‘ Forderung, seien zunächst zu schaffen, um Pädagoginnen und Pädagogen den sinnvollen Einsatz digitaler Hilfsmittel überhaupt erst zu ermöglichen.
Geld und Geräte seien zu guter Letzt allerdings nur die halbe Wahrheit. „Wir benötigen Macher statt Bedenkenträger, innovatives Denken statt Verhinderung und faktenbasierte, schnelle Entscheidungs- und Umsetzungskonzepte anstelle ewig dauernder Verwaltungsprozesse. Der Einsatz von IT als Werkzeug verändert Pädagogik, ohne Frage. Das muss man wollen, denn Halbherzigkeit wird nicht zum Ziel führen.“ Das erfordere den Mut, neue Dinge konsequent umzusetzen. Aber wenn die Basis stimme, könne man sich auch um die langfristige Planung kümmern. Und die müsse konsequenterweise bereits in den Universitäten und bei der Lehrerausbildung beginnen. „Nur so können wir verhindern, dass die Schere zwischen notwendigem Wissen und gesellschaftlich, wirtschaftlichen Anforderungen nicht noch weiter auseinanderklafft“, ist Jürgens überzeugt. „Unsere Nachbarn in Europa haben das in vielen Fällen alles schon getan – es wird mehr als Zeit, dass wir aufholen.“ News4teachers
Die Kernfrage lautet: Wie kann man die Entscheidungshoheit über den Einsatz technischer Ausstattung (NB: ein sehr guter Hinweis von Herrn Jürgens) den Klauen inkompetenter Bürokraten und Politiker entreissen?